Das Ziel der NATO, um jeden Preis ihre Truppenpräsenz in Zentralasien zu perpetuieren – viele Tausende Kilometer vom Nordatlantik entfernt, nach dem das Bündnis benannt ist –, wird jetzt durch immer häufigere Attacken, auch Bombenangriffe, auf das Gebiet Pakistans unterstützt. Offenbar bedurfte diese Politik der Vorbereitung durch die Entmachtung des bisherigen Staatspräsidenten Musharraf, der sich jahrelang relativ erfolgreich gegen diese Pläne gewehrt hatte
Die Politik des Westens gegenüber Pakistan folgt dem gleichen Muster wie im Fall Afghanistan: Unter Bruch allen Rechts eskalieren die US-Strategen alle Konflikte, die Doppelstrategie-Experten der CIA bringen die Konfliktparteien gegeneinander auf, und die Regierungen aller NATO-Länder täuschen ihre Bevölkerungen. Ihr Betrug besteht darin, daß das US-geführte Militärbündnis in Wahrheit nicht einen »Anti-Terror-Krieg« führt, sondern »Terrormanagement« betreibt. Den Begriff habe ich als Coach ausgewählter Führungskräfte der deutschen ISAF-Truppe eingeführt. Er beschreibt eine »verdeckte Großaktion für Aufbau und Ausnutzung widerständiger Kampfstrukturen mit möglichst abhängig gehaltener Führung zur Verwirklichung globalstrategischer Ziele«. Dies geschieht, um den Bevölkerungen der NATO-Länder vorgaukeln zu können, sie müßten zu ihrer eigenen Sicherheit ständig wachsende Truppenkontingente an den Hindukusch entsenden. Hintergrund ist der strategische Plan der USA, für alle Zeiten in Zentralasien einen starken militärischen Brückenkopf zu unterhalten. Ahmed Rashid und Zahid Hussain, weltweit renommierte Fachautoren, beschreiben, wie weit die heimliche Hilfestellung pakistanischer Geheimdienste für Taliban und Al-Qaida geht: bis zur regelmäßigen Information über US-Truppenbewegungen in Afghanistan oder Anlieferung von Elektronik-Zündern für die berüchtigten Straßenbomben, denen jüngst auch ein deutscher Hauptfeldwebel zum Opfer fiel. Meine eigenen Recherchen ergaben, daß die Bauteile dafür von den Geheimdiensten beschafft und an private »Bastler« weitergeliefert werden, die in dörflichen Haushalten in Pakistan entlang der afghanischen Grenze die Zünder zusammenbauen. In Afghanistan und Pakistan aktive Taliban-Kämpfer, die zumeist dem Volksstamm der Paschtunen angehören, der beiderseits der gemeinsamen Grenze bis hin zur nordafghanischen Stadt Kunduz siedelt, müssen harte Strafen fürchten, wenn sie geheimdienstliche Befehle aus Pakistan mißachten. Mord, Folter, Verschickung nach Guantánamo oder neuerdings Bagram bei Kabul gehören dazu.
In Pakistan, einer unter US-Aufsicht und erwiesener Mitwisserschaft erstarkten Atommacht, gleicht die Innenpolitik einem Schlachtfeld: Schon in ihrer Regierungszeit hatte Benazir Bhutto gelegentlich derartige Angst vor Zusammenkünften mit ihren Generälen, daß sie dabei auf der Anwesenheit des US-Botschafters bestand. Alle pakistanischen Regierungen werden dazu angehalten, weit mehr US-amerikanische Rüstungsgüter zu kaufen, als der Staatshaushalt erträgt. Für Programme gegen Armut und Analphabetismus fehlt es an Geld. Korruption ist weit verbreitet. Eine umfassende Landreform ist überfällig, das Gerichtswesen ist unterentwickelt und die (außen)politische Bewegungsfreiheit der Regierung nahe Null, dafür sorgt das strategische Interesse der USA an der Region. Sinnvolle Schritte wie der Aufbau der Wirtschaftskooperation ECO zwischen der Türkei, Iran und Pakistan werden gebremst – ebenso wie der IPI-Pipeline-Vertrag, der Iran und Indien über Pakistan verbinden soll. Und der Kaschmir-Konflikt zwischen Pakistan und Indien brodelt; eine imperialistische Politik des Westens wird es auf absehbare Zeit auch dort nicht zu einer Verständigung kommen lassen.
Von Christoph R. Hörstel ist soeben im Kai Homilius Verlag erschienen: »Brandherd Pakistan – Wie der Terrorkrieg nach Deutschland kommt«, 400 Seiten, 24.80 €