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Titel1912

Antworten

Sigmar Gabriel, Werbefachmann. – Einsam entscheidungsfreudig, so wird in Ihrer Partei geraunt, haben Sie dafür gesorgt, daß eine zusätzliche PR-Agentur für den Bundestagswahlkampf der SPD herangezogen wird: Aimaq von Lobenstein Creative Brand Consulting. Die Firma gilt als trendig durch ihre Kampagnen unter anderem für Ferrero, die Versicherungsgesellschaft Ergo, den WWF, die Lead-Tennisartikel und jetzt auch für den spanischen Sekthersteller Freixenet. Da wird sie sich leicht in die Mentalität potentieller SPD-WählerInnen hineinfühlen können. Aimaq von Lobenstein stellt sich selbst mit folgendem Slogan vor: »Wir finden Ideen, wo keine mehr sind.« Wenn das diesen Brandexperten gelingt, im sozialdemokratischen Terrain – da kann Ihre Partei aber wirklich froh sein. (Für diejenigen unter unseren Leserinnen und Lesern, die das Wirtschaftsdenglisch noch nicht beherrschen: »Brand« wird in der Reklamebranche in der Bedeutung von »Werbende Marke« benutzt, nicht im Sinne von »Schandmal«.)

Berthold Huber, IG Metall-Chef. –
Sie haben angesichts Ihres Alters sich zum Rücktritt bereiterklärt, sofern nicht eine Krise Ihren Schmusekurs (das Wort gebrauchten Sie allerdings nicht) gegenüber den Arbeitgebern gefährde und Ihr Nachfolger Ihnen passe. Die Mitglieder und Delegierten, die den Vorstand wählen, haben gefälligst Ja und sonst nichts zu sagen. Wir erinnern uns noch an Ihre Kritik Ende der 1980er Jahre an den Chefs des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) der DDR, die ihren Delegierten auch vorgeschrieben haben, wen sie zu wählen hätten. Was sagen Sie? Das wäre etwas anderes?

Michael Vassiliadis, Gewerkschaftschef. – Kompakt, das Mitgliedermagazin Ihrer Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie, wirbt für eine Euro-Zukunft und stellt dabei einen Leitsatz aus Ihrem Munde heraus: »Unser Ziel bleibt es, vergleichbare Lebensbedingungen in ganz Europa zu erreichen.« Vermutlich hatten Sie bei dieser Aussage ein Postulat des Grundgesetzes im Hinterkopf, wo von einer »Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse« die Rede ist, hier im Hinblick auf Deutschland. Der feine Unterschied in der Formulierung ist interessant: »einheitlich« oder »vergleichbar«? Schon jetzt lassen sich Lebensbedingungen und -verhältnisse in den europäischen Gesellschaften vergleichen, an dieser Möglichkeit fehlt es nicht. Zum Beispiel die spanischer ArbeiterInnen mit denen deutscher Jungmanager, etwa bei Bayer, BASF, RWE, e.on und so weiter, da kennen Sie sich doch aus.

Martin Walser, Romancier. –
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung gab Ihnen Gelegenheit zu einem europäischen Bekenntnis. Das gemeinsame europäische Währungssystem möchten Sie retten, eine Fiskalunion halten Sie für die richtige Lösung, und Sie setzen Vertrauen in den deutschen Bundesfinanzminister: Der wird schon wissen, wie man das alles hinbekommt. Also müssen Sie sich in Ihrem voluminösen Text mit dem lästigen Ökonomie- und Finanzkram nicht weiter beschäftigen und belehren uns zitatreich: Schon Hölderlin war Europäer, Nietzsche auch. Den Euro kannten die noch nicht, aber jetzt haben wir ihn und wollen ihn nicht verlieren, denn »er ist mehr als eine Währung, er ist ein Medium der Kommunikation beziehungsweise eine Sprache«. Wir wissen nun: Im Währungsverbund unterhalten sich Bankmanager und Arbeitslose in der Euro-Sprache, welch ein Glück.