Bei den öffentlich-rechtlichen Talkshows gilt er als der Irre vom Dienst. Gern wird er auch als deutschnationale Krawallschachtel eingeladen. Jedenfalls scheint Arnulf Baring solcher Qualifikationen wegen über ein Abonnement für die Gesprächsrunden von Anne Will bis zu Maybrit Illner zu verfügen.
Dabei ist er ein durch und durch seriöser Wissenschaftler und wird als solcher vielerorts hoch geschätzt. Die BZ, noch immer eine bedeutende Frontstadtzeitung, beauftragte den emeritierten Historiker der Freien Universität drei Wochen vor der Wahl mit einer Exegese des Großen Kanzlerkandidatengesprächs im zusammengeschalteten Deutschen Fernsehen. Baring analysierte: »Merkel war ein wenig besser als Steinbrück, aber Steinbrück nicht viel schlechter als Merkel.« Dann bildete er aus diesen Komponenten die neue Bundesregierung: »Beide wären das ideale Paar für eine Große Koalition. Beide können offenbar sehr gut miteinander.«
Das Regierungsprogramm dieser schwarzdüsteren Koalition steht seit dem »Tag der Heimat« des »Bundes der Vertriebenen« am 24. August fest. Welt-Korrespondent Richard Herzinger, der dabei war, berichtete. Die Deutschen, so Festredner Arnulf Baring, seien »das vielleicht bedeutendste Volk Europas« – weigerten sich aber zur Zeit noch, dies einzusehen. Ein Minderwertigkeitskomplex, der sich darin niederschlage, daß man nur noch die dritte Strophe des Deutschlandliedes singe. Der Welt-Berichterstatter: »Baring hält das für keinen normalen Dauerzustand und prophezeit, man werde sich irgendwann auch wieder zu der ersten Strophe bekennen. Wie vielen Zuhörern der Historiker mit diesem Appell für einen von der Belastung durch die NS-Zeit befreiten deutschen Nationalstolz aus dem Herzen sprach, zeigte der starke Beifall.«
Barings Befreiung des deutschen Nationalstolzes, sieht nach Herzingers Bericht so aus: Deutschland habe sich – von »den zwölf Jahren Hitler« einmal abgesehen – über die Jahrhunderte hinweg als »besonders freundliches, kooperatives Volk« erwiesen. Daß die Deutschen im übrigen gewußt hätten, daß die Nazis die Juden ermorden wollten, sei »eine Lüge«, die zur »Geschichtsvergessenheit« der Deutschen beitrage.
Barings Richtigstellungen der deutschen Geschichte wurden von seinen freundlichen und kooperativen Zuhörern begeistert aufgenommen. Verständlich: Das Bekenntnis zur ersten Strophe (»Deutschland, Deutschland über alles«) schließt die Gebietsbestimmung »von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt« ein, also eine Erweiterung Deutschlands um beachtliche Teile fremden Staatsgebiets.
Zukunftsweisend ist auch, daß Baring heute offensichtlich die ehemaligen Bürger der DDR als Deutsche anerkennt. 1991 noch hielt er es in seiner Bekenntnisschrift »Deutschland, was nun?« für »Schönfärberei«, wenn man den Ostdeutschen verschweigt, daß sie nichts taugen. Da sei nichts zu retten, die Leute drüben sind »verzwergt«, sie sind »verhunzt«. Baring über das minderwertige ostdeutsche Menschenmaterial: »Ob sich heute einer dort Jurist nennt oder Ökonom, Pädagoge, Psychologe, Soziologe, selbst Arzt oder Ingenieur, das ist völlig egal: Sein Wissen ist auf weite Strecken unbrauchbar.« In der alten DDR herrschte im Grunde »polnische Wirtschaft und so sind ›aus den Menschen dort‹ weithin ›deutsch sprechende Polen‹ geworden«. Und wenn sie da auch mit ihrer »kompensatorischen Arroganz des unterlegenen Schwächeren« so weitermachten, dann, so drohte er: »Wir setzen Euch raus.«
Aber wohin? Polen ist nach der kommenden Hymnenänderung – weit vor der Memel wieder deutsch. Die nicht nur von Baring vorgesehene Regierung Merkel/Steinbrück steht vor großen Aufgaben.