Heinrich August Winkler, besorgter Historiker. – Daß zwei Drittel der Deutschen die Ausweitung der Waffenexporte ablehnen, haben Sie am 24. August im ZDF als Ausdruck der Orientierungslosigkeit gedeutet. Das heißt dann wohl, nur wer wie die Regierung denkt, behält die Orientierung. Hatten wir das nicht schon mal?
Joachim Gauck, Waffenliebhaber. – Eifrig werben Sie, die Rolle eines Staatsoberhaupts nutzend, für ein deutsches Bekenntnis zu einer »weltpolitischen Verantwortung«, die auf militärische Mittel nicht verzichten dürfe. Dieser Botschaft diente auch Ihr Auftritt am 1. September, bei einem polnischen Staatsakt. Deutschland werde, so war Ihre Rede zu verstehen, das Land der Polen nicht wieder mit Krieg überziehen, ein alter und neuer Feind sei vielmehr ins Visier zu nehmen: Rußland. Unter Putins Regie habe dieses Land sich geweigert, von der EU und der NATO »integriert« zu werden. Deshalb sei es nun zu Ende mit dem »Partner«-Verhalten, der Westen müsse »Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft« gen Osten »den neuen Umständen anpassen«. Diese Androhung von Waffengewalt haben Sie mit einer Äußerung des Bedauerns verbunden: Rußland (jetzt in Ihren Augen eine Art Schurkenstaat) habe doch einst ehrenwerte Dichter hervorgebracht – Dostojewski und Tolstoi. Der zweitgenannte poetische Denker allerdings, das wird Ihnen entgangen sein, hat heftig die Neigung christlicher Prediger kritisiert, den Waffeneinsatz zu segnen. Und folgende ironische Empfehlung entstammt seiner Feder: »Wer für den Krieg ist, der soll in die Fronttruppe ganz vorn, zur Attacke allen anderen vorweg.«
Christian Schmidt, Bundesernährungsminister. – Wie stürzt man den »neuen Zaren« von seinem Thron? Das Vorrücken der NATO allein wird da nicht genügen, zusätzliche Druckmittel sind notwendig, die Bundesrepublik muß sich mehr einfallen lassen. So Ihr Gedankengang. Und Ihre Schlußfolgerung: Die Deutschen, dazu rufen Sie auf, sollen jeden Tag eifrig deutsche Äpfel essen – schon geht es mit Putin zu Ende. Denn dann laufen die Einfuhrbeschränkungen, mit denen der russische Staat auf die wirtschaftlichen Sanktionen des Westens reagiert hat und von denen auch deutsches Obst betroffen ist, ins Leere. Recht bald erweise sich der Mann im Kreml als hilflos, die Russen verlieren das Vertrauen in ihn ... Gewiß, Ihr Beitrag zur Strategie der Putinbekämpfung nimmt sich etwas kompliziert aus. Aber immerhin – er dient der emotionalen Aufrüstung, vor allem bei Besitzern von Obstplantagen in der Bundesrepublik; die wenigstens sollen nicht befürchten müssen, daß die wirtschaftliche Kriegsführung ihnen Verluste bringt. Und dem deutschen Volk wollen Sie Kampfesgeist vermitteln: Dem Russen zeigen wir, daß wir auf seine Verzehrbereitschaft nicht angewiesen sind – der Deutsche vertilgt seine Produkte selbst! Darauf einen Obstler.
Horst Seehofer, schwächelnder Landesherr. – Warum nur haben Sie der Chefin Ihrer Staatskanzlei den Laufpaß gegeben? Wegen eines Fehltritts vor ihrer Amtszeit, der – an landesüblichen Politikergewohnheiten gemessen – doch nur Miniformat hatte. Ein bißchen Zuverdienst zog Christine Haderthauer aus dem Verkauf von Modellautos, die ein inhaftierter Straftäter bastelte, na und? Hätte sie dem Missetäter den Gewinn überlassen sollen? Denken Sie an einen ehemaligen bayerischen Prominenten, der ganz andere Affären hinter sich hatte: Der schaffte zum Beispiel als Verteidigungsminister eine Menge echter Flugzeuge an, unter seltsamen Umständen; viele davon stürzten dann ab, der Besteller jedoch wurde machtvoller weiß-blauer Ministerpräsident. Und noch heute wird seiner Verdienste rühmend gedacht. Als bayerischer Löwe gilt er, dem freilich »nichts Menschliches fremd gewesen« sei; einen Korruptionsverdacht schüttelt solch ein Alphatier lässig ab.
Arye Sharuz Shalicar, Pressesprecher der israelischen Armee. – Gratulation! Sie verstehen sich darauf, die Möglichkeiten von Facebook zu nutzen. Ende August warfen Sie in diesem sogenannten sozialen Medium dem Berliner Journalisten Martin Lejeune vor, »Terror und Haß und Zerstörung« zu befürworten. »Der Typ« könne »eher als Sprecher der Hamas durchgehen«. Lejeune hatte sich mehrere Wochen in Gaza aufgehalten und über die Folgen des Krieges für die Zivilbevölkerung berichtet. Sie gaben die Parole aus: »Ich sag nur: Abstand halten!« In den folgenden Tagen bekam Lejeune von mehreren deutschen Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten die Mitteilung, daß Beiträge von ihm nicht mehr erwünscht seien.