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Titel1915

Der Arbeitersohn Ralph Hartmann  (Andrej Reder)

Vielfach kreuzten sich unsere Wege. Ob während des Studiums am Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, in der Abteilung für internationale Verbindungen des ZK der SED oder in der Botschaft der DDR in Belgrad – stets begegnete ich einem überzeugten, engagierten Gleichgesinnten und unverwechselbaren Mitstreiter für die Sache des Sozialismus. Fundiertes Studium und reiche Erfahrungen auf internationalem Gebiet befähigten Ralph Hartmann, konkrete Ereignisse akribisch zu analysieren. Historische und aktuelle Entwicklungen, so in Jugoslawien, Kuba, in der Sowjetunion, der DDR oder aber hierzulande beurteilt er im globalen Kontext. Charakteristisch ist seine ausgeprägte internationalistische Haltung, beispielsweise im Protest gegen die Zustimmung von PDS-Abgeordneten zu der im Brüsseler EU-Parlament angenommenen antikubanischen Resolution als er schrieb: »Für die Mehrheit der Linkspartei-Mitglieder, für alle aufrechten Linken ist die Solidarität mit Kuba eine Sache des Herzens und des Verstandes, umso mehr, da die USA und ihre Verbündeten ihre Attacken gegen das Land verstärken.«


Ralph Hartmann gehört zweifellos zu den DDR-Diplomaten, die in unzähligen schriftlichen Kommentaren, in Büchern und öffentlichen Auftritten ihre Weltsicht und feste Haltung zum real gewesenen Sozialismus bekunden. Das hat er selber einmal so formuliert: »Bei dem Lernen aus der Geschichte, bei der Suche nach einer Alternative führt kein Weg an den Idealen und Ideen des Sozialismus, an seinen Leistungen, Fehlschlägen und schmerzlichen Erkenntnissen vorbei. In Deutschland gehören dazu auch die guten und die harten, aber wertvollen Lehren«, die die DDR vermittelt, die zwar untergegangen, aber »zum Leidwesen ihrer nimmermüden Gegner trotz aller Bemühungen nicht ›totzukriegen‹ ist.«


Hans Modrow, dem Ralph Hartmann vier Jahre als persönlicher Mitarbeiter zur Seite stand, verweist in einem Vorwort: »14 Jahre seines Berufslebens hat er in Jugoslawien verbracht. Kein Wunder also, dass er die dramatischen Ereignisse in diesem Land nach dem Zusammenbruch der SFRJ, die völkerrechtswidrige Einmischung der NATO-Staaten und ihren Aggressionskrieg gegen Jugoslawien mit besonderer Aufmerksamkeit, mit Schmerz und Zorn verfolgt hat, was sich in seinen Büchern, in seinem Auftreten ... und in seinen Pressebeiträgen widerspiegelt.«


Wie viele DDR-Bürger auch, empfand Ralph 1990 schmerzlich den Verlust seiner eigenen Heimat. Kritisch setzte er sich in mehreren Buchveröffentlichungen mit der Abwicklung der DDR auseinander. Sprachliche Fertigkeiten und überzeugende Argumentation sind kennzeichnend für seine Beiträge in Ossietzky, die nicht selten auch satirische Züge aufweisen. Sie bereichern auf ihre unverwechselbare Art die intellektuelle Qualität dieser Publikation.


So wie der gewiefte Außenpolitiker gewohnt ist, über seinen Tellerrand hinauszublicken, so offenbart er auch im menschlichen Bereich nicht nur großes Interesse und einfühlsames Verständnis für Probleme und Sorgen anderer, sondern engagiert sich gemeinsam mit Betroffenen hilfreich für deren Lösung. Aufmerksames Zuhören löst bei ihm gewöhnlich Nachdenklichkeit aus, und bereits an seinem Gesichtsausdruck ist ablesbar, dass er nicht schlechthin zum Sprechen ansetzt, sondern auch etwas zu sagen hat. Ein solches Verhalten gepaart mit übereinstimmenden politischen Grundüberzeugungen führte dazu, dass sich unsere Bekanntschaft seit 1991 zu einer herzlichen Freundschaft entwickelt hat, die von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet ist.


Ralph anlässlich seines 80. Geburtstages zu würdigen, ohne Evelyn zu erwähnen, wäre eine Sünde. Seit Jahrzehnten gehen sie beide, wie es nicht vielen Ehepaaren vergönnt ist, durchs Leben, durch dick und dünn. Wie »dünn« es ein Paar im Leben treffen kann, mussten beide bitter erleben. Beispielhaft ist, mit wie viel Liebe, Aufopferung und Lebensmut sie gemeinsam die letzten Jahre gemeistert haben! Der Jubilar hat daran einen Riesenanteil. Sich dennoch dem gesellschaftlichen Diskurs nicht zu verweigern und sich aktiv auch im Sinne von Ossietzky einzubringen, zeugt vom unbeugsamen politischen Willen, sich für eine gerechte Welt einzusetzen. Mögen dem Achtzigjährigen und Evelyn noch viel Kraft bleiben und etliche erfreuliche Jahre im Kreise der Familie und Freunde beschieden sein. Sto lat!

Verlag und Redaktion Ossietzky schließen sich den guten Wünschen an.