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Titel1918

Monatsrückblick: »Mach disch fodd!«  (Jane Zahn)

Langsam macht man sich in Europa Gedanken über die Nachfolge für Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident. »Am besten wäre ein deutscher Kommissionspräsident und ein kluger Franzose an der Spitze der EZB«, meint dazu Günther Oettinger (CDU), deutscher EU-Haushaltskommissar am 14. September auf handelsblatt.de. Der Deutsche muss nicht extra klug sein, wenn er deutsch ist.

 

Die Schlacht um Idlib, die letzte Hochburg der islamistischen Kämpfer in Syrien, ist abgewendet, zumindest vertagt. Russland und die Türkei, die Schutzmächte beider Seiten, haben sich auf eine Schutzzone geeinigt, in der die Kämpfer ihre Waffen abgeben und Schutzsuchende aufgenommen werden können. Das ist auf jeden Fall ein Sieg der Vernunft über die Kriegslogik. Schutzzonen könnten wir in Deutschland gelegentlich auch brauchen.

 

Der Hambacher Forst, jedenfalls, was noch von ihm übrig ist, wird durch Polizei-Einheiten, die aus der ganzen Bundesrepublik zusammengezogen wurden, von Umweltaktivisten gesäubert. RWE und die nordrhein-westfälische Landesregierung wollen Fakten schaffen, bevor die Kohlekommission eventuell doch noch den Ausstieg aus der Braunkohle empfiehlt. Allerdings geht es dem dortigen Innenminister Herbert Reul gar nicht um Braunkohle oder RWE, sondern schlicht um das Baurecht, wie er im Deutschlandfunk am 14. September darlegte: »Und jetzt sind da Menschen, die haben auf fremdem Gelände schwarz gebaut, beachten keine Bauvorschrift, keine Brandvorschrift, wehren sich auch noch, sind kriminell, greifen auch noch Polizisten an, werden straffällig. Und da soll ich jetzt nichts unternehmen? Ich verstehe das überhaupt nicht, muss ich ehrlich sagen. Das ist doch das Normalste auf der Welt, dass jeder Bürger von der Polizei erwartet, dass sie für Recht und Ordnung sorgt.« Recht und Ordnung sind eben wichtiger als Umwelt- und Klimaschutz und als das Recht auf politischen Protest. Nur der Unfalltod eines Journalisten hat die Räumung vorläufig stoppen können. (Stand 21.9.18)

 

Derweil betätigt sich die Bundeswehr als Brandstifter und fackelt ein ganzes Moor ab, der Brandgeruch ist bis nach Bremen wahrzunehmen, die Feuerwehr wochenlang im Großeinsatz. Wenigstens ist dieser Brandherd erkannt worden, und wird bekämpft. Die SPD kämpfte auch für die Beseitigung eines Brandherdes, die Entlassung von Hans-Georg Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes. Allerdings schützt ihn sein Dienstherr, Innenminister Horst Seehofer, unbeeindruckt von den Fakten. Und Merkel müsste schon Seehofer entlassen, um Maaßen entlassen lassen zu können. Aber die Koalition soll nicht an einer Personalie scheitern, meint Merkel. Die SPD hat doch schon ganz andere Kröten geschluckt, soll das wohl heißen. Und jetzt ist die Kröte im Innenministerium und grinst sich einen.

 

»Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist«, hatte der Bundesverfassungsschutz-Präsident Maaßen in der Bild vom 7. September zu den Videoaufnahmen von der Chemnitzer Hetzjagd formuliert. Eine so vorsichtige Ausdrucksweise wünscht man sich bei anderen »angeblichen Vorfällen« auch mal.

 

In penibler Kleinarbeit hat die englische Polizei die mutmaßlichen Täter des mutmaßlichen Giftanschlags auf Ex-Doppelagent Skripal und seine Tochter ausfindig gemacht: Laut Gesichtserkennung der Videokameras waren zwei Russen einen Tag vorher in Salisbury zu Besuch. Logisch, die müssen es gewesen sein! Was sonst sollten zwei Russen in einer englischen Kleinstadt machen als Giftattentate? Ist schon irre, wie alle Medien darauf abfahren und aus der Mutmaßung Tatsachen machen. Und dann Spott und Hohn darüber ausschütten, dass die besagten Männer ihre Unschuld beteuern. Bei Vergiftung von Ex-Agenten sind es immer die Russen, bei Giftgas-Anschlägen in Syrien ist es immer Assad, und in Gleiwitz waren es natürlich die Polen.

 

In Zukunft könnten es vielleicht auch Roboter sein. Im Auftrag Gottes, oder vielmehr seiner irdischen Vertreter. In einer Wiesbadener Kirche wird der geneigte Besucher in sieben Sprachen beziehungsweise Dialekten (darunter auch Hessisch) von einem Roboter gesegnet: »Mach disch fodd in Goddes Namen.« (zdf-heute am 20.9.18) Was man einigen Ministern und Staatssekretären auch zurufen möchte …