Die Brücke von Remagen, von der auf beiden Seiten des Rheins nur noch die Eingangstürme stehen, ist berühmt wegen ihrer Geschichte: Überraschender Weise fanden die US-Amerikaner sie unversehrt, als sie im Frühjahr 1945 an den Rhein kamen, und konnten daher schneller als erwartet viele ihrer Soldaten auf die andere Rheinseite bringen. Heute gibt es auf der Remagener Seite der Brücke ein »Friedensmuseum«, das aber, wie Ploughshare-Aktivisten aus den USA bemängelten, eher ein Brückenmuseum ist. Nun, die Geschichte der Brücke ist selbst schon ein Lehrbeispiel für Krieg und Frieden. Die Brücke wurde nämlich zu militärischen Zwecken erbaut. Sie sollte im Rahmen des sogenannten Schlieffenplans den Aufmarsch der Truppen im Ersten Weltkrieg erleichtern. Dummerweise wurde sie aber erst 1916 fertig, so dass ihr erster militärischer »Einsatz« 1918 die Rückkehr der geschlagenen Truppen war. Im Zweiten Weltkrieg war es nicht besser, und die Brücke wurde zum zweiten Mal zum Symbol für die Absurdität der deutschen Allmachtsphantasien. Nach 1918 waren die Sprengkammern an der nun zivil genutzten Brücke abgebaut worden, so dass man die Brücke nicht mehr sprengen konnte, als die US-Amerikaner auftauchten. Man versuchte es dennoch, die Brücke schwankte erheblich, hielt aber stand, was die Amerikaner als ein Wunder ansahen. Nachdem schon viele US-Soldaten die Brücke überquert hatten, brach sie schließlich doch zusammen, und viele Soldaten kamen ums Leben.
Nun aber verbindet sich mit dieser Brücke noch das Schicksal des Kommandanten, sein Name: Major Scheller. Nachdem es ihm nicht gelungen war, die Brücke zu sprengen, hätte er sich den Amerikanern einfach ergeben können, aber nein: Er eilte als treuer Soldat seines Führers gen Osten, um seinen Vorgesetzten zu berichten, was geschehen war. Aber Hitler, dem im März 1945 bereits das Wasser bis zum Halse stand, hatte bereits beschlossen, dass Verrat im Spiele sei, und suchte einen Schuldigen. Der Major wurde also, kaum dass er seine Vorgesetzten gefunden hatte, verhaftet, vor ein Standgericht gestellt und, wenige Wochen vor Kriegsende, erschossen.
Mehr als zwanzig Jahre später erwirkte die Witwe des Majors seine Rehabilitierung, das Urteil ist im Remagener Friedensmuseum ausgestellt. Leider war es mir beim Besuch des Museums nicht möglich, das Urteil zu lesen, dazu reichte die Zeit nicht. Aber was kann schon drinstehen? Es kann ja nichts weiter herausgekommen sein als die Aussage: Der Mann war ein treuer Soldat, er wollte Deutschland nicht verraten, und er soll als treuer Soldat in die Geschichte eingehen. Eine solche Art von Rehabilitierung hinterlässt einen üblen Nachgeschmack. Dass es, angesichts der desolaten militärischen Lage, einfach nur dumm war, noch Widerstand zu leisten, und noch dümmer, sich seinen Henkern in die Arme zu werfen, das hätte der arme Major im März 1945 eigentlich wissen müssen.
Das Remagener Friedensmuseum, das die Geschichte der Brücke und ihres letzten Kommandanten mit zahlreichen Dokumenten und Fotos belegt, listet in einem Raum alle möglichen Konflikte und Kriege seit 1945 auf und hat Jugendliche einen eigenen Raum gestalten lassen, mit vielen Friedenstauben und vielen schönen Sprüchen. Aber nirgendwo ist von den wahren Ursachen der Kriege die Rede. Das ist ein großes Manko dieses Museums: Es traut sich nicht, Ross und Reiter zu nennen. Wir waren dort als eine Gruppe von Menschen, die sich mit Zivilem Ungehorsam den Atomwaffen in Büchel entgegenstellen, und mussten einen Fremdenführer erleben, der zwar perfekt Englisch sprach, sich aber nicht zu einer Aussage über das Verbrecherische dieser Atomwaffen aufraffen konnte. Vielleicht gibt es in Remagen und Umgebung Menschen, die sich dafür einsetzen, ihrem Museum einen wirklichen Anti-Kriegs-Charakter zu geben; Besucher*innen von außen können die Harmlosigkeit und Unbedarftheit der Ausstellung nur beklagen.