Facebook kann seine Algorithmen zum Herausfiltern von Hassmails verschrotten. Es gibt keine Hassmails. Das sind alles nur sachbezogene Meinungsäußerungen. Auch keine Beleidigungen. Denn es geht da – laut Urteil des Berliner Landgerichts in der Causa Künast gegen Facebook – »… dem Äußernden erkennbar nicht darum, die Antragstellerin als Person zu diffamieren …« Der Äußernde will nur seine Meinung – sachbezogen – zu einem Problem darstellen. Uff, da sind wir aber erleichtert! Die Äußerung »Du verdammter Richter, du!« ist also keine Beleidigung, sondern eine sachbezogene Äußerung.
Sachbezogen verhält sich auch Boris Johnson. Ob das Gericht nun seine Beurlaubung des Parlaments für null und nichtig hält oder nicht: Er führt das jahrhundertealte parlamentarisch-demokratische Reglement derart vor, dass seine Anhänger darin bestätigt werden, dass allein er (eventuell noch Nigel Farage) recht hat und die Schwatzbude geschlossen werden muss.
Auch Trump macht das so. Impeachment-Verfahren? Weil er seinen ukrainischen Statthalter gebeten hat, einen möglichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten zu belasten? So what? Das ist selbstverständlich nur eine weitere Hexenjagd seiner Gegner auf Trump. Es wird seine Anhänger noch mehr davon überzeugen, dass er ihr Mann gegen das »Establishment« ist.
Und auch die Bundesregierung arbeitet erfolgreich daran, das parlamentarische System zu diskreditieren. Die Ergebnisse des Klimakabinetts sind derartige Kinkerlitzchen, dass nur noch der Ruf nach einem »starken Mann« zu ertönen braucht, um das Kartenhaus Demokratie zum Einsturz zu bringen.
Vorgebaut haben die Geldgeber der AfD: Die Partei steht bereit – hat zwar keine Lösungen für anstehende Probleme, kann aber gut den Unmut der Beherrschten einfangen – sachbezogen unsachlich. Und Bernd Höcke wird dann »… eine interessante persönliche, politische Person in diesem Land. Könnte doch sein«. (ZDF-Interview vom 15.9.19)
Dagegen erscheinen die Kinder und Jugendlichen auf ihren Demonstrationen »for future« erfreulich sachbezogen und sachlich. Ein großer Erfolg, dass 1,4 Millionen Menschen in Deutschland friedlich und mit Elan protestierten. Allerdings passt die weltweite Klima-Kampagne auch ins Konzept des Regime Change in Russland und Hongkong – oder besser gleich in ganz China, aber vielleicht bin ich schon paranoid.
China kann in vier Jahren einen Großflughafen bauen, der auch noch funktioniert? Pfui! Das sind erstens nur Zwangsmaßnahmen, und zweitens wollen wir doch gerade den Flugverkehr zurückdrehen! Der BER war die erste Maßnahme, um Flugzeuge am Boden zu halten, wir hatten das bisher nur nicht richtig verstanden! Nicht lachen: Die De-Industrialisierung der DDR wird ja auch als Erfolg in der Senkung des CO2-Ausstoßes verkauft.
Monsieur Macron verkauft uns die Härte seiner Polizei gegen die Gelbwesten als harmlos: »Keine irreparablen Schäden« habe die Polizei bei ihren brutalen Einsätzen gegen die Gelbwesten verursacht (jW, 30.8.19). Sachbezogen heißt das: 23 Menschen haben ein Auge verloren, fünf eine Hand, zehn erlitten schwere Verletzungen an Füßen und am Kiefer, ein »fete de la musique«-Teilnehmer wurde in die Loire geschubst und ertrank. Ist alles reparabel. Denn es ist nicht in Hongkong passiert. Dort wäre es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen, gegen das strengste internationale Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Das Stürmen eines Parlamentsgebäudes dort ist rein sachbezogen friedlich und nur dem Drang nach Demokratie geschuldet.
Dass »German Angst« ein weltweit bekannter Begriff ist, haben die letzten Umfragen wieder mal als sachbezogen erwiesen. Die Deutschen fürchten sich zwar weniger als in den letzten Jahren. Aber am meisten fürchten sie sich vor »einer Überforderung des Staates durch Flüchtlinge, vor Spannungen durch den Zuzug von Ausländern und vor der Politik von Donald Trump«. (Märkische Allgemeine Zeitung, 6.9.19) Seit 1992 werden jährlich 2400 Deutsche im Auftrag der R+V-Versicherung nach ihren Ängsten befragt. Die Angst vor den Folgen des Klimawandels ist noch nicht in der Bevölkerung angekommen, sie rangiert erst auf Platz zwölf. Das Ergebnis wird vermutlich die AfD »sachgerecht« verwursten, wenn sie den menschengemachten Klimawandel und seine Folgen für Propaganda hält. Denn was zu fürchten ist, bestimmt nicht die Realität, sondern die Statistik.
Apropos Klimawandel: Der stärkste Hurrikan wütet tagelang über den Bahamas – und Präsident Trump geht golfen! Darüber empören sich viele Medien, aber warum eigentlich? Was erwarten sie? Dass Trump sich persönlich dem Sturm entgegenstellt? Dass er ihn wegtwittert? Dass er »Anteilnahme zeigt«, wie alle Regierungen Südamerikas und der Karibik? Das wäre ja so, als würde man von Merkels Kabinett einen Plan gegen den Klimawandel verlangen! Die GroKo beschließt dagegen, auf Inlandsflügen Ölheizung zu verbieten. Gehen ihr die Demonstranten in Deutschlands Städten so am Arsch vorbei? Bitte, das ist rein sachbezogene Kritik! Nicht mal »geschmacklos«.
Denn »geschmacklos« ist laut sächsischer Staatsanwaltschaft die Transparent-Aufschrift: »Was reimt sich auf Zykon B? Feine Sahne Fischfilet«. Dieses große Transparent konnten Neonazis am 21. August ungehindert am helllichten Tag mitten in Dresden aufhängen, gegenüber der Bühne, auf der die Band »Feine Sahne Fischfilet« auftrat. Zyklon B war ja auch geschmack- und geruchlos. Damit die zu Vergasenden nichts von ihrem nahen Tod ahnten und womöglich noch in Panik gerieten und die geordneten Mordabläufe störten. Es reimt sich aber noch viel mehr darauf: »AfD« zum Beispiel. Bitte – rein sachbezogene Meinungsäußerung!
Die AfD hat in Brandenburg 23 Prozent, in Sachsen 27 Prozent, zusammen sind das 50 Prozent der Wähler! Das hat keine andere Partei erreicht! Naja, so rechnet jedenfalls ein AfDler aus Bayern (MAZ, 5.9.19). Andererseits haben 40 Prozent der Wahlberechtigten nicht gewählt. Wen sie gewählt haben würden, wenn sie zur Wahl gegangen wären, das weiß man nicht. Warum sie nicht zur Wahl gegangen sind, kann man auch nur raten. Geht ihnen die ganze Politik so am Arsch vorbei? Dann reagieren sie einfach nur sachbezogen! Allerdings: Ihren Allerwertesten retten sie damit auch nicht, denn der wird gerade sachbezogen von der Wirtschaftskrise auf Grundeis gesetzt. Die ersten Konzerne lassen schon kurzarbeiten.