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Übers Rauchen und Autofahren  (Eckart Spoo)

Als meine Kinder anfingen zu rauchen, fühlte ich mich herausgefordert. In einer Woche, als ihre Mutter, meine Frau, verreist war, sprach ich mit ihnen, und wir verabredeten: Ab Freitag rauchen wir nicht mehr.

Seit jenem Freitag rauche ich nicht mehr.

Die meisten Raucher, die von der Sucht loskommen wollen, meinen, sie könnten das Ziel mit geringerer Mühe erreichen, wenn sie in kleinen Schritten vorgehen. Sie rauchen jede Zigarette nur bis zur Hälfte oder gestatten sich vormittags bis Zwölf keine einzige mehr oder stecken sich frühestens eine Stunde nach der letzten eine neue an. Mit alledem machen sie es sich nicht leichter, sondern schwerer: Das Rauchen – oder Abgewöhnenwollen beherrscht ihr ganzes Denken. Mein Rat aus eigener Erfahrung: Quält Euch nicht so, hört einfach auf zu rauchen.

Aber haben Sie keine Sorge, verehrte Raucherinnen und Raucher, ich will mich hier nicht in Ihre inneren Angelegenheiten einmischen. Bevor ich das Rauchen aufgab, nahm ich mir vor, keinesfalls zum fanatischen Nichtraucher zu werden. Auch an diesen Vorsatz habe ich mich gehalten: Ich will nicht missionieren. Ich weiß, wie einem diese Apostel auf die Nerven gehen können. Und wie wenig Erfolg sie haben – gerade deswegen.

Unerfreuliche Zeitgenossen sind auch die, die andere mit erhobenem Zeigefinger und endlosen Redeströmen vom Autofahren abzubringen versuchen. Jeder weiß doch inzwischen selber, daß der Rauch, der aus dem Auspuff kommt, noch viel mehr Schaden anrichtet als der aus der Zigarette. Daß das Autofahren – und erst recht das Fliegen – eine Hauptursache des Klimawandels ist. Daß die Menschheit dadurch sich selber und zuvor viele andere Arten von Lebewesen ausrottet.

Wenn ich Ihnen jetzt wahrheitsgemäß berichte, daß ich seit fast 20 Jahren keinen Meter mehr Auto gefahren bin, dann muß ich fürchten, von Ihnen künftig als Asket belächelt zu werden, der irdischen Freuden entsagt hat und sich das Leben unnötiger Weise selber erschwert. Dabei ist es gerade umgekehrt. Ich genieße – trotz Mehdorn – das Bahnfahren. Ich weiß mich sicherer vor Unfällen. Auf manchen Strecken komme ich viel schneller ans Ziel als mit dem Auto, zum Beispiel von Berlin nach Leipzig, Hannover oder Hamburg. Außerdem ist die Zeit im Zug keine verlorene Zeit wie hinterm Steuer. Ich kann lesen, schreiben, schlafen. Ich erlebe andere Reisende nicht als Konkurrenten, über die ich mich permanent aufregen muß, sondern als Mitreisende, denen man zulächeln darf und mit denen man in ersprießliche Gespräche kommen kann. Zwar muß ich die Möglichkeit von Verspätungen einkalkulieren, aber ich gerate nicht in Staustreß. Auch langwierige, entnervende Parkplatzsuche bleibt mir erspart.

In meinen ersten autofreien Jahren war ich journalistisch als Zeitungskorrespondent tätig und viel unterwegs. Über meine Erfahrungen konnte ich meinen Lesern damals schon berichten, daß ich besser herum- und zurechtkam als vorher – nicht in jedem einzelnen Fall, aber insgesamt. Das gilt bis heute, obwohl Mehdorn wie schon seine Vorgänger inzwischen viele Nebenstrecken stillgelegt, Bahnhöfe geschlossen hat und obwohl auch der Busverkehr eingeschränkt worden ist.

Jahrzehntelang hatten Politiker aller Parteien den Vorrang der Schiene vor der Straße, des öffentlichen vor dem individuellen Verkehr verheißen – auch in Parteiprogrammen und Regierungserklärungen –, aber konsequent gegenteilige Entscheidungen getroffen. Gerhard Schröder, der erste Bundeskanzler ohne jede Hemmungen, gab sich dann nicht nur für die Mitwirkung an einem Angriffskrieg her und für die drastische Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung, sondern rühmte sich auch als »Autokanzler«. Eine durch und durch aggressive Politik, die sich bis heute fortsetzt. Zur totalen Automobilisierung trug sie maßgeblich mit der Entscheidung bei, den Fernverkehr der Post von der Schiene auf die Straße zu verlegen.

Kein Wunder, daß heute der Chef eines Autokonzerns der weitaus höchstverdienende Manager Deutschlands ist und daß der Verkehr immer mehr Energie frißt und daß die Energiepreise steigen und steigen und daß wieder neue Kriege ums Öl drohen.

Während ich auf dem Weg von der Wohnung zum Ossietzky-Redaktionsbüro oder zum Einkaufen durch die Straßen gehe oder mit dem Fahrrad fahre (beides hat mir meine Internistin empfohlen) und die Abgase einatme (was sie mir nicht empfohlen hat), sehe ich neben und vor mir Blech, Blech, Blech. Hier gibt es längst keine Straße mehr, auf der Kinder spielen könnten. Wenn die Kinder 18 sind, will jedes ein eigenes Auto haben, um in der Autogesellschaft anerkannt zu sein. Die Autokonzerne dringen mit ihrer Reklame darauf, daß wir alle schnell ihre neuen Modelle erwerben – möglichst oft, möglichst teuer. Und da alles Blech rostet, wachsen die Autofriedhöfe – zumeist im Ausland, wo sie uns weniger auffallen.

Kann ich etwas dagegen ausrichten, daß der Autostaat, in dem ich lebe, immer mehr Autostraßen baut und öffentlichen Verkehr abbaut, so daß Kinder, Behinderte, Alte (ein großer Teil der Bevölkerung) immer immobiler werden?

Verehrte Autofahrerinnen und Autofahrer, ich kann Sie nicht hindern, mit einem großen, starken, teuren Geländewagen zu liebäugeln, und will es gar nicht erst versuchen. Ich erlaube mir nur die Mitteilung, daß es mir besser geht, seit ich nicht mehr Auto fahre. So wie es mir auch besser geht, seit ich nicht mehr rauche: Wenn ich morgens aufwache, ist der Kopf freier. Und der Husten ist weg.

Ich will auch nicht unerwähnt lassen, daß ich als Nichtraucher Geld spare, das ich für anderes ausgeben kann – wie ich auch trotz Mehdorns unverschämten Fahrpreiserhöhungen insgesamt mit öffentlichen Verkehrsmitteln billiger fahre als mit einem eigenen Auto, das ja nicht nur Sprit kostet, sondern auch Anschaffung, Steuer, Versicherung, Wartung, Reparaturen, Parkgebühren und so weiter. Es bleibt sogar so viel Geld übrig, daß ich skrupellos gelegentlich mit dem Taxi fahre. Ich habe doch nichts gegen das Auto als solches. Die Frage ist nur, welchen Gebrauch die Gesellschaft von einer solchen Erfindung macht.

Und was das Fliegen betrifft: Ich muß nicht jedes Land der Erde – zumindest vom Flughafenhotel aus – gesehen haben. Sie?