In DDR-Zeiten gab es regen deutsch-russischen Kulturaustausch – eingeschlossen den Studentenaustausch, an dem bekanntlich auch die damalige Nachwuchs-Physikerin Angela Merkel teilnahm. Davon ist wenig geblieben. In Dresden immerhin besteht ein »Deutsch-russisches Kulturinstitut«, das kürzlich dank einer Spende der Stiftung »Russkij Mir« sein Haus gründlich sanieren lassen konnte; die Bibliothek wurde um kostbare Bücher erweitert; außerdem wurde die Technik modernisiert – nachdem jahrzehntelang um Erhalt und Renovierung des in russischem Besitz stehenden Gebäudes gegen Privatisierungsabsichten hatte gekämpft werden müssen. Die Chronik des Hauses dokumentiert eine ungewöhnliche, besonders dem Engagement zweier Menschen, des Ehepaars Schälicke, zu verdankende Erfolgsgeschichte. Viele zeitgenössische russische Künstler waren hier auf gut besuchten Veranstaltungen zu Gast. Welche deutsche Stadt hat Ähnliches aufzuweisen?
Der Initiative und dem Drängen des Instituts ist auch das Dostojewski-Denkmal am Dresdner Elbufer zu verdanken. Der Gedanke entstand auf einer wissenschaftlichen Dostojewski-Konferenz, die im November 1996 mit namhaften Gelehrten aus der Bundesrepublik und aus Rußland im Institut stattfand. Im Oktober 2006 wurde das Denkmal vom damaligen Präsidenten Putin, der Bundeskanzlerin und dem sächsischen Ministerpräsidenten enthüllt. Es zeigt den Verfasser des Romans »Die Dämonen« (an dem er eben hier arbeitete) ganz seinen Gedanken hingegeben – schweren und hellsichtigen Gedanken über den Bestand des Humanen in der Welt.
Dresden als zeitweiliger Lebensort russischer Künstler ist in der Öffentlichkeit nicht so zu einem Begriff geworden wie das »russische Berlin«. Es war weniger eine kurzzeitige Zuflucht der Emigranten; vielmehr erbot es sich über anderthalb Jahrhunderte hinweg dank seiner reizvollen landschaftlichen Lage, der architektonischen Schönheiten und Kunstschätze immer aufs neue als Stätte künstlerischer Inspiration und Erholung.
Aber hier stand auch der anarchistische Feuerkopf Michail Bakunin in den revolutionären Maitagen 1849 mit Richard Wagner auf den Barrikaden. Der ruhelose, immer wieder von seiner Spielleidenschaft heimgesuchte Dostojewski fand hier länger als anderswo eine Bleibe für schöpferische Arbeit und glückliche Tage mit seiner jungen Frau. Arthur Rubinstein kam auf mehreren Konzertreisen in die Elbestadt, bis er sich 1891 zu bleiben entschloß. Oder Sergej Rachmaninow: Unlängst brachte der Dresdner Schriftsteller Klaus Funke jenen Band seines opulenten biographischen Romans (»Zeit für Unsterblichkeit«) heraus, der die noch relativ unbeschwerte Zeit des Dresden-Aufenthalts (1907) schildert.
Einem speziellen Kapitel unseres Themas ist eine deutsch-russische Gemeinschaftspublikation mit dem Titel »In Moskau ein kleines Albertinum erbauen« (Böhlau Verlag) gewidmet. Einer der Herausgeber ist der Leipziger Slawist Erhard Hexelschneider, ein kundiger und akribischer Erforscher deutscher Rußlandbeziehungen. Das gediegen gestaltete Buch, eine kunstgeschichtliche Kostbarkeit, enthält den gesamten Briefwechsel (1881–1913) zwischen dem Direktor des Dresdner Albertinums, Georg Treu, und dem Gründer und ersten Direktor des Moskauer Museums für Bildende Künste, Iwan Zwetajew (Vater der Dichterin Marina Zwetajewa).
Die flankierenden wissenschaftlichen Beiträge würdigen die freundschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen und des Russen, machen deutlich, worin das Moskauer Konzept sich von dem Dresdner unterschied, und deuten zugleich Zusammenhänge mit der Kunstepoche der Moderne an, die noch der Vertiefung bedürfen.
Zur heutigen Dresdner Realität gehört aber auch dies: Eine Schule hat den Namen des russischen Dichters Alexander Puschkin abgelegt mit der Begründung, der sei hier unbekannt.