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Kasachstan  (Thomas Schalop)

Kasachstan gehört zu den exotischen Ländern, von denen wir wissen, daß es dort nicht so ordentlich zugeht wie bei uns. Solche Länder, reich an Öl, Gas, Gold und anderen Bodenschätzen, bedürfen eben unserer ordnenden Hand. Müssen wir über Kasachstan mehr wissen als dies?

Ich verbringe jedes Jahr einige Woche in Kasachstan. Dort sehe ich diesmal im Theater der Stadt Kysylorda das Schauspiel »Der Mann, der die Wahrheit sagt«. Schon der Titel läßt mich ahnen, wie übel es dem Mann ergehen wird. Denn wann wäre je ein Mensch, der die Wahrheit sagt, glücklich geworden? Man denke nur an Kassandra, letztlich lag sie ermordet im Staub.

Ähnlich hier. Ein Mann aus gutbürgerlicher Familie zeigt sich bereit, vor Gericht über den betrügerischen Bankrott einer Firma wahrheitsgemäß auszusagen. Er bekommt Besuch von einem älteren Herrn, der ihn durch warnendes Zureden von diesem Vorhaben abzubringen versucht. Später kommen zwei Männer mit dunkler Sonnenbrille, die dem Mann eine Pistole zeigen und ihm erklären, wie man sie zum Schießen bereitmacht; sie zeigen ihm auch die Stelle, wo sein Herz ist, und erklären, wie er den Abzugshahn betätigen muß. Als nächste kommt seine Anwältin; sie bemerkt die Pistole und entwindet sie ihm. An Ende wird es Nacht, es fällt ein Schuß, und der Mann liegt tot auf der Bühne.

Es kam also, wie es kommen mußte. Daran ist zu erkennen, daß Kasachstan inzwischen ein normal entwickeltes Land wie jedes andere ist. Solche Geschichten enden so – überall auf der Welt.

Aber nicht überall wird öffentlich über die Korruption diskutiert. Nicht überall ist sie Thema von Theaterstücken.

In Deutschland wissen wir beispielsweise von der Firma Siemens, daß sie 1,3 Milliarden Euro Bestechungsgelder gezahlt hat. Aber wer spricht darüber? Ein dafür verantwortlicher Firmenchef war Reisebegleiter der Kanzlerin und erhielt Titel wie »Manager des Jahres« – und auf keiner deutschen Bühne war ein Stück darüber zu sehen.

Vor einigen Wochen veröffentlichte die gegen Korruption kämpfende Organisation Transparency International ihren Jahresbericht und vermerkte am Schluß: Enttäuschend war für Transparency der Abschluß des dritten Treffens der Vertragsstaaten der UN-Konferenz gegen Korruption (UNCAC) in Doha (Katar). Der dort beschlossene Überwachungsmechanismus für die Umsetzung der Konvention überläßt es den überwachten Ländern selbst, inwieweit sie Länderbesuche der Prüfgruppen, Gespräche mit Organisationen der Zivilgesellschaft und die Veröffentlichung des Länderberichts zulassen. Deutschland hatte an der Konferenz nur als Beobachter teilgenommen, da einer UNCAC-Ratifizierung durch Deutschland die unzureichende Regelung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) entgegensteht. 141 Länder weltweit haben die Konvention bereits ratifiziert.

Hierzulande nimmt man es also mit der Bestechung von Abgeordneten nicht so genau und will es offensichtlich auch nicht. Die Abgeordneten entscheiden selbst darüber, ob und wie sie sich bestechen lassen dürfen.

Aber was Kasachstan betrifft, wissen wir einfach, was wir von einem solchen Land zu halten haben.

So sagte vor einigen Monaten Martina Krogmann als parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zur Dringlichkeit von Netzsperren: »Uns geht es um die pornographischen Inhalte in Ländern, in denen Kinderpornographie eben nicht geächtet ist und auch nicht konsequent bestraft wird und deshalb auch nicht gelöscht wird (…) Für Dinge, die auf einem Server beispielsweise in Kasachstan liegen, da haben wir keinen Zugriff drauf.« Ein Journalist fragte in der kasachischen Botschaft nach. Und siehe da: Selbstverständlich ist Kinderpornographie in Kasachstan verboten und unter Strafe gestellt.

Aus Kasachstan erfahren wir fast nichts. Um so leichter ist es, dieses Land weiter zu diskreditieren.

2009 wurde das »Jahr Kasachstans in Deutschland« gefeiert. Aber wer hat davon erfahren?