Als in den Familien noch Zucht und Ordnung herrschte, brachten Eltern ihren Kindern bei, daß es schlimme Wörter gebe, die man nicht in den Mund nehmen dürfe. Ein solches Wort hat, wohl eher versehentlich, die Vorsitzende der Partei Die Linke benutzt. Nach »Wegen zum Kommunismus« war sie gefragt worden, hatte sich aber in einem Text für die junge Welt im weiteren auf diese Frage nicht eingelassen, denn sie ist, wie der Name ihrer Herkunftspartei schon sagt, Anhängerin des »demokratischen Sozialismus«. Mit den Irrwegen in der Geschichte von Parteien, die sich kommunistisch nannten, setzte sich Gesine Lötzsch in dem Beitrag nicht auseinander, naheliegenderweise, denn ihre Partei hat nach eigener Aussage mit solchen Vergangenheiten einen »Bruch« vollzogen, da muß man sie nicht mehr näher erforschen.
Die massenmedial arrangierte Aufregung war groß, alle erprobten antikommunistischen Reflexe wurden ausgelöst, ein weltgeschichtliches Thema zur propagandistischen oder parteitaktischen Effekthascherei herabgeblödelt. Daß die beteiligten Journalisten und Politiker ernsthaft die Gefahr sehen, eine wiedererstandene Rote Armee werde sich Berlin nähern oder eine Räterevolution braue sich zusammen, ist nicht anzunehmen; auch wirkt die PDL-Vorsitzende mitsamt ihrer Partei nicht gerade furchterregend. Es geht vielmehr um die Aktien an der Politikbörse, um das Ranking für Regierungsmehrheiten und -Koalitionen. Zum Zwecke der Übernahme »politischer Verantwortung« sollen SPD und Grüne nicht etwa auf die PDL angewiesen sein, da ist es nützlich, diese Partei madig zu machen.
Für die Bundespolitik hat Sigmar Gabriel gleich klargestellt, eine Koalition mit der linken Partei komme nicht in Betracht. Und auch in den Bundesländern, in denen in diesem Jahr Wahlen anstehen, ist die SPD durch die jüngste Medienkampagne gewarnt: Mehr noch als bisher wird sie den Verdacht widerlegen müssen, sie führe Sozialismus im Schilde; der ist bekanntlich die Vorstufe zum Kommunismus. Auch der PDL selbst gilt die Warnung: Stellt sie radikal anmutende Forderungen auf, so werden diese als »kommunistisch« entlarvt. Der Verfassungsschutz soll die Partei weiter beobachten, der CSU-Generalsekretär macht sich gar Gedanken darüber, sie zu verbieten.
Ein öffentlicher Diskurs ist geformt, in dem Nachdenklichkeiten auf die Seite gedrängt sind, etwa diese: Gab es die Hoffnung auf den Kommunismus, auf eine Gesellschaft ohne Klassenherrschaft, nicht schon bevor Marx und Engels tätig wurden? Was war es denn, was sie im »Kommunistischen Manifest« als Ziel ins Auge faßten? Hatte – um weiter zu personalisieren – Lenin beim »roten Oktober« den Staat im Sinne, der dann als »Sozialismus in einem Land« sich herausbildete? War Stalin Kommunist? Sicher ist, daß er massenhaft auch und gerade Kommunisten umbringen ließ. Warum war die Ausrottung von Kommunisten ein Hauptanliegen des deutschen Faschismus, wieso galten ihm jüdische Kommunisten als die allerschlimmsten? Kam es nach 1945 zur deutschen Teilstaatlichkeit, weil Kommunisten in Ostdeutschland den Kommunismus aufherrschen wollten? Oder war die Gründung der DDR eine Folge der Entscheidung westdeutscher Machteliten für die Integration des einen deutschen Teilstaates in die globale Strategie der USA, womit das Konzept einer »antifaschistisch-demokratischen Ordnung« hinfällig wurde? Und schließlich: Gingen mit der Sowjetunion und den anderen Ostblockstaaten »kommunistische Systeme« unter? Viele Kommu-
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Und noch ein paar Fragen
Kommune, Gemeinde, gemeinsam, Gemeineigentum, Commune - mir gefallen diese Worte, diese Ideen – je länger ich darüber nachdenke, desto besser. Ich verstehe, daß andere anders darüber denken, vor allem diejenigen, die kraft Abstammung und Besitz berechtigt zu sein glauben, die Mehrheit niederzuhalten und auszubeuten. Nun wünscht aber Gregor Gysi, daß seine Partei das Wort Kommunismus meidet (obwohl sie seit ihren Anfängen eine »Kommunistische Plattform« hat). Seine Begründung: Es gebe Menschen, die mit diesem Wort nicht die Vorstellung von einer gerechten Gesellschaft verbinden. Aber wäre es nicht gar zu rücksichtsvoll gegenüber den Propagandisten des Kapitals, den Repräsentanten und Nutznießern gegenwärtiger Herrschaftsverhältnisse, wenn wir, um sie freundlich zu stimmen, aus unserer Sprache und aus klugen, menschen-freundlichen Schriften wie dem »Kommunistischen Manifest« das Wort Kommunismus tilgen würden? Sollen wir uns abgewöhnen, von Demokratie zu reden, weil zum Beispiel US-Regierungen im Namen der Demokratie zahllose Verbrechen in aller Welt begangen haben? Sollen wir wegen der Weltkriege und des Massenmords in den KZ's das Wort Deutschland abschaffen? Diese Vergangenheit mahnt uns vielmehr, Deutschland zu einem demokratischen, friedlichen Land zu entwickeln. Und nach aller Erfahrung darf die Demokratisierung keinesfalls vor wirtschaftlicher Macht haltmachen und zurückweichen. Genau an diesem Punkt aber sind die Inhaber der Macht ganz anderer Meinung.
E.S
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nisten waren der Meinung, daß diese Gesellschaften, was immer sie sein mochten, jedenfalls keine kommunistischen seien ...
Bedenkt man dies, so könnte das Nachsinnen über Kommunismus beginnen, auch über die Staatsverbrechen, die »im Namen« desselben begangen wurden. Da ist vieles zu klären,
Spiegel, Junge Freiheit, Bild und Co. werden dazu nichts beitragen. Warum sollten sie auch.
Daß die PDL »aus der medialen Aufmerksamkeit (für das »schlimme Wort«;
A. K.) politische Erfolge schlagen« könnte, wie in der
jungen Welt zu lesen ist, kommt mir unwahrscheinlich vor, weil zu kurzatmig gedacht. Aber es empfiehlt sich, dem Kommunismus nachzuforschen, über ihn nachzudenken und öffentlich zu sprechen. Seit dessen Aufstiegszeiten sitzt er als Anfechtung dem Kapitalismus im Nacken: Möglicherweise ist der gegenwärtige Furor um das K-Wort auch angstgetrieben. Denn die kapitalistischen Verhältnisse können derzeit nur noch ihre Profiteure beglücken, und die sind nicht sehr zahlreich. Allzu viele Risse kommen in den Fugen des Kapitalismus zum Vorschein. Auf Angsterfahrungen, weiß die Psychologie, läßt sich unterschiedlich reagieren: mit Verdrängung, mit Aggression oder mit dem Versuch, Ursachen zu erkennen und Problemlösungen zu finden. Für den Einzelnen ist das nicht leicht, für die Gesellschaft erst recht nicht, was schon Bert Brecht gesagt hat: Der Kommunismus sei das Einfache, das schwer zu machen ist.