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Titel0212

Maschmeyer verschwand  (Monika Köhler)

Sein »Leben und Erben« sei kein Stück über Hamburg, sagt der Autor, Oliver Kluck. Aber die Uraufführung im Malersaal des Schauspielhauses führt in die filmischen Kulissen der neuen Hafen-City. An dem Beton-Hochhaus prangt die Aufschrift: »Hafen-Makler«. Michael Prelle als manischer Hauskäufer fragt sich und die anderen im Büro: »Sollte ich vielleicht auch kaufen?« Die vielstimmige Antwort: »Ja.« Immobilienhamlet darauf zögerlich: »Oder soll ich nicht kaufen?« Wieder alle: »Ja.« So beginnt das Stück über Hausbesitzer und Hausbesetzer, über Makler, hier heißt der beinahe zufällig »Maschmeyer« (Tim Grobe). Und über einen, der mal als Kommunist – oder ehemaliger – beschimpft wird und der heraus will aus der Stadtperipherie, hinein in die City, um dort eine Wohnung zu kaufen. Er (Johannes Flachmann) sieht sich schon in seinem »eigenen Gehäuse«.

Autor Kluck, wie der Regisseur Dominique Schnizer 1980 geboren, bekennt im Interview, für seinen Text keine Recherche zu brauchen. Er habe nur »darauf zu achten, etwas Unseriöses, möglichst Unfertiges abzuliefern«. Und so wirkt vieles beliebig, aus der Situation entstanden, wie eine Theaterprobe. Der Regisseur macht aus dem Spiel etwas aufgedreht Komödiantisches, mit wohlfeilen Kostümteilen aus dem Fundus angereichert. Oliver Kluck will keine »bis zu Ende gedachten Gedanken, wie man sie hierzulande so sehr schätzt«. Sich nur nicht festlegen lassen. Das Provisorium ist gewollt. Zu den Akteuren gehören auch zwei Frauen, Marion Breckoldt, die von der jungen Betty Freudenberg wie nebenbei diffamiert wird: »Jemand« sei übergewichtig und alt, sollte eigentlich abtreten. Sie, die Junge, müsse sich erst daran gewöhnen, daß man heute alles sagen kann, bekennt sie. Die Alte lacht in ihr rotes Palmenkleid hinein, das sie sich über den Kopf zieht. Sie vertritt den Part der Unbelehrbaren. Ihre Ahnen »waren alles Täter« – Bewunderung oder Distanzierung? Der Hausbesitzer träumt von alten Zeiten, davon, »daß wir unsere phantastischen Ländereien östlich des Flusses verloren haben«. Und der Ex-Kommunist entdeckt, daß ihm der Faschismus dort, an der Peripherie, nicht aufgefallen ist. Nun ein Loblied auf die Stadt. Bald gehört auch er zu den Hausbesetzern, die der Zerstörung der gewachsenen Innenstadt-Quartiere etwas entgegensetzen wollen. Abwerten heißt die Parole: Wände besprühen mit Graffiti, den Wald der Satellitenschüsseln aufforsten, streunende Hunde und den Taubendreck vermehren.

Den Immobilienmakler Maschmeyer stört das alles nicht. Er hofft auf Gewinn durch Räumung, Modernisierung, Aufwertung des Quartiers. Das Bombardieren mit Ziegelsteinen (aus Schaumstoff) läßt ihn zu Boden gehen. Er erholt sich und hebt an zur Arie, zum Lob des Betons. Die armen Leute früher mußten in kleinen Hütten hausen – er kriecht unter den Tisch – aber nun, er steigt auf das Möbelstück: »Räumung! Räumung!« Leider macht ihm die junge Frau einen Strich durch die Rechnung. Was er nicht wußte, ein Brief informiert: Sie ist die Tochter des Hausbesitzers und wohnt »mit diesen Elementen« in diesem Haus. Die Räumung muß abgebrochen werden. Der Makler bedauert es unendlich, hat er doch zwei Hundertschaften günstig bekommen. Und: Demonstrieren, das macht man nicht mehr. Aber, was ist nun mit der Wohnung, fragt sich Maschmeyer ratlos. Einer antwortet: »Die Endlösung der Bewohner steht unmittelbar bevor.« Die Namensschilder seien schon abmontiert. Der ahnungslose Hausbesitzer enttäuscht: »Tochter, ich habe dieses Gehäuse erworben, ohne zu wissen, daß Du es bewohnst. Ich wollte nur immer Häuser kaufen.« Aber eine Wohnung mit »Tageslicht-Bad« ist nun der Tochter versprochen.

Die Frage, »wie aus dem einstigen Aussätzigen einer Finanz-Drückerkolonne Carsten Maschmeyer der Duzfreund des Bundespräsidenten werden konnte« (Ankündigung des Schauspielhauses), blieb unbeantwortet. Dieser Maschmeyer verschwand in der Beliebigkeit des Stückes.