Kurt-Tucholsky-Gesellschaft. – In Ihrem jüngsten Rundbrief gratulieren Sie »Hendrik Mantel, u.a. regelmäßiger Autor in Ossietzky, zum 75.« Meinen Sie vielleicht Felix Ibsen? Bekannter scheint ein Autor namens Zarko Petan zu sein, den Sie mit dem Satz zitieren: »Literatur ist der Versuch, das auszudrücken, was man mit Worten nicht sagen kann.« So wissen wir nun, daß das, was Tucholsky und andere mit Worten gesagt haben, keine Literatur gewesen sein kann.
Elmar Brok, empört. – Nicht nur Frankreichs Staatspräsident ist voller Zorn über die in den USA residierende Ratingagentur Standard & Poors, weil diese einigen europäischen Ländern die Kreditnote herabsetzte. Als prominentester Abgeordneter der deutschen Unionsparteien im europäischen Parlament haben Sie sich wutbürgerlich geäußert: Da werde »angloamerikanische Interessenpolitik« betrieben, ein »Währungskrieg« gegen den Euro geführt. Jaja, die Plutokraten an der Wallstreet, an ihrer Seite das perfide Albion ... Aber vaterländisch geht es dort wie auch hier auf dem Kontinent im Finanzmarkt gar nicht zu. Spekulation verläuft weltbürgerlich. Aus dem Auf und Ab beim Rating ziehen auch eurokontinentale, nicht zuletzt deutsche Kapitaljongleure ihre Profite. Die Regeln des Kreditwesens könnten Sie studieren, den geschäftlichen Sinn des »Mißtrauens als Handelsgegenstand«, die systematische »Falschmünzerei« auch beim »Spiel mit Staatspapieren« – wir verraten Ihnen aber nicht, bei welchem Gelehrten. Ein Tip immerhin: Der Vorname fängt mit »K« an.
Redaktion F.A.Z., ganz begeistert. – Endlich hat Europas größte Staatsfrau den »richtigen Partner«, ist in Ihrem Blatt zu lesen, in Italien regiere »ein echter Signore«. Hymnisch würdigen Sie den Premierminister Mario Monti, »inkorrupt, nüchtern und feinsinnig« sei der, das »personifizierte Scharnier zwischen ökonomischer und politischer Vernunft«, genau der Gegenmensch zu seinem »vulgären, neureichen« Vorgänger, dem »Sohn eines obskuren Bankangestellten«. Monti stamme aus einer sozialen Schicht, »die es gar nicht nötig hat, irgendwo angestellt zu sein«. Mit der Bankenwelt ist allerdings, was in Ihrer Zeitung nicht erwähnt wird, auch Mario Monti vertraut. Der »finanzdienstleistende« Global Player Goldman Sachs nennt ihn als Mitglied seiner internationalen Beratergruppe. Mit demselben hochspekulierend tätigen Spitzenunternehmen war auch Mario Draghi verbunden, jetzt Präsident der Europäischen Zentralbank. Und so kümmert sich das Finanzkapital nun selbst um die europäische Politik, wirklich generös.
Philipp Rösler, FDP-Vorsitzender. – Sie nennen Ihre Zwei-Prozent-Partei die einzige Hüterin der »Freien Marktwirtschaft«. Wenn dem so wäre, könnten wir uns beruhigt zurücklehnen, aber es gibt ja noch CDU/CSU, SPD und Grüne. Die ersetzen das Wort »Frei« oft durch »Sozial«, um die Bevölkerung zu täuschen. Dabei ist klar: Die Marktwirtschaft dient der Sicherung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Trotzdem werfen Sie in bekannter FDP-Manier unverfroren den anderen Parteien einschließlich der Union vor, nach Links abzudriften. Schön wär’s ja, aber stimmen tut‘s leider nicht. »Links« beinhaltet auch »Gleichheit und soziale Gerechtigkeit«, und das ist für die FDP noch schlimmer als der Gottseibeiuns. Ossietzky rät Ihnen und Ihrer Partei: Weiter so! Dann werden Sie Ihre zwei Prozent manifestieren.
Guido Westerwelle, marschfreudig. – Ihren Parteifreunden in NRW haben Sie rhetorischen Trost verschafft – als politischer Unterhalter sind Sie den Nachfolgespitzen der FDP überlegen. »Die Freiheit ist auf dem Vormarsch«, riefen Sie aus; was so schön klingt, daß Ihr Publikum nicht mehr darüber nachdenken mußte, ob Sie arabische Rebellen oder deutsche Freidemokraten im Blick hatten.