Der üble Nachgeschmack ihrer unrechtsstaats-tragenden Reden zum Jahreswechsel bleibt: »Vor wenigen Tagen bin ich aus Afghanistan zurückgekehrt. Es hat mich beeindruckt, wie deutsche Soldatinnen und Soldaten unter Einsatz ihres Lebens Terror verhindern und die Zivilbevölkerung schützen«, halluzinierte weihnachtsgemäß Bundespräsident Gauck. Kanzlerin Merkel griff zu Silvester in die vollen: »Denken wir ... an die, die für unsere Sicherheit sorgen, hierzulande und fern der Heimat. Es sind unsere Soldatinnen und Soldaten ..., die unter großen persönlichen Opfern ihren Dienst für uns tun.« Besatzer = Schutzheiliger: Die Unredlichkeit der beiden Festredner haftet im Gedächtnis.
Die Übermittler der bösen Realsatire, ARD und ZDF, sind als Anstalten des öffentlichen Rechts verpflichtet, staatsräsonale Lügen unverändert zu senden. Deshalb ein Versuch, wenigstens nachträglich für etwas mehr Hygiene im öffentlichen Austausch zu werben.
Die deutsche Soldateska in Afghanistan verhindert keinen Terror. Sie erzeugt ihn vielmehr – absichtsvoll –, wie das Beispiel des Obersten Georg Klein zeigt, der in Kundus zwei US-Kampfbomberpiloten befahl, mehr als 120 Zivilisten zu massakrieren, die aus zwei von Taliban geklauten und im Ufersand steckengebliebenen Tanklastwagen Treibstoff abzapfen wollten. Terror verursachten fahrlässig zwei ängstlich überreagierende Unteroffiziere, die an einer Straßensperre südöstlich von Kundus mit automatischen Waffen einen Greis, zwei Frauen und zwei Kinder durchsiebten, weil deren Auto nicht weit genug vor dem Kontrollposten angehalten hatte. Terror war das Massaker in Talokan. Dort brachten unsre deutschen Helden zwölf unbewaffnete Mitmenschen um und verletzten mehr als 80 weitere, indem sie in eine gefühlt bedrohliche Menschenmenge ballerten.
Der letztgenannte Vorfall ist, wie viele andere, weitgehend in Vergessenheit geraten. Zur Erinnerung: Die Demonstranten in Talokan wollten gegen das als repressiv empfundene Besatzungsregime protestieren. Für die Schutzbehauptung, seine Truppe sei mit Steinwürfen (spätere Varianten: »Molotow-Cocktails«, dann »Handgranaten«) angegriffen worden, blieb das Militär Beweise schuldig. Erinnerlich sind lediglich Fernsehbilder der BBC von rund 2.000 teils erbost die Fäuste schüttelnden Aufrührern. Die Filme der Überwachungskameras des deutschen Camps blieben unter Verschluß. Warum?
Unser Militär in Afghanistan hat viele gewaltsame Tode von Einheimischen zu verantworten. Nie wurde gesetzeskonform, kriminalistisch korrekt, unabhängig und umfassend ermittelt. Kein einziger Fall kam vor ein ordentliches Gericht. Das mutmaßliche Schuldkonto des KSK, des geheim operierenden »Kommandos Spezialkräfte«, ist ohnehin legaler Prüfung entzogen.
Zum nüchternen Bild vom deutschen Wesen in Afghanistan gehört: Jeder Bundeswehrsoldat ist freiwillig dort. Ich kenne einen Stabsfeldwebel, der sich gleich zweimal für mehrere Monate an den Hindukusch schicken ließ. Sein Hauptmotiv: 3.300 Euro steuerfreie und rentensteigernde Auslandszulage zum monatlichen Sold von 2.600 Euro, bei freier Unterkunft und Verpflegung, ungeachtet einer einmaligen, satt dreistelligen »Auslandsverpflichtungsprämie«. Er trägt nur ein – in seinen Worten –»tausendfach höheres Risiko, einen Zivilisten zu erschießen, als einen Taliban zu erwischen«. Der Taliban ist vogelfrei, und der deutsche Soldat ist Vollstrecker eines Rechtsstaats.
Die Motive vieler unserer Afghanistanbesatzer darf man moralisch fragwürdig nennen. Sie verteidigen dort objektiv das Produktionszentrum des globalen Opiumhandels, stützen brutale Kriegsherren, schießen und töten im geostrategischen Interesse des US-Imperiums. Die zivil-humanitären Nebenprodukte der militärischen Umtriebe sind potemkinsches Beiwerk. Die Lüge, am Hindukusch werde Deutschlands Freiheit verteidigt, richtet ihren Urheber und sich selbst.
Unser politisches Personal verhindert seit der Transformation der Bundeswehr in eine professionelle Angriffskriegs-Truppe, daß deren im Ausland begangene Untaten zuhause im Lichte ordentlicher Rechtspflege strafverfolgt werden. Verdunkelnd wurde Oberst Klein zum General befördert. Er selbst schweigt. Nach dem Massaker von Kundus habe er sich ins Gebet vertieft, schleimte die Journaille seinerzeit. Anstatt zu untersuchen, wer höheren Orts ihm den bewußten Mordbefehl eigentlich erlaubt hatte, den er als simpler Oberst bei fehlender Feindberührung seiner Truppe kaum ohne Rückendeckung seitens seiner Vorgesetzten gegeben hat.
Joachim Gauck und Angela Merkel haben zum Jahreswechsel in irreführender Absicht das alles beiseite gewischt. Wer sich ihre abstoßend empathielose Darstellung verbrecherischer Politik ansah, opferte unwiederbringliche Lebensminuten – für staatstragende Schurkenstücke.