Katrin Göring-Eckardt, über Religion aufklärend. – In einem Interview mit dem Sonntagsblatt der FAZ haben Sie dargelegt, was Christentum bedeuten soll. Ihrer Meinung nach – aber Ihr Wort hat Gewicht, immerhin sind Sie gewählte Synodenvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, allerdings zur Zeit ruhende, wegen Ihrer Spitzenkandidatur für die grüne Partei. »Glaube ist Heimat und Versicherung«, sagen Sie. Der gläubige Mensch wisse, daß es noch etwas anderes gebe als das, was er außerhalb des Glaubens gerade wichtig finde, etwa »den nächsten Karriereschritt«. Sonntags um zehn, berichten Sie, begeben Sie sich in die Kirche: »Da will niemand etwas von mir. Das ist wunderbar. Es gibt keinen Ort, der beruhigender ist.« So weiß nun also auch der »Hartz IV«-Empfänger, um den Sie sich, wie Sie im Interview betonen, Sorgen machen, über den Sinn seines sonntäglichen Gottesdienstbesuches, falls er ihn unternimmt, aus berufenem Munde Bescheid: Niemand will dort etwas von ihm, er kann sich beruhigen, muß nicht mehr an den nächsten Karriereschritt denken. Das ist doch was. Aber der Begriff »Versicherung«, den Sie als Glaubensvorteil nennen, der könnte irritieren – eine gesetzliche ist Religion ja nicht, also geht es um eine private, und da wäre nach der Kapitaldeckung zu fragen.
Klaus Schroeder, den Umverteilungsdrang beklagend. – Seit Jahren schon warnen Sie in den Medien vor der Armutsforschung. Die bringe Legenden über soziale Ungerechtigkeit unters Volk und male ein Bild von Notlagen, die gar nicht bestünden. Auch die vielfach behauptete Schere zwischen Arm und Reich sei nur eine Fiktion, kapitalismuskritischen Vorurteilen entstammend. Über das Armutsproblem werde geschrieben und geredet, weil Armutsforscher sich wichtig machen wollten. Ungleichheit sei gesellschaftlich wertvoll, Umverteilung nach unten hingegen schädlich, weil damit der »Motor« lahmgelegt werde, der für das Leistungs- und Aufstiegsstreben. Und nun hat trotz all Ihrer professoralen Bemühungen die Bundesarbeitsministerin einen Armuts- und Reichtumsbericht entwerfen lassen, zwar wird ihn der Wirtschaftsminister noch entschärfen, aber das Thema ist wieder da – die Gleichheitssüchtigen wittern Morgenluft. Wie kann so etwas passieren? Vom Staat bezahlt werden Sie als Politologe an der Freien Universität, Sie sind Leiter des »Forschungsverbundes SED-Staat«. Und als solcher wissen Sie, wie es zum Kreditverlust des Prinzips sozialer Ungleichheit gekommen ist, offenbar bis in die offizielle Politik hinein: Mit der Wiedervereinigung haben sich SEDistische Phantastereien ins gesamtdeutsche Gemüt eingeschlichen. Und selbst die Tochter eines früheren niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten ließ sich auf Armutsforschung ein, ihr fehlte wohl die Zeit, sich durch die Lektüre Ihrer Texte dagegen zu immunisieren. Stellen Sie sich der regierenden Sozialpolitik beratend zur Verfügung – für einen Forschungsverbund zur Abwicklung der Armutsforscher!
Clemens Ronnefeldt, Internationaler Versöhnungsbund. – Dieser Tage lasen Sie in der Süddeutschen Zeitung eine Agenturmeldung mit der Überschrift »Sieben Impfhelfer ermordet«: »Unbekannte haben in Pakistan sieben Mitarbeiter einer Hilfsorganisation erschossen, die sich um Impfaktionen und Bildung für die Bevölkerung kümmerten ... Es wurde vermutet, daß Taliban oder andere islamistische Kämpfer verantwortlich waren. Diese greifen immer wieder Hilfsorganisationen an.« Wie gut, daß Sie alte Zeitungen aufheben. Vor einem halben Jahr hatte die SZ berichtet: »CIA-Impfungen in Pakistan / Der Spion, der mich pikste – Tolle Idee: Als Impfhelfer getarnte CIA-Mitarbeiter verabreichten in Pakistan Kindern Spritzen gegen Polio – und forschten eigentlich nach dem Verbleib von Osama bin Laden. Taliban-Führer kamen dem Geheimdienst auf die Schliche und stoppten das Impfprogramm. Dadurch ist nun das Ziel der Weltgesundheitsorganisation gefährdet, die Kinderlähmung ein für allemal weltweit auszurotten.« Das erinnert uns an den Roman »Der stille Amerikaner« von Graham Greene: Da kommt ein sympathischer US-Zivilist nach Saigon mit gewaltigen Mengen einer Augenmedizin, die sich als Sprengstoff erweist. Eine vietnamesische Hilfstruppe der USA begeht damit Anschläge auf belebte Märkte, um in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Es lohnt sich eben auch, gelegentlich in alte Bücher zu schauen.