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Titel218

Einträgliche Leihgabe  (Peter Arlt)

Manche Pressemeldungen sind reine Reklame. So die weihnachtliche dpa-Botschaft, die am 23. Dezember 2017 in manchen Zeitungen stand, auch in der Thüringer Allgemeinen: Leipzig erhält 20 Hauptwerke Neo Rauchs. Was da zu lesen war, ließ unverblümt den geschäftlichen Hintergrund nach vorn springen.

 

Das Museum der Bildenden Künste bekomme von einem Sammlerpaar Bilder des »Star-Malers« Neo Rauch als Leihgabe. Der Vertrag sei unterzeichnet, vier großformatige Arbeiten bereits im Museum angekommen. Darunter das Gemälde »Fastnacht«, das beweise, dass Rauch ein weltweit geschätzter Star ist, weil es »der Hollywoodstar Leonardo DiCaprio einst erworben hatte«. Das war nicht leicht, weil trotz hoher Bildpreise, die in wenigen Jahren sich um das Zweihundertfache steigerten, die Bildkäufer Schlange standen. Die zehn Bilder, die Rauch pro Jahr malte, waren schon verkauft, obwohl sie noch gemalt werden mussten. Aber DiCaprio kaufte in der Erwartung, dass er später das Bild, von der Aura des berühmten Schauspielers umgeben, sicher gewinnträchtig versteigern lassen könnte. »Schon zu sehen, sagte der Direktor, seien dieses und das Werk ›Theorie‹, das dem in Leipzig lebenden Künstler sehr wichtig sei.« Die besondere Bedeutung eines Bildes für den Schöpfer steigert sofort den Wert. Den Leihgebern sei zugesagt, ihre Identität geheim zu halten, wohl um zu zeigen, wie bescheiden sie sind und wegen des Finanzamtes. Zumal: Etwas Geheimnisvolles ist immer gut fürs Geschäft.

 

Zur Dauer der Ausleihe wollte Museumsdirektor Weidinger nichts sagen. Sie dauert mit der Hoffnung solange, bis ersichtlich wird, wie die Leihgabe für ein bedeutendes Museum mit großer Öffentlichkeit, in Katalogen publiziert, bekannt geworden ist, wobei der Künstlername noch berühmter geworden ist und sich der Marktwert der Bilder beträchtlich erhöht hat. Schon 2010 wusste ein Bildbesitzer aus Honolulu, dass die Beteiligung seines Bildes an der Ausstellung zum 50. Geburtstag Neo Rauchs das Bild wertmäßig veredeln würde; da nahm er die Transportkosten nach München gern auf sich.

 

»Über den materiellen Wert der Bilder könne er keine Angaben machen«, zitierte die Thüringer Allgemeine Weidinger. Nur nicht schnöde Geldsummen nennen, besser erhaben den Kunstwert betonen! Dennoch lässt sich der Millionenwert geschickt unterbringen: »Der weltweit gefragte Leipziger Maler nannte die Leihgabe eine ›Sensation, fast vergleichbar mit den sagenumwobenen Görlitz-Millionen‹.« Bekanntlich konnte mit dem Geld eines anonymen Spenders die Görlitzer Altstadt lange Zeit saniert werden; alljährlich stellte ein Förderer eine Million D-Mark beziehungsweise rund 500.000 Euro zur Verfügung. Wen saniert die Kunstausleihe? Vielleicht bringt sie Gewinn bei den Eintrittsgeldern.

 

»Es ist eine große Freude für die Stadt Leipzig, dass rund 20 Hauptwerke von Neo Rauch in ihre Heimat zurückkehren«, sagte – wohl schluchzend – die Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, denn Neo Rauchs Werk steht für die gewinnbringende Marke »Neue Leipziger Schule (Figuration)«. »Die Leihgabe passe wunderbar« – eine Werbung vorab – »zu den Vorbereitungen des Museums zu einer großen Überblicksausstellung anlässlich des 60. Geburtstages von Neo Rauch im Jahr 2020.« Auf wen darf beim Jubiläum gehofft werden? Nachdem auf der Feier zu Neo Rauchs 50. Geburtstag der Turm-Autor Uwe Tellkamp die Ruhmesrede sprach, wird auch diesmal die Geburtstagsansprache einen Steigerungswert für Neo Rauchs Hauptwerke bescheren und für die Berühmtheit, die redet.