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Titel218

Juristen contra Hitler  (Ralph Dobrawa)

Wenn es um die Rolle der Juristen in der Nazizeit geht, dann gab es in der Vergangenheit überwiegend wenig Gutes zu berichten. Im Grunde genommen konnte man eine Einteilung in zwei Gruppen von Personen vornehmen: Die einen, die wohl letztlich in der Minderheit waren, die sich frühzeitig gegen eine Faschisierung wandten und solange wie möglich versuchten, das bestehende Recht im besten Sinne anzuwenden, ohne eine nazistisch orientierte Ideologisierung des Rechts zuzulassen. Viele von ihnen wurden bereits in einer frühen Phase der Existenz des Nazistaates aus dem Dienst gedrängt oder entfernt. Bei nicht wenigen kam zusätzlich das Argument einer jüdischen Abstammung hinzu, um sich ihrer zu entledigen. Hierzu zählten auch jüdische Rechtsanwälte.

 

Der wohl bekannteste von ihnen ist Hans Litten, der sich in besonderer Weise zusätzlich den Zorn Hitlers zugezogen hatte, als er diesen in einem Prozess als Zeugen vernahm und letztlich bloßstellte. Er musste einen schweren Weg gehen bis zu seiner Ermordung.

 

Die andere Gruppe der tätigen Juristen war von Opportunismus, Anpassung und Unterordnung geprägt. Sie fügten sich den Veränderungen in der Rechtsentwicklung im doppelten Sinne. Sie hinterfragten nicht, ob die Reichstagsbrandverordnung, das Ermächtigungsgesetz oder späterhin die Nürnberger Rassegesetze noch auf dem Boden von Humanität und Recht standen. Dies, obgleich ihnen klar sein musste, dass die Werte, die ihnen einst in der Weimarer Republik oder in der Zeit davor an den Universitäten vermittelt worden waren, immer mehr in den Hintergrund traten zugunsten der Erhaltung und Festigung des Naziregimes und seiner Machthaber. Namen wie Freisler, Thierack, Globke oder Filbinger wurden zum Symbol der unheiligen Juristen, die ihrer Karriere zuliebe alles opferten, was dem Grundgedanken des Rechts entsprach. Sie waren deshalb auch in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung.

 

Umso erfreulicher ist es, dass jetzt die Stiftung Adam von Trott ein Buch herausgegeben hat, welches »die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler« näher beleuchtet. Erstmals werden in dieser komprimierten Form Menschen vorgestellt, die als Juristen Widerstand gegen das Naziregime leisteten. Zu ihnen gehören Friedrich Weißler, Friedrich Justus Perels, Josef Wirmer, Adam von Trott zu Solz, Richard Schmid sowie der antifaschistische Widerstandskämpfer Wolfgang Abendroth.

 

Perels, der dem bekannten Pastor Martin Niemöller nahestand, »gehörte von Anfang an zu der Minderheit, die engagiert gegen die Preisgabe des Rechts und des Rechtsstaates kämpfte«. Er verwahrte sich gegen jegliche Einmischung des faschistischen Staates in die Angelegenheiten der Kirche und prangerte Verhaftungen an, die ohne jede rechtliche Grundlage vorgenommen wurden. Friedrich Weißler, der 1938 in Sachsenhausen ermordet wurde, war noch im Dezember 1932 kurz vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler zum Landgerichtsdirektor in Magdeburg befördert worden. Weil er »gegen einen Angehörigen, der in SA-Uniform vor Gericht erschienen war, eine Ordnungsstrafe von drei Reichsmark verhängt« hatte und sich weigerte, »eine Hakenkreuzfahne zu grüßen« entließ man ihn Mitte 1933. Sehr schnell musste er feststellen, dass sein Glaube an den Rechtsstaat eine Illusion ist, solange die Faschisten an der Macht sind. Fortan unterstützte er als Jurist die Kirche und ihren Kampf gegen die von den Nazis verordnete Rechtlosigkeit.

 

Der Rechtsanwalt Josef Wirmer, ein erklärter Feind Hitlers, trat vor allem als Verteidiger politisch und rassisch Verfolgter vor Gericht auf. Später gehörte er »zum Widerstandskreis um den Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler«. Auch Wirmer wurde vom Volksgerichtshof ein reichliches halbes Jahr vor dem Zusammenbruch des Nazistaates zum Tode verurteilt. Er gehörte ebenso wie Adam von Trott zu Solz zum Kreis der Widerständler des 20. Juli 1944.

 

Erfreulich ist, dass in den Band um mutige Juristen auch Wolfgang Abendroth aufgenommen wurde, der mit zahlreichen Schriften das Naziregime kritisierte und sich nach Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft politisch und auch juristisch in den Reihen der SPD engagierte. Das Oberlandesgericht Kassel hatte ihn wegen Hochverrat 1937 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung setzte man ihn in Griechenland als Soldat ein, wo er mit dortigen Widerstandskämpfern in Kontakt kam. Nach 1945 absolvierte er verschiedene Stationen und wurde schließlich 1950 an der Universität Marburg Professor für wissenschaftliche Politik. Es schmerzte ihn, dass die SPD alsbald den Boden des Marxismus verlassen hatte. So wandte er sich der 1968 gegründeten DKP zu. Trotz des Umstandes, dass er nach einer kurzen Karriere in der SBZ/DDR in den Westen gegangen war, unterhielt er doch immer Kontakte in den anderen deutschen Staat.

 

Das Buch ist vor allem jungen Leuten zu empfehlen, die sich über aufrechte Juristen im Widerstand gegen die Nazibarbarei informieren wollen. Dies erscheint besonders nötig in einer Zeit, wo Rechtsentwicklungen in Europa für berechtigte Unruhe sorgen. Völlig richtig stellt eine der Autorinnen – Claudia Fröhlich – resümierend fest, dass der »von Juristen im Widerstand ...  gegen den NS-Unrechtsstaat entwickelte Rechtsstaatgedanke mit dieser in der Bundesrepublik wirksamen Rechtsprechung – in den 1950er und 1960er Jahren erst einmal – zum Verschwinden gebracht« wurde.

 

 

Stiftung Adam von Trott, Imshausen e. V. (Hg.): »Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler«, Nomos Verlagsgesellschaft, 231 Seiten, 68 €