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Titel218

Antworten

Max Lercher, Bundesgeschäftsführer der SPÖ. – Zum Jahresanfang haben Sie uns ein Geheimnis verraten: »Die Wahrheit ist, dass Jörg Haider heute wahrscheinlich SPÖ wählen würde.« Seither rätseln wir über den Zweck dieser Mitteilung. Erhoffen Sie sich von ihr für Ihre Partei einen Massenzulauf derer, die so denken wie Jörg Haider? Oder wollen Sie all jene, die sich noch daran erinnern, dass das S in der Abkürzung einmal für »sozialistisch« stand, davon abhalten, die SPÖ zu wählen? Weiter so. Oder vielleicht doch ein wenig deutlicher: »Die Wahrheit ist, dass die SPÖ heute wahrscheinlich Jörg Haider wählen würde.« Wenn ihr Sebastian Kurz diesen Coup nicht vor der Nase wegschnappt.

 

Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. – Sie wollen zum Schutz der deutschen Zucht- und Mastbetriebe vor der »Afrikanischen Schweinepest« 70 Prozent des hiesigen Wildschweinbestandes abschießen lassen. Sonst seien Millionenschäden zu befürchten. Ein Gegenvorschlag: Weil Ihre Berufskollegen jedes Jahr Milliardenschäden an Mensch und Natur verursachen – horrende Überproduktion von hormon- und antibiotikaverseuchtem Billigfleisch minderer Qualität, mit allen Folgen für Volksgesundheit, Landschaftszerstörung, Luft- und Gewässerverseuchung, Marktverzerrung und Verwüstung der Landwirtschaften in Entwicklungsländern – wären 70 Prozent ihrer Massenproduktionsbetriebe zu liquidieren. Der Rest könnte auf extensive und biologisch einwandfreie Produktion umgestellt werden. Die ließe sich leichter vor Epidemien schützen. Hoffentlich haben Sie Radikalinski niemanden auf die Idee gebracht, dass Ihr Konzept bei der nächsten Grippewelle auf 70 Prozent freilaufende Bauern anzuwenden wäre.

 

Sigmar Gabriel, Sozialdemokrat, geschäftsführender Außenminister. – Einen »Sehnsuchtsort« für alle, die »Freiheit, Wohlstand, Demokratie« suchen, nennen Sie in einem Spiegel-Interview, das auch auf Ihrer offiziellen Website zu lesen ist, die Europäische Union und »natürlich Deutschland wegen seiner wirtschaftlichen Stärke besonders. Auch wegen seiner Friedfertigkeit«. Die Herausforderungen Ihres Amtes beschreiben Sie mit den Worten: »In einer Welt voller Fleischfresser haben es Vegetarier sehr schwer.« Da kommen einem die Tränen, und man liest ergriffen Ihr Plädoyer für die Definition »unserer gemeinsamen europäischen Interessen« und deren nachdrücklicher Durchsetzung, statt »nur normative Positionen zu beziehen, nur Werte in den Mittelpunkt zu stellen«. Auch die sehnsuchtsvoll nach Deutschland Blickenden werden einsehen müssen, dass der selbsternannte Vegetarier zum Schutz seiner Friedfertigkeit bei den Profitjagden der Fleischfresser noch erbarmungsloser mitmachen, die anderen Beteiligten noch reichlicher mit Waffen versorgen und noch mehr Flüchtende im Mittelmeer ersaufen lassen muss. Gemeinsame Interessen, gemeinsame Werte. Ein Sehnsuchtsort – fragt sich nur, für wen.

 

Ulf Buermeyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. – Weil Angela Merkel eine CDU/CSU-geführte Minderheitsregierung ausschließt, gibt es nur die Wahl zwischen Großer Koalition und Neuwahlen, behaupten zahlreiche Medien, doch genau das stellen Sie in Frage. Die SPD kann die »CxU« dazu bringen, Farbe zu bekennen, erklären Sie. Martin Schulz braucht nur zu tun, wofür er mit seinen Genossen monatelang gekämpft hat: im Bundestag als Kandidat zur Kanzlerwahl anzutreten. Dann müssen sich die Christdemokraten entscheiden. Entweder sie wählen eine/n eigene/n Kandidatin/-en zum Kopf einer Minderheitsregierung (und geben den Sozialdemokraten die ursprünglich angestrebte Chance, als größte Oppositionspartei für eigene Überzeugungen zu werben), oder sie sehen zu, wie Schulz zum Kanzler gewählt wird – im dritten Wahlgang, bei dem der Kandidat statt der absoluten Mehrheit nur eine einfache Stimmenmehrheit benötigt (Art. 63 GG). Als Kanzler hat er die Freiheit, sein Kabinett mit »brillanten Köpfen« als Minister/innen zu besetzen, darunter auch einzelne aus anderen Fraktionen, verdeutlichen Sie das mögliche Vorgehen bei der Bildung einer Minderheitsregierung. Anschließend kann Schulz auf seine Erfahrung, ohne Koalitionen Mehrheiten zu organisieren, zurückgreifen, das hat er schließlich jahrelang im Europäischen Parlament getan. Doch ob nun CDU- oder SPD-geführt, in jedem Fall lasse eine Minderheitsregierung eine »Sternstunde« der Volksvertretung erwarten. Der Bundestag werde dann zum echten Debattenraum und eigentlichen Machtzentrum. Nun ja, das wäre wohl im Sinne des fast vergessenen Mottos »Mehr Demokratie wagen!« – aber ob die SPD das heute noch will?