Gesundheitswirtschaft
Das Deutsche Ärzteblatt alarmiert in seiner Januar-Ausgabe: »Das System droht zu entgleisen.« Gemeint ist nicht das kapitalistische System schlechthin, sondern lediglich das derzeitige deutsche Gesundheitssystem. Es sei auf dem Weg zu einer »industriellen Gesundheitswirtschaft«, mahnt Paul U. Unschuld, der Autor des dreiseitigen Artikels. Was das bedeutet, erklärt der Professor vorsorglich auch: »Industrie kann nur erfolgreich sein, wenn das Wechselspiel von Investitionen und Rendite funktioniert.« Investoren erwarten dann 16 bis 18 Prozent Rendite. Das Befinden der Patienten spiele in der industriellen Gesundheitswirtschaft demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sei, was seine Behandlung einbringt: So kann eine Operation mit ihren Risiken einer konventionellen Therapie vorgezogen werden. So wird beim Personal gespart, die Reinigung outgesourct und so weiter. Deswegen wachsen die Krankenhauskeime und deswegen gehen in den Arztpraxen immer häufiger die Sekretärinnen nicht mehr ans Telefon und werden Privatpatienten den Kassenpatienten vorgezogen.
Die Patienten erdulden alles schweigend. Unschuld empfiehlt: »Sie können denjenigen Praxen und Krankenhäusern den Rücken stärken, in denen Ärzte und Verwalter sich bemühen, so nahe wie möglich an den Zustand heranzukommen, der ärztliche Kompetenz und medizinische Ethik in den Vordergrund stellt.« Man sieht, Unschuld ist bescheiden: »so nahe wie möglich«. Wir leben in einer Demokratie, seien wir doch nicht die allerdümmsten Kälber, die ihren Schlächter selber wählen (W. Busch). Eigentlich sollte Unschulds Artikel in großen Tageszeitungen nachgedruckt werden. Aber so demokratisch sind wir wohl doch nicht. Übrigens, wer mehr über das Thema wissen will, findet das vielleicht in dem Buch »Ware Gesundheit« des Autors, erschienen bei C.H.Beck, 11,95 Euro.
Friedrich Wolff
Geklopfte Sprüche
Platons ins Deutsche übersetzter Ausspruch, den ich neulich las, lautet: »Diejenigen, die zu klug sind, um in der Politik tätig zu sein, werden dadurch bestraft, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie selbst.« Und Aristoteles sagte einmal: »Regieren ist keine Sache für Leute von Charakter und Erziehung.« Damals haben offenbar Zustände geherrscht, die wir uns gar nicht mehr vorstellen können.
*
Von Kurt Tucholsky ist der Spruch überliefert: »Die Frauen haben es ja von Zeit zu Zeit auch nicht leicht, wir Männer aber müssen uns rasieren.« Das klingt, als ob der Mann geglaubt hat, es gebe nur zwei Geschlechter.
Günter Krone
Tucholskys 128. Geburtstag
stand am 9. Januar unter einem besonderen Stern. Hatte doch die nach ihm benannte Bibliothek im Prenzlauer Berg ihre Nutzer und Fans an diesem Tage dazu eingeladen, nach zehn Jahren Selbstverwaltung die Wiedereingliederung des über 130-jährigen Buchtempels in die hauptamtliche fachliche Anleitung und Betreuung des Bezirksamtes zu befeiern. Und der dreigeschossige Altbau in der Esmarchstraße platzte aus allen Nähten.
Aber halten wir ein wenig Rückschau. Als Berlin noch zweigeteilt war, existierten bereits zwei Tucholsky-Bibliotheken in der Stadt: eine in des Autors und Satirikers Geburtsgegend Moabit, die andere am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte. Beide bildeten einen Anlaufpunkt für Tucholsky-Fans und für Mitglieder der 1988 im Allgäu gegründeten Kurt-Tucholsky-Gesellschaft, die ihr Freundesnetz in den »alten« und »neuen« Bundesländern dadurch noch enger stricken konnte.
Dann stellte sich leider heraus, dass die Institution am historischen Platz, der von der Volksbühne, dem Liebknecht-Haus und dem Kino Babylon geradezu symbolisch eingerahmt wird, aus Spar-, Immobilien- und anderen Gründen verschwinden musste. Dagegen setzten sich Tuchos Großcousine Brigitte Rothert und die Tucholsky-Gesellschaft zwar energisch, leider aber vergeblich zur Wehr. Nun wäre Brigitte aber nicht Stammbaumzweig des Tucholsky-Clans gewesen, hätte sie sich damit abgefunden. Sie bearbeitete die Kulturpolitiker des Prenzlauer Bergs so lange, bis sie die Übertragung des Namens auf eine florierende Stadtteil- und Kinderbibliothek im Bötzow-Viertel erreichte. Und in dem Lektüremagneten in der Esmarchstraße fand der Name Tucholsky eine neue Fundus- und Begegnungsstätte, die überdies zu Vorträgen über Literarisches, Verfilmtes und anderes Diskussionswürdiges einlud.
In besonderer Erinnerung sind mir Roland Links‘ Vorträge über den Berliner Arzt und Autor Alfred Döblin, Jochanan Trilse-Finkelsteins vergleichende Analysen über das Wirken und die Befindlichkeiten Heines und Tucholskys in Paris, Diskussionen mit den Schöpfern der Rheinsberg- und Gripsholm-Filme sowie Meinungsaustausche mit den Redaktionen der Weltbühnen-Nachfolger Ossietzky und Das Blättchen.
Die fortschreitenden hauptstädtischen Sparzwänge Anfang des neuen Jahrtausends unter der Equipe des Finanzsenators Sarrazin führten zum Auflösungsbeschluss der Tucholsky-Bibliothek. Da aber hatten die Behörden die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Falle ohne die Leser gemacht.
Die Anwohner verbrüderten sich mit anderen von der Raspel bedrohten Einrichtungen, versicherten sich der Solidarität der Tucholsky-Gesellschaft, protestierten auf der Straße, warnten in der Fragestunde der Bezirksverordnetenversammlung vor der kulturellen Kahlrasur und machten der örtlichen Nähe zum fauchenden »Stierbrunnen« durch ihr Verhalten alle Ehre. Der Kampf gegen die Schließung spitzte sich während der zeitweiligen Besetzung der Bibliothek durch die bisherigen Nutzer zu. Es kam zur Gründung des Vereins Pro Kiez, der die Einrichtung notfalls übernehmen wollte. Und der Widerstand bewirkte, dass das Bezirksamt der kostenlosen Verwendung der Bibliotheksräume durch ehrenamtliche Betreuer zustimmte und so die Beräumung der Bestände verhinderte. Zehn Jahre lang überlebte die Tucholsky-Bibliothek mit hohem Wert und kleinem Geld und zur Freude der Anwohner und ihrer heranwachsenden Kinder sowie zur Selbstbestätigung der Gesinnungsfreunde des aufmüpfigen Weltbühnen-Schreibers Kurt Tucholsky.
Die Tradition der Lesungen und Begegnungen wurde weitergeführt. In den Veranstaltungen wurden nicht nur Arbeiten der Zeitgenossen des Mannes mit den diversen PS vorgestellt, sondern es kamen auch Schriftsteller und Persönlichkeiten aus dem Kiez zu Wort.
So gradlinig, wie sich das hier liest oder anhört, ging die Arbeit allerdings nicht über die Bühne. Widerstand nämlich erhob sich aus der eigenen Sippe, fürchteten doch die noch festangestellten Mitarbeiter anderer Bibliotheken, das Beispiel könne übertragen werden und zum Verlust ihrer Jobs führen. Solidarität ist zwar eine gute Sache, sie ist aber schwierig zu realisieren, wenn es ums eigene Eingemachte geht.
Pro-Kiez-Mitglied Christine Kahlau hatte bereits am Nachmittag des 9. Januar in ihrer Dokumentation »Die kleine Bibliothek« auch darüber berichtet und engagierte Zuhörer und Fragesteller gefunden. Dass Danilo Vetter, Fachbereichsleiter der Pankower Bibliotheken, und Klaus Lemmnitz vom Vereinsvorstand Pro Kiez in ihren Statements gemeinsam den Erfolg zehnjährigen ehrenamtlichen Engagements, zehnjähriger Solidarität und Suche nach realisierbaren Lösungen hervorhoben, war eine Genugtuung für alle Beteiligten und stärkte die Erkenntnis, dass auch in fast aussichtslosen Situationen Sinnvolles erstritten werden kann. Nuancenreiche Ausschnitte aus mehreren Tucholsky-Programmen rundeten die fünf ereignisreichen Sternstunden des Fest- und Geburtstags ab.
Wolfgang Helfritsch
Ossietzky-Zuhörer
Unser Leser Walter Hähnel aus Lübeck ist in der vergangenen Woche 104-jährig gestorben. Zum 100. Geburtstag gratulierten wir im Heft 11/2013. Wir kennen die Geburtsdaten unserer Leser nicht, aber wir gehen davon aus, dass Walter Hähnel unser ältester Leser war. Noch bis vor zwei Jahren korrespondierte er zuweilen mit der Redaktion, manchmal handschriftlich, wenn sein PC streikte. Dann ärgerte sich Hähnel über die unzuverlässige Technik. Weil die Sehkraft nachließ, ließ sich Walter Hähnel in den letzten Jahren regelmäßig Ossietzky vorlesen. Hähnel war Abonnent seit Gründung der Zeitschrift. Wir freuen uns, dass Ossietzky unseren Lesern wichtig ist und sie offenbar lange fit hält.
Katrin Kusche
Gegen das Vergessen
»Es gibt Bücher, die sind gut und wichtig, und es ist richtig, dass sich ihrer jemand annimmt, um sie zu veröffentlichen. Sie sind wertvoll, weil sie in Länder, Kulturen und Systeme entführen, die es zu erkunden gilt, die bei aller Globalität immer noch fremd sind und mental schwer zu fassen«, schreibt die Berliner Journalistin Barbara Hoppe in ihrem Blog (www.feuilletonscout.com) zu dem ersten ins Deutsche übersetzten Roman »Die Rache der Mercedes Lima« des 1982 in Guatemala-Stadt geborenen Schriftstellers und Journalistikdozenten Arnoldo Gálvez Suárez. Die Originalausgabe »Puente adentro« erschien 2015.
Der deutsche Autor Ilja Trojanow nimmt sich solcher Bücher an, und sie erscheinen, wie Ossietzky-Leserinnen und -Leser inzwischen wissen, in der von der Edition Büchergilde herausgegebenen Reihe »Weltlese«.
In Guatemala – etwa so groß wie Österreich, in jenen Jahren acht Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählend – tobte zwischen 1960 und 1996 der wohl schlimmste Bürgerkrieg Lateinamerikas. 200.000 Menschen wurden getötet, 45.000 Verschleppte verschwanden für immer. Von diesem Bürgerkrieg hat sich das Land bis heute nicht erholt. Im Gegenteil, es gilt immer noch als eines der gewaltreichsten der Region, im Banne von Korruption und hoher Kriminalität. Morde wie der im Mai 2009 an einem wohlhabenden charismatischen Rechtsanwalt während einer Fahrradtour sind nicht ungewöhnlich.
Zwar wurde der Staat 2012 von dem Inneramerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Wiedergutmachungsmaßnahmen verurteilt. Zu diesen sollte auch ein auf Staatskosten zu drehender Film gehören, der für die Nachwelt die Verbrechen während des Bürgerkriegs dokumentieren sollte. Er wurde jedoch bisher nicht verwirklicht. Der 70-minütige Film von Claudio Zúlian »Guatemala: Gegen das Vergessen« (im französischen Original »Les disparus de la dictature«) aus dem Jahr 2016, den ARTE am 23. Oktober (ab 2.30 Uhr!) zeigte, wurde von Betroffenen realisiert. Und am 20. Oktober berichtete die Zeitschrift stern online in einer großen Reportage des Latein-amerika-Korrespondenten Jan-Christoph Wiechmann aus Guatemala, »bekannt als Hinterhof der USA und Spielwiese der CIA«, dass jetzt »mehr als 30 Jahre nach dem Völkermord an den Maya-Indianern [vom Volk der Ixil] die Täter vor Gericht [kommen]. Dank akribischer forensischer Arbeit – und mutiger Frauen«.
Suárez verschränkt in seinem Buch eine Vater-Sohn-Geschichte mit den politischen Ereignissen der jüngeren Gegenwart. Der Vater, ein Geschichtsprofessor, wird Ende der 1980er Jahre auf offener Straße erschossen. Es herrscht Bürgerkrieg, täglich verschwinden oder sterben Menschen. Warum der Professor sterben musste, interessiert offiziell anscheinend niemand. 20 Jahre später begegnet der ältere seiner beiden Söhne einer Frau, die er sofort wiedererkennt, der titelgebenden Mercedes Lima, einer ehemaligen Studentin des Vaters. Er folgt ihr, denn vielleicht kennt sie die Wahrheit. Das Buch ist Kriminalroman, Liebesgeschichte und Polit-Drama in einem. Als Suárez im September auf Lesereise durch Deutschland war – unter anderem in Berlin auf dem Internationalen Literaturfestival und beim dortigen Ibero-Amerikanischen Institut sowie in Wien – hinterließ er begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer.
Klaus Nilius
Arnoldo Gálvez Suárez: »Die Rache der Mercedes Lima«, aus dem guatemaltekischen Spanisch von Lutz Kliche, Edition Büchergilde, 336 Seiten, 25 €
Unsere Zustände
Im politischen Marionettentheater leben viele in der Hoffnung, sicher am Faden zu hängen, damit sie nicht in die Kulissen purzeln.
*
Dekadenz ist der Topf dicker Suppe, aus dem die Medien genüsslich löffeln.
*
Die monatelangen Sondierungsgespräche hinter verschlossenen Türen lassen die Ahnung aufkommen: Na bitte! Es geht auch ohne Regierung!
Wolfgang Eckert
Wunden noch nicht verheilt
Er ist 38 und wurde am 17. Januar zum neuen Parlamentspräsidenten von Katalonien gewählt: Roger Torrent. Der Politologe ist seit 20 Jahren Mitglied der linksrepublikanischen Partei Esquerra Republicana de Catalunya und war Bürgermeister der Kleinstadt Sarrià de Ter im Nordosten Spaniens. Klar konnte er sich mit 65 Stimmen gegen den Kandidaten der Ciutadans durchsetzen, der 56 Stimmen bekam. Torrent erhielt auch die drei Stimmen der in Madrid inhaftierten katalanischen Politiker. Gegen diese Stimmenübertragung gab es Protest aus den Reihen von Ciutadans und der Partido Popular. Carles Puigdemont und vier abgesetzte Minister, die im Brüsseler Exil ausharren, hatten auf Anraten ihrer Juristen auf eine Teilnahme an der Wahl in Barcelona verzichtet. Die Sitze der acht Abwesenden waren im Sitzungssaal des Parlaments mit gelben Schleifen verziert.
In seiner ersten Rede als Parlamentspräsident sagte Roger Torrent: »Ich bin der Präsident aller 135 Abgeordneten im Parlament und werde das Recht der Anwesenden und Nichtanwesenden auf freie Meinungsäußerung respektieren.« Mit dem Singen der Hymne »Els Segadors« schloss das Parlament am 17. Januar in Barcelona seine Sitzung.
Bis Ende des Monats muss auch der Regionalpräsident neu gewählt werden. Carles Puigdemont und seine Mitstreiter sind der Ansicht, dass der Regionalpräsident auch gewählt werden kann, ohne dass er im Parlament anwesend ist. Derzeit versucht der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy das zu verhindern.
Karl-H. Walloch
Auch eine Wendegeschichte
Manja Präkels ist 1974 in Zehdenick/Mark geboren. In ihrem Roman »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß« schildert sie das Leben in einer brandenburgischen Kleinstadt aus den Augen einer mit der Autorin Gleichaltrigen. So wie der Titel ist das Buch: Ein bisschen provokant, scheinbar naiv und frisch/frech. Es geht um DDR-Kindheit, Kleinstadtalltag und das Reinrutschen in das Erwachsenwerden bei gleichzeitigem Verschwinden der DDR. Aus dem Kindheitsfreund wird ein Nazi-Schläger, und Mimi, Tochter einer Lehrerin und eines Verkaufsstellenleiters, empfindet sich zuweilen als der »letzte Pionier – Timur ohne Trupp«. Von den Erwachsenen allein gelassen positionieren sich die Schulfreunde und Nachbarn unterschiedlich, in gefährlichen Konstellationen, und damit ändert sich auch der Stil der Erzählens: die Heiterkeit weicht einem oft ohnmächtigen Staunen oder großer Wut.
Manja Präkels, Sängerin und Texterin der Politband »Der singende Tresen« in der Tradition von Mühsam und Brecht, meistert die Übergänge. Sie kann erzählen. Teils lakonisch, nicht ohne lyrische Wendungen, immer knapp und scheinbar leicht. Es ist ein Debüt, das auf Weiteres neugierig macht.
Christel Berger
Manja Präkels: »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß«, Verbrecher Verlag, 232 Seiten, 20 €
Schwierige Kostümwahl
Man will es einfach nicht glauben …, aber in diesen Tagen bieten die Fernsehprogramme in großen Teilen Deutschlands nur Prunksitzungen und Karnevalshows. Ein untrügliches Zeichen: Die »fünfte Jahreszeit« geht ihrem Ende entgegen. Da steigen die Funkenmariechen in die Bütt und der Prinz tanzt mit seiner Lieblichkeit im Männerballett. Oder verwechsle ich da was?
Närrinnen und Narren verkleiden sich, bevölkern Straßen und Säle, lassen Konfetti regnen und klopfen sich über die uralten Kalauer vor Lachen die Schenkel wund. In diesem Jahr ist die Kostümwahl jedoch eine heikle Angelegenheit. Als rüpelhafter Cowboy? So mit Hilfssheriffstern an der Weste und Colt im Hüftgürtel? Lieber nicht – das könnte zu Verwechslungen mit einem amerikanischen Präsidenten führen. Oder als Ölscheich? Immerhin ein super einfaches Kostüm mittels Bettlaken und Sonnenbrille. Auch kein guter Einfall mehr. Indianer und Othello sind ebenfalls längst passe. Selbst die holde Weiblichkeit hat ein Problem, denn mit heißen Klamotten sollte man vorsichtig sein. Mit derartiger Erotik tritt man momentan nicht ins Schminktöpfchen sondern in diverse Fettnäpfchen.
Irgendwie eckt man mit jedem Kostüm an. Irgendeiner fühlt sich immer auf den Schlips getreten. Da wird es schwierig, im Mainstream noch ein harmloses Kostüm zu finden. Unverfänglich ist sicher, wenn man beim Hausarzt von der Sprechstundenhilfe mit Pappnase begrüßt wird. Oder die Postbotin als Pippi Langstrumpf an der Haustür klingelt. Wenn man allerdings beim Besuch seiner Hausbank von einem Bankräuber empfangen wird, sollte man schon etwas misstrauisch sein. Aber keine Bange: Am Aschermittwoch ist alles vorbei!
Faschingsmuffel Manfred Orlick
Zuschriften an die Lokalpresse
»Wussten Sie schon, dass ...« ist eine tägliche Rubrik in der Randspalte des Berliner Kurier. Sie macht auf spannende Sachverhalte aufmerksam. Ende des Jahres bedauerte das Blatt, dass 2017 in den »Tatort«-Krimifolgen »lediglich 85 Leichen gezählt worden sind«, was ein »extremes Minus im Vergleich zum Vorjahr mit insgesamt 162 Toten« darstellt. Nun weiß ich nicht so recht, wie man diesem Manko begegnen kann. Vielleicht reicht es schon, die Sendezeiten von »Kripo live« zu verdoppeln oder bei der Erarbeitung der Krimis stärker von den Realitäten auszugehen. Und da besteht nach den Medien-Berichten der ersten beiden Januar-Wochen aller Grund zu Optimismus, denn die Statistik zeigt eine ansteigende Verbrechensentwicklung und lässt hoffen, dass der Rückgang bald überwunden sein wird. – Roderich Kannibalinsky (72), Rentner und Zeitungsverteiler, Kolonie »Frohsinn«, 13159 Berlin
*
Wie dem neuen deutschland und brandenburgischen Medien Ende Dezember 2017 zu entnehmen war, ist im Zusammenhang mit der Wiederauferstehung der Potsdamer Garnisonkirche ein Streit darüber entbrannt, ob der symbolische Händedruck zwischen dem Generalfeldmarschall von Hindenburg und dem Weltkriegsgefreiten Hitler am 30. Januar 1933 vor der Kirche, in der Kirche, hinter der Kirche, nach der Kirche, unter der Kirche oder sowohl als auch erfolgte. Das Geschehen vor dem Gotteshaus bezeugen Fotos, während der Handschlag im Inneren des Kulturdenkmals der Bestätigung von Augenzeugen bedarf, die sich aus biologischen Gründen nicht mehr dazu äußern können. Es bleibt zu hoffen, dass das Baugeschehen trotz dieser Umstände vorangetrieben werden kann, damit sich die Jahrhundertkalamität des BER-Flughafens nicht wiederholt. – Eusebius Maria Hoffmann (76), pensionierter Kirchensteuerbeamter, 14480 Potsdam-Kirchsteigfeld
Wolfgang Helfritsch