Armin Laschet, abgewatschter NRW-Ministerpräsident. – Der 37-köpfige CDU-Landesvorstand hat Ihren Personalvorschlag für die Kandidatenliste zur Europawahl abgeschmettert. Bild-Schlagzeile: »NRW-CDU kippt Europa-Legende Elmar Brok«. Es gibt sie also doch: CDU-Politiker mit Geschmack am Seriösen und gute Nachrichten im Käseblatt. Die 72-jährige »Europa-Legende« Brok war schließlich als hemmungsloser Russenfresser und Schluckspecht legendär.
Volker Herres, Bildschirmschoner. – In der Sendung »Presseclub« moderierten Sie das Thema »Man isst, was man ist« unter anderem mit der lichtvollen Bemerkung an: »Essen ist eben mehr als nur eine Frage des Geschmacks.« Auf weitere Zitate verzichten wir hier lieber. Fade Binsenweisheiten, vorgetragen von Ihnen, dem Programmchef der ARD. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, über die Geschmacklosigkeit mancher Stellenbesetzung bei der ARD schon.
Bundespolizeidirektion Berlin, subjektiv empfindsam. – Sie haben im Oktober eine »Allgemeinverfügung« erlassen, die angeblich das »subjektive Sicherheitsgefühl« von Bahnreisenden erhöhen soll. Sie verbieten darin das »Mitführen von gefährlichen Werkzeugen« in Zügen und auf Bahnhöfen. Das Verbot sollte vom 1. November bis zum 31. Januar gelten, und zwar »jeweils in den Nächten von Freitag zu Samstag und von Samstag zu Sonntag in der Zeit von 20:00 bis 6:00 Uhr« in S-Bahnen, Regional- und Fernzügen zwischen den Stationen Zoologischer Garten und Lichtenberg sowie in allen Bahnhöfen dieses Streckenabschnitts. Nicht nur Messer oder Schlagringe, sondern alle möglichen Gegenstände, vom Ski- oder Wanderstock bis zur Nagelfeile, können als »gefährliche Werkzeuge« definiert werden. Wenn man will, kann man so bei jedem etwas Verbotenes finden. Dagegen hat ein S-Bahn-Nutzer geklagt. Das zuständige Verwaltungsgericht schätzt die Erfolgsaussichten der Klage so hoch ein, dass es auf Antrag das Verbot jetzt bis zur Entscheidung suspendierte. Dagegen haben Sie Beschwerde eingelegt und angekündigt, das Verbot trotz der Suspendierung an den verbleibenden Januar-Wochenenden anzuwenden. Beunruhigend dabei einerseits Ihr Umgang mit den Grundrechten der Bürger und mit Gerichtsentscheidungen, andererseits auch ein Satz, der in Ihrer Verbotsbegründung gleich zweimal vorkommt: »Es ist anzunehmen, dass ein Großteil der Reisenden unter den gegebenen Verhältnissen mit einer solchen Maßnahme zu ihrem eigenen Schutz einverstanden ist.« Die angenommene Meinung einer unbestimmten Menschenmenge als Ersatz für die nicht vorhandene Rechtsgrundlage polizeilicher Maßnahmen, die die Grundrechte einschränken? Früher hieß so etwas mal »gesundes Volksempfinden«. Unser subjektives Sicherheitsgefühl erhöht das nicht.
Heribert Prantl, Ex-Staatsanwalt und Leiter des Ressorts Meinung bei der Süddeutschen Zeitung. – Anlässlich eines beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens kritisieren Sie in Ihrer Kolumne »Prantls Blick« scharf die Praxis der Job-Zentren, die Hartz-IV-Leistungen für Langzeitarbeitslose durch Sanktionen auf ein »menschenunwürdiges Existenzminimum« zu drücken: »Der Sanktionsparagraf 31 des Sozialgesetzbuchs II ist das kalte Herz des gesamten Hartz-Gesetzes; es ist dies der längste Paragraf und offenbar der praktisch wichtigste: Wie kann man die Hartz-IV-Empfänger zwiebeln? Der Paragraf behandelt die Leute als potenzielle Faulpelze, denen man die Faulpelzerei auf Schritt und Tritt austreiben muss. Hartz IV macht den Bürger, wenn er arm ist, zum Untertan.« An anderer Stelle: »Mit Hartz IV haben Elemente des Strafrechts ins Sozialrecht Einzug gehalten. [...] Es ist ein schikanöses Gesetz, das die Behörden zu Verwaltungsexzessen zwingt und die Lebensleistung auch der Menschen missachtet, die einen Großteil ihres Lebens gearbeitet haben und dann von Arbeitslosigkeit erwischt wurden. Sie alle werden von Hartz IV entmündigt.« Dem kann man nur zustimmen. Aber müssen Sie dabei eine Redewendung benutzen, die »schwarz« mit »schlecht« oder »unheilvoll« gleichsetzt? Es ist Ihnen wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen, dass es manche Menschen verletzt, wenn Sie schreiben: »Die schwarze Pädagogik, die in der Kindererziehung verpönt ist, hat Hartz IV bei erwachsenen Menschen wieder eingeführt.« Schwarzer Freitag, schwarzes Schaf, schwarze Magie, schwarze Pädagogik – wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Wir nicht, denn: »Black is beautiful.«
Richard Grenell, US-Statthalter in Deutschland. – Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen haben Sie hiesige Konzerne drohend aufgefordert, sich vom Bau der Erdgasleitung »Nord Stream 2« zurückzuziehen: »Wir betonen weiterhin, dass Firmen, die sich im russischen Energieexport-Sektor engagieren, sich an etwas beteiligen, das mit einem erheblichen Sanktionsrisiko verbunden ist [...] Im Ergebnis untergraben Firmen, die den Bau beider Pipelines unterstützen, aktiv die Sicherheit der Ukraine und Europas.« Im Ergebnis betreiben Sie grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Leider hält unser Außenminister Maas Bücklinge und Rektalvisiten bei den US-Herren für Diplomatie.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. – Im Interview mit der Funke Mediengruppe haben Sie eine Reform der Sozialgesetzgebung verlangt. Der Staat könne nur verteilen, was er vorher den Bürgern über Steuern und Abgaben entzogen habe. Die Sozialgesetze seien zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen und den wirklich Bedürftigen besser zu helfen: »Das ist Voraussetzung dafür, dass der Sozialstaat langfristig finanzierbar ist.« Sie kreieren damit ungefragt einen Unterschied zwischen »Armen« und »wirklich Armen«, obwohl das staatlich definierte Existenzminimum eine solche Debatte verbieten sollte. Aus Gründen neoliberaler Agitation ignorieren Sie zudem, dass der Sozialstaat sich sehr wohl problemlos finanzieren könnte, würde er nur endlich eine Vermögensteuer und eine namhafte Erbschaftsteuer einführen.
Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) für Sozialforschung. – Der Rat der Volksbeauftragten, der in der Folge der durch die Novemberrevolution geschaffenen Soldaten-, Arbeiter- und Bauernräte die Macht ausübte, verkündete am 12. November 1918: »Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.« In den WZB-Mitteilungen (Heft 162, Seite 5) erinnern Sie an 100 Jahre Frauenwahlrecht aber nur wie folgt: »Ostern 1918. Kaiser Wilhelm II. hält eine Ansprache zur Reformation des Wahlrechts. Kein Wort über Frauen. Das erzürnt viele und lässt Parteigrenzen verblassen. Frauen aller politischen Richtungen tun sich zusammen und fordern das Recht, wählen zu dürfen. Nach vielen Jahrzehnten erfolgloser Bemühungen erreichen sie nun binnen weniger Monate ihr Ziel. Am 12. November 1918 wird das Reichswahlgesetz geändert, Frauen das passive und aktive Wahlrecht gewährt.« Sie erweisen sich als ungenaue Historikerin; die gesetzliche Fixierung des Frauenwahlrechts erfolgte mit der am 30. November 1918 beschlossenen Verordnung über die Wahlen zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung. Aber das Verblassen geschichtlicher Daten bei Ihnen wäre noch entschuldbar, wenn da nicht auch schamhaft verschwiegen würde, dass die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren eine Errungenschaft der revolutionären Räte gewesen ist. Von intellektueller Redlichkeit zeugt das nicht gerade, eher von der willigen Bereitschaft einer Karriere-Wissenschaftlerin, die Bedeutung der Novemberrevolution geschichtsblind zu verleugnen. Schade, denn Sie waren von 1999 bis 2002 immerhin als erste Frau die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.