Angela Merkel, Kanzlerin ohne Rücksicht auf Verluste. – Wiederholt haben Sie »umfassende internationale Untersuchungen« gefordert, den ebenso furchtbaren wie wahrscheinlich versehentlichen Flugzeugabschuss bei Teheran aufzuklären. In der Tat wären viele Fragen zu stellen. Unter anderem die, wieviel Gefühlskälte nötig ist, damit man wie Sie den Tod von 176 Menschen für transatlantische Weltmachtpolitik instrumentalisieren kann. Lässt sich der Abschuss doch äußerst effektiv dazu missbrauchen, von Donald Trumps Befehl abzulenken, den iranischen General und Emissär Soleimani samt vielköpfiger Begleitung zu ermorden. Er lenkt ab von der Selbstverständlichkeit, mit der Ihr Komplize im Weißen Haus weltweit Menschen umbringen lässt, die ihm im Weg stehen. Und von der deutschen Mittäterschaft bei dessen Mordbefehlen: Seine Drohnen nämlich werden von der US-Relaisstation Ramstein/Rheinland Pfalz weitergeleitet. Mag sein, dass Sie davon nichts wissen wollen, aber Mitwisserin sind Sie fraglos. »Passive Mittäterschaft« heißt das im Strafrecht. Den Abschuss von Teheran untersuchen wollen, aber die Killer in Washington ungestört weitermachen lassen: eine Niedertracht Ihrerseits, die auf uns alle zurückfällt.
Gabor Steingart, verbreitet Illusionen. – Sie schreiben in Ihrem einflussreichen Newsletter Das Morning Briefing in der Ausgabe vom 17. Januar: »Donald Trump hat viele Gegner, aber keiner wird ihm derzeit so gefährlich wie General Soleimani. Der getötete Iraner wird zum Untoten der amerikanischen Politik. Es gelingt dem US-Präsidenten bisher nicht, eine juristisch wasserdichte Argumentation und eine militärisch überzeugende Beweisführung vorzulegen, die diese Hinrichtung rechtfertigen könnte. Eine Absetzbewegung hat stattgefunden, die von eigenen Kabinettsmitgliedern bis hin zum Deutschen Bundestag reicht. [...] Ein Auftragsmord begangen durch einen US-Präsidenten, womöglich völkerrechtswidrig und ohne handfeste Indizien für die akute Gefährlichkeit dieses Mannes, könnte für Donald Trump gefährlicher werden als das von Nancy Pelosi vorangetriebene Amtsenthebungsverfahren.« So weit so gut und nachvollziehbar. Aber ihre zentrale Schlussbehauptung »Auch für einen amerikanischen Präsidenten gilt: Das Recht steht über allem. Der Rechtsstaat hasst nicht.« hat sich doch empirisch-historisch längst vielfach als frommer Wunsch erwiesen und als Teil der ekligen Propaganda, die suggeriert: »Wir im Westen sind immer die Guten.«
Deutsche Politikberater, voll daneben. – Die EU müsse mit der »geopolitischen Kommission« von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren »globalen Fußabdruck« stärken, schreiben Sie in grausiger Metapher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Internationale Politik. Vor allem solle sich die Union um den Aufbau einer eigenständigen IT-Branche bemühen. Darüber hinaus solle dem Euro ein größeres internationales Gewicht verliehen werden. Nun aber mal Klartext: Die EU ist, was sie verdient zu sein. Seit ihrem Bestehen ist es ihr nicht gelungen, weltpolitisches Gewicht zu bekommen. Das wäre erst geschafft, wenn ihr »globaler Fußabdruck« auf dem Hintern der USA sichtbar ist. Bis dahin hat sie die Qual der Wahl: Satellit der USA bleiben oder der VR China werden. Wir ahnen schon, wozu Sie raten.