Bolivien muß noch darum kämpfen, Ekuador hat es geschafft. Die Verfassungsreform der Regierung Correa ist verabschiedet. 66,5 Prozent der fast zehn Millionen Wähler haben im Referendum vom 28. September der 20. Verfassung seit der Gründung der Republik Ekuador (1830) zugestimmt – der ersten, die in allen Phasen ihrer Entstehung einem öffentlich überwachten Abstimmungsverfahren unterworfen war: bei der Entscheidung, eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen (April 2007), bei der Wahl ihrer Delegierten (mit paritätischer Berücksichtigung beider Geschlechter), bei der Verabschiedung des neuen Textes in der Versammlung und nun beim Votum der Bevölkerung. Stets eidgenössisch-plebiszitäre Offenheit.
Bestimmend für so viel Akzeptanz sind die Leitlinien der neuen »Carta Magna«: Abkehr von neoliberaler Staatsentmündigung, Ausweitung öffentlicher Kontrolle auf allen Entscheidungsebenen des Regierungsapparats. Genannt seien beispielsweise die Bestallung aller Kontrollinstanzen durch öffentliche Auswahlverfahren und die jederzeit mögliche Abberufung der Funktionsträger. Besonders erwähnenswert sind auch der neue Souveränitätsbegriff, der Energie, Ernährung und kulturelle Identität einschließt, die Förderung kleiner und mittlerer bäuerlicher Betriebe, die Begrenzung von Landbesitz, die öffentliche Verfügung über Süßwasser und dessen Verteilung (in der Tradition indigener Kulturen) und der Ausschluß genmanipulierten Saatgutes. Die Verfassung postuliert einen zentralen Entwicklungsplan unter möglichst breiter Teilnahme aller gesellschaftlichen Gliederungen und öffentlicher Kontrolle.
Weiterhin obliegt dem Staat die Bemessung der Mindestlöhne nach Maßgabe ihrer realen Kaufkraft sowie die Kontrolle der Kredit- und Finanzierungspolitik, wie immer sich das in der Praxis gestalten mag. Den Einkommensschwachen wird unentgeltliche medizinische Versorgung gewährleistet – Kuba und Venezuela stehen Pate. Verschiedenste Formen des Zusammenlebens, auch die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare, werden legalisiert; dahinter steht vor allem der Wunsch nach familiärer Einbettung von Kindern und Jugendlichen. Eine Antwort auf die Abschottungstaktik der reichen Länder ist das nunmehr verankerte Migrationsrecht der Ekuadorianer und ihr Anspruch auf Beistand des Mutterlandes, wo sie auch ansässig sein mögen.
Aus allem spricht die uralte indigene Leitvorstellung des »Sumak Kawsay« (span. »Buen Vivir«), des »auskömmlichen Zusammenlebens« der Menschen – untereinander und mit ihrer Mutter Erde. Und so figuriert Sumak Kawsay bereits programmatisch in der Präambel des Verfassungswerks als Grundprinzip des Zusammenlebens in dem nunmehr als plurinational definierten Staat Ekuador.
Wen wundert’s, daß die große Mehrheit der Wähler, wiewohl eingezwängt zwischen den US-Satrapien Kolumbien und Peru, mit »si« gestimmt hat? Wen wundert’s, daß die katholische Kirche und die Banken die neue Verfassung bekämpfen? Und daß die Konzernmedien auch in Deutschland wieder einmal das Entscheidende verschweigen?