Unduldsamkeit kann man ihnen nicht vorwerfen, den immerhin noch sechzig Prozent der wahlberechtigten Berliner, die ihre Stimme ablieferten und damit eine Darbietung honorierten, der jede hauptstädtische Qualität fehlte. Ein Sozialdemokrat in der Hauptrolle, der Konkurrenz nicht fürchten mußte, aber schon ein bißchen Mühe hat, seiner Beliebtheit beim Publikum gerecht zu werden; eine allzu angestrengte grüne Herausforderin; biedere christdemokratische Statisten und linksparteiliches Hilfspersonal für den Hauptdarsteller, das nun wegen Ersetzbarkeit seinen Job verliert. Und freidemokratische Möchtegernmitspieler, kläglich am Rande stehend. Nur ein Lichtblick für die Theaterjournalisten: Piraten sprangen auf die Bühne, so daß sich über einen Überraschungseffekt berichten ließ. Inzwischen wird über das ganze Schauspiel kaum noch gesprochen, denn der Papstbesuch folgte; nur die Experten spekulieren weiter, ob Piraten demnächst auch andernorts auftreten werden.
Theaterstücke dieser Art, als Reality Show verstanden, leiden unter einem deutlichen Mangel: Es ist kein Schatz da, den die Stammbesatzung verteilen oder den die einen oder anderen Piraten erbeuten könnten.
Die Stadt Berlin als Beispiel: Die öffentlichen Besitztümer, soweit profitabel, sind schon in private Hände gegeben; die Steuerpolitik hat dafür gesorgt, daß der Staat klamm ist; Schulden macht die öffentliche Hand vor allem, um der Finanzindustrie ihre Gewinne zu sichern. Woher das Geld nehmen, um in produktive wirtschaftliche Entwicklung zu investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen, um Massenkaufkraft anzuregen, um gegen die sich ausbreitende Armut anzugehen?
Beute gemacht haben längst andere, nämlich die, die immer Beute machen – mit eifriger Hilfe der in Berlin residierenden Bundesregierungen gleich welcher Farbzusammenstellung.
Den vierzig Prozent Berliner Wahlberechtigten, die ihre Stimme für sich behalten haben, ist dieser Tatbestand nicht unbekannt. Aber was sollen sie dagegen tun? Die Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus haben ihnen dazu keine Vorschläge gemacht. Auch nicht die Partei Die Linke. Die war damit beschäftigt, den Mangel ordentlich zu verwalten. Und die Piraten werden sich noch wundern, wie wenig die parlamentarische Freibeuterei bringt.