trifft man öfters im alltäglichen Leben an, besonders in karnevalistischen und politischen Bereichen. Zwei Narren ganz anderer Art, harmlos vielleicht, nicht aber rundum glücklich, literarische Figuren, Elling und Bjarne, haben sich als Norweger schon 2001 in dem Film »Elling« hier vorgestellt. Renate Holland-Moritz (»Die Eule im Kino«, Karl Dietz Verlag) schrieb: »Dreißig Jahre lang wurde Kjell Bjarne von seiner trunksüchtigen Mutter geschlagen, ganze vierzig Jahre war Elling mit einer Mutter geschlagen, die ihn nach Noten verwöhnte. Folglich wuchsen beide in Mangelmilieus heran, waren also für ein normales Leben ungenügend ausgerüstet. Wenn aber an einer menschlichen Fehlentwicklung nicht die Gesellschaft schuldig ist, sondern ... die Familie, dann weiß sogar Vater Staat Rat. Er lautet: Sozialpsychiatrie ...«
Bjarne und Elling erlebten wir in der gleichnamigen norwegischen Komödie von Axel Hellstenius, Peter Naess und Ingvar Ambjörnsen (Deutsch von Gabriele Haefs) in der Regie von Michael Bogdanov als Gastspiel der Hamburger Kammerspiele im Berliner Renaissance-Theater. Ein Glücksfall, besonders dank der Hauptdarsteller Boris Aljinoviæ und Peter Theiss. Glänzend und einfühlsam agierten auch ihre Partner Imke Troller und Hans-Jörg Frey in verschiedenen Rollen.
Boris Aljinoviæ ist ein Schauspieler von Rang, der angenehmerweise nicht von vornherein als Schauspieler von Rang auftritt. Das fiel mir schon auf, seit er im Fernsehen einen Tatort-Kommissar an der Seite seines Kollegen Dominic Raacke verkörpert, der ebenfalls so unauffällig arbeitet wie alle guten Kriminalisten. Im Renaissance-Theater ist man davon überzeugt, daß Charme und Charisma dieses Mimen schon mit seiner ersten Rolle dort die Sympathien der Zuschauer eroberten. »1995 kam der gebürtige Charlottenburger frisch von der Schauspielschule Ernst Busch und spielte hier den Hitlerdarsteller Bronski in ›Noch ist Polen nicht verloren‹, der Bühnenfassung von Ernst Lubitschs Film ›Sein oder Nichtsein‹. Die schüchternschlagfertige Komik, die er dieser eher kleinen Rolle verlieh, machte ihn zur schauspielerischen Entdeckung des Abends.« Es folgten weitere Entdeckungen bei seinen Rollen in Grumbergs »Morgen, ein Fenster zur Straße«, »Gespräch mit meinem Vater« von Herb Gardner, Frayns »Nackter Wahnsinn«, »Ein Gag für Max« von Neil Simon, »Liebe auf der Krim« von Slawomir Mrožek und so weiter. Bis zu einer weiteren Premiere an den Hamburger Kammerspielen: »Elling und die Begegnung der dritten Art«. Sein Elling zeigt den Boris Aljinoviæ als bedeutenden Charakterdarsteller, der einen ebenso komischen wie bedauernswerten Mann spielt, der aus der ihm vorgeschriebenen Rolle zu fallen droht, ohne daß jener aus der Rolle fällt, der ihn so sorgfältig vorführt. Die Komödie gewinnt dank der Kunst dieses Komödianten tragikomische Dimensionen.
Den natürlichen Grobian des Duos der beiden Gestörten gibt Peter Theiss als Kjell Bjarne. Er paßt in das Stück wie die Faust aufs Auge, ohne daß Faust oder Auge verletzt werden. Denn wir haben es hier mit einer feinsinnigen sozialen Karikatur zu tun. Auch dafür gab es verdienten Applaus.