Wer sich fragt, warum der sozialistische Präsident François Hollande sich so vehement für eine Intervention in Syrien einsetzt, sollte einen Blick in die Geschichte werfen. Die ersten französischen Bomben fielen 1920 auf Damaskus. Damals, zwei Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, schlug die französische Armee einen Aufstand arabischer Nationalisten blutig nieder. Nach der türkischen Niederlage hatten die mit England verbündeten arabischen Nationalisten auf die ihnen zugesagte Unabhängigkeit bestanden. Statt dessen wurden die arabischen Gebiete zwischen England und Frankreich aufgeteilt, die Franzosen bekamen den Libanon und das heutige Syrien vom Völkerbund als Mandat zugeteilt. Nach dem Aufstand zerlegte der französische Hochkommissar Henri Gouraud das Land in kleine zum Teil konfessionell geprägte Staaten und versuchte, die verschiedenen Ethnien wie Drusen, Kurden und Alawiten gegeneinander auszuspielen. Im Juli 1925 brach unter der Führung der Drusen eine neue syrische Revolution aus, die die Franzosen in die Flucht schlug. Im Oktober wurde Damaskus drei Tage lang beschossen, über 1500 Tote und eine zerstörte Altstadt waren die Folge. Aber erst im März 1926 konnte Frankreich mit Hilfe von 30 000 Soldaten aus Marokko Syrien zurückerobern, im Mai 1926 bombardierte die französische Luftwaffe Damaskus, große Zerstörungen und 5000 Tote waren die Folge. Im Juli war die Rebellion endgültig niedergeschlagen. Nach der Dominanz des Militärs wurde nun die Zivilverwaltung gestärkt, ab November 1925 übernahm der Politiker Henry de Jouvenel den Posten des Hochkommissars für Syrien. Unter ihm wurde massiv in die Infrastruktur des Landes investiert, Damaskus bekam eine Straßenbahn, Museen, Schulen. Es entstanden Hotels, Restaurants, Theater, Kinos, Zeitungen wurden gegründet, ebenso politische Parteien.
Im April 1928 werden Wahlen für ein erstes Parlament in allen Landesteilen mit Ausnahme der Gebiete der Drusen und Alawiten veranstaltet. Die Nationalisten gewinnen in den Städten, auf dem Land siegen die gemäßigten Kräfte. Nachdem die Nationalisten die parlamentarische Mehrheit erzielt haben, löst der Hochkommissar das Parlament auf und erläßt einseitig eine Verfassung. Auf Seiten des Militärs mißtraut man der Zivilverwaltung und fördert stattdessen separatistische Bewegungen, die den syrischen Zentralstaat ablehnen. In den 30er Jahren kommt es immer häufiger zu Feindseligkeiten gegen die Vertreter der syrischen Zentralmacht. Erst als 1936 in Frankreich das Linksbündnis der Volksfront siegt, werden neue Verhandlungen zwischen den syrischen Nationalisten und der französischen Regierung möglich. Es wird ein Vertrag ausgehandelt, der die syrische Unabhängigkeit in einem Zeitraum von fünf Jahren vorsieht. Das Abkommen wird vom syrischen Parlament einstimmig angenommen, nicht aber von den französischen Abgeordneten, die eine Ablehnung durch den Senat fürchten. 1938 wird der Vertrag angesichts des bevorstehenden Krieges mit Deutschland endgültig begraben. 1939 überläßt Frankreich die Region Sandschak, in der eine türkische Minderheit existiert, der Türkei, um deren Neutralität zu erkaufen. 1940 wird Syrien von der Regierung in Vichy verwaltet, im Juli 1941 erobern die Truppen von General de Gaulles freiem Frankreich zusammen mit den Briten gegen den erbitterten Widerstand der Vichy-Franzosen das syrische Mandatsgebiet. De Gaulle erklärt es zur Pflicht Frankreichs, den Libanon und Syrien in die Unabhängigkeit zu entlassen. Durch den Bruderkrieg hatte der Ruf Frankreichs im Mandatsgebiet arg gelitten. Die nationalistische Baath-Partei bekam starken Zulauf und organisierte 1945 den »nationalen Dschihad«, um die versprochene Unabhängigkeit durchzusetzen. Sechs Tage lang gab es große antifranzösische Demonstrationen, dann, am 29. Mai, ließ General Fernand Olive Damaskus 36 Stunden lang bombardieren. Hunderte von Toten waren die Folge, das syrische Parlament und die Viertel in der Umgebung waren zerstört. England forderte ein Ende der Kämpfe und drohte mit einem militärischen Eingreifen. Am 17. April 1946 verließ der letzte französische Soldat Syrien.
In der Folgezeit konzentrierte sich das französische Interesse auf den frankophilen Libanon. Beirut, das Paris des Nahen Ostens, erlebte eine wirtschaftliche Blüte. 1975 begann ein blutiger Bürgerkrieg zwischen christlichen und moslemischen Milizen. 1976 marschierten syrische Truppen in den Libanon ein. Im März 1978 besetzte die israelische Armee den Südlibanon. Daraufhin wurde eine UNO-Schutztruppe in den Libanon entsandt, die vor allem aus Amerikanern und Franzosen bestand. Im Oktober 1983 wurden bei zwei Bombenanschlägen 241 amerikanische und 58 französische Soldaten getötet. Erst 1989 endete der libanesische Bürgerkrieg.
Frankreich versuchte weiterhin, seinen Einfluß im Libanon aufrechtzuerhalten, was auch seine Politik gegenüber Syrien bestimmte. Als 1982 Hafiz al-Assad in der Stadt Hama ein Massaker an den Muslimbrüdern veranstaltete, reagierte der frisch gewählte François Mitterrand mit stillschweigender Billigung. Sein Nachfolger Jacques Chirac war als einziger westlicher Staatschef bei der Beisetzung von Hafiz al-Assad anwesend und kümmerte sich intensiv um dessen Sohn und Nachfolger Baschar. Erst im September 2004 änderte sich die französische Syrienpolitik, als Frankreich die UNO-Resolution zum syrischen Truppenrückzug aus dem Libanon unterstützte. Ein halbes Jahr später wird der ehemalige libanesische Premierminister Rafiq al-Hariri bei einem Attentat getötet. Der reiche Geschäftsmann ist ein enger Freund der Familie Chirac gewesen, und der französische Präsident wird nun bis zum Ende seiner Amtszeit alles tun, um den vermutlichen Auftraggeber Syrien zu isolieren. Das Ehepaar Chirac lebt übrigens bis heute mietfrei in einem Pariser Luxusappartement der Familie Hariri.
Erst unter Nicolas Sarkozy gibt es wieder eine Annäherung an Damaskus. Es geht vor allem darum, den Libanon endgültig zu befrieden. 2008 wird Assad zum Mittelmeergipfel nach Paris eingeladen und nimmt an der Seite von Sarkozy an der Militärparade zum 14. Juli teil. Erst der Beginn des syrischen Bürgerkrieges 2011 beendet diese Annäherung.
Auch der Sozialist Hollande folgt der klassischen Strategie, zumindest den Libanon als französisches Einflußgebiet zu erhalten. Da Frankreich aber längst nicht mehr über die militärischen Mittel der 20er Jahre verfügt, hat man sich wie schon bei der Intervention in Mali und Libyen notgedrungen an die Supermacht USA gebunden. Der kriegswillige sozialistische Präsident sieht sich einer skeptischen Bevölkerung gegenüber, 68 Prozent der Franzosen haben sich gegen eine Militärintervention ausgesprochen. Im Parlament freilich gibt es eine satte Mehrheit. Nur die Linkspartei und der stramm rechte Front National sind gegen den Militärschlag. Ein trauriges Kapitel in der Geschichte der französischen Sozialisten.