VW hat die Behörden, die Kunden und die Umwelt systematisch betrogen, Verbrauchs- und Abgaswerte wurden verfälscht. Der Schaden ist weit höher, als auf den ersten Blick erkenntlich. Sowohl amerikanische als auch europäische Umweltstandards fordern sinkende klimaschädliche Abgaswerte. Die demnächst erforderlichen Normen erfüllen vor allem die großen Sport- und Nutzfahrzeuge (Sports Utility Vehicles, SUV) und Luxusautos nicht. Deshalb hat Porsche einen Einstieg bei VW gefunden, Mercedes und BMW haben ihre Liebe zu kleineren Fahrzeugen entdeckt, um allein dadurch die Flottenverbräuche zu senken und die Spritschlucker und Gewinnbringer weiter produzieren und verkaufen zu können. Schließlich wollen die Neureichen rund um den Erdball weiterhin im Luxus schwelgen – scheiß auf das Klima; schade um die Malediven, aber egal, wenn Bangladesh im Meer versinkt.
Die Manipulation von Abgaswerten geht auch zu Lasten des Staates, weil danach die KFZ-Steuer berechnet wird. Fette Subventionen zu kassieren, zum Beispiel VW in den USA und alle Hersteller in Deutschland für die Entwicklung von Elektroautos, ist doch viel geiler!
Volkswagen schickte sich an, größter Automobilhersteller der Welt zu werden: Am meisten Autos und Fabriken, am meisten Leiharbeiter und Werkvertragsbeschäftigte, am meisten Umsatz und Profit. Die Internationale Automobilausstellung (IAA) sollte – mal wieder – die gute Stube der Automobilindustrie sein. Von Wilhelm II. über Adolf Hitler bis Angela Merkel hat noch kein_e Staatsführer_in darauf verzichtet, diese obszöne Parade zu eröffnen, so auch im September 2015 zu Frankfurt am Main. Das ist diesmal gründlich in die Hose gegangen, wenngleich die Bundeskanzlerin weitere Subventionen für den automobilen Individualverkehr zugesagt hat. Einen Tag nach der Eröffnung platzte die Bombe mit dem Werte-Betrug durch Volkswagen. Es wird sich herausstellen: Das gilt in ähnlicher Weise für alle Hersteller, bei denen die Schere zwischen Werksangaben und tatsächlichem Verbrauch und tatsächlichen Emissionen nicht nur bei Dieselfahrzeugen weit auseinander liegt (eine Tatsache, die jede_r jeden Tag beobachten kann). Als Ferdinand Piëch seinen Job als Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen antrat, verkündete er den »Krieg der Autokonzerne«, in dem er zum Sieger werden wolle.
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Grüngespült
»Spätestens im Jahr 2018 will der Volkswagen-Konzern sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht der weltweit führende Automobilhersteller sein … Wir wollen nicht nur mit unseren Fahrzeugen und Finanzkennzahlen überzeugen, sondern auch mit unserem Engagement für Klimaschutz, Ressourcenschonung und Energieeffizienz.« Die Einleitung – unterzeichnet vom (inzwischen Ex-)Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn und dem Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh – zu der im Sommer an Umweltverbände verschickten Imagebroschüre des VW-Konzerns ist vollmundig wie der Titel des 90seitigen Hefts: »Motor des Wandels. Volkswagen in der Energiewende«. Schon eine kleine Auswahl der Überschriften lässt jedes Ökoherz höher schlagen: »Grün im Alltag unterwegs«, »Demokratisierung des Niedrigverbrauchs«, »Die Entdeckung der Langsamkeit: Slow Steaming«, »Umweltbelastungen runter – und zwar messbar«, »Luft recyclen, Energie sparen«, »Weg von der Straße, rein ins Wasser«. Dann noch ein Grußwort vom Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Alles durchdacht, bis hin zum Recyclingpapier samt Blauem Engel für die Broschüre, der ökologisch arbeitenden Druckerei und der finanziellen Kompensation für die aufgrund des Drucks angefallenen 12,7 Tonnen Kohlendioxid, gezahlt an den Moorschutzfonds des Naturschutzbundes (NABU), der auf seiner Website www.nabu.de zur Zusammenarbeit mit dem Konzern schreibt: »Volkswagen erhält vor allem fundierten Rat für die umweltfreundliche Gestaltung der Unternehmenspolitik und kritische Begleitung auf dem Weg zu umweltverträglicher Mobilität und Ressourcen schonender Produktion, zum Beispiel in Fragen zu CO2-optimierten Fahrzeugflotten und umweltfreundlichen Autohäusern.« Im Gegenzug unterstützt VW NABU-Projekte wie »Willkommen Wolf« oder die »Renaturierung der Unteren Havel«.
»Think-Blue-Philosophie«, »youthinkgreen – jugend denkt um.welt« – man kommt aus dem Staunen nicht heraus, wenn man sich mit dem VW-Konzern beschäftigt. Grün, grüner, am grünsten, da möchte man glatt sein Fahrrad wegschmeißen und aufs Auto umsteigen.
»Ehrgeizige Ziele sind aber nur die halbe Miete. Entscheidend ist letztlich die Umsetzung – und dabei machen wir große Fortschritte …«, schrieben Winterkorn und Osterloh im oben genannten Vorwort. Zumindest auf dem Papier.
Klara Lindstett
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Sein Clan ist inzwischen der Öster-Reichste mit über 35 Milliarden Euro Privatvermögen.
Ein wesentlicher Grund für diesen Skandal ist die Arroganz und grenzenlose Überheblichkeit der Manager und der Großaktionäre. Die Multimilliardäre (Porsche-Piëch-Clan) und ihre millionenschweren (Ex-)Manager (Winterkorn & Co.) wähnen sich als die Herren der Welt, die nur ihren eigenen Gesetzen der Profitlogik zu folgen haben – mit Betrug und ohne Skrupel, ohne Rücksicht auf staatliche Regelungen und Gesetze, solange sie nicht erwischt werden. Mit jährlich 200 Milliarden Euro Umsatz kommt Volkswagen nahe an das Bruttoinlandsprodukt von Dänemark heran; der Profit von zehn Milliarden Euro entspricht etwa dem Staatshaushalt von Dänemark. So wird auch das Interesse von Volkswagen und anderen transnationalen Konzernen an TTIP nachvollziehbar: Lästige, die Profite mindernde Regelungen haben zu verschwinden, im Zweifel werden die Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagt.
Der Schaden wird indes immer größer, weil andere Staaten, nicht zuletzt die chinesische Regierung, die entsprechenden Abgaswerte überprüfen werden. Welch ein gigantisches Lügengebäude, wenn China als größter Emittent von klimaschädlichen Abgasen an den Pranger gestellt wird, ein Weltunternehmen wie Volkswagen jedoch durch manipulierte Abgaswerte wesentlich dazu beiträgt.
Zwei Schlussfolgerungen ergeben sich kurzfristig aus diesem Skandal:
Erstens: Die milliardenschweren Eigentümer, der Porsche-Piëch-Clan und die Katar-Holding, müssen für die Schäden aufkommen. Die Beschäftigten werden unabhängig davon unter diesem Betrug zu leiden haben, weil es sicher einen Einbruch in den Aufträgen und der Produktion geben wird – Größenordnung noch ungewiss.
Zweitens: Die weitere Massenmotorisierung ist unverträglich mit den begrenzten Ressourcen und mit der Belastung für das Klima. Es bedarf einer grundsätzlich anderen Verkehrspolitik – weg vom motorisierten Individualverkehr, hin zu einem umweltfreundlichen und kostengünstigen öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Dieser Paradigmenwechsel bedarf einer gesellschaftlichen Planung und der Mitbestimmung von Produzenten und Konsumenten.
Bei der Neuausrichtung des Vorstandes wäre dieser Paradigmenwechsel möglich gewesen, zumal die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat ausnahmsweise die Mehrheit hatte. Es muss jedoch bezweifelt werden, dass der inthronisierte neue Vorstandsvorsitzende, der bisherige Porsche-Vorstand Matthias Müller, dieser gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Verantwortung nachkommen kann.
Wer zahlt für den Betrug bei Volkswagen? Nicht wenige Beschäftigte von Volkswagen geraten in Panik und plädieren dafür, auf Entgelt zu verzichten um Volkswagen zu retten beziehungsweise, ganz solidarisch, die Leiharbeiter weiter zu beschäftigen.
Das kleine 1 x 1 der Ökonomie zwingt jedoch andere Schlussfolgerungen auf:
Es werden immer nur so viele Menschen beschäftigt, wie entsprechend der Nachfrage benötigt werden. Eine mögliche Stellschraube ist die Arbeitszeit! Wenn die Nachfrage sinkt, kann man Personal abbauen oder die Arbeitszeit verkürzen. Dafür gibt es verbindliche Vereinbarungen bei Volkswagen und supergute Erfahrungen!
Außerdem: Das Unternehmen hat in den zurückliegenden acht Jahren ungefähr 60 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet – hauptsächlich an den Porsche-Piëch-Clan und an den Terrorstaat Katar. Diese sind zur Kasse zu bitten! 60 Milliarden Euro für die, die sowieso schon zu den Superreichen zählen und mit ihrem Reichtum nur die Finanzspekulation antreiben.
Also: Bevor eine Verzichtsorgie losgeht, den Kopf einschalten und die Eigentümer, die von den Betrügereien profitiert haben, zur Kasse bitten, nicht das Land Niedersachsen, nicht die Städte mit den VW-Werken und nicht die Beschäftigten!
So gewendet, birgt dieser Skandal, wie jede Krise, Chancen und Risiken. Es liegt an den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften, an der Linken, an der internationalen Solidarität und an globalen Klimaallianzen, ob diese Chancen genutzt werden. Die Alternative dazu wäre eine Marktbereinigung zu Lasten von hunderttausenden Beschäftigten und zu Gunsten der verbliebenen Autokonzerne.