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Titel2017

Der Club der maroden Dichter  (Thomas Rothschild)

Matthias Biskupek hat in Ossietzky (17/2017) auf die Sprachkraft des PEN-Generalsekretärs aufmerksam gemacht. Biskupeks Beobachtung ist kein Einzelfall. Die neue Präsidentin Regula Venske ist auf dem besten Weg, den deutschen PEN mit Hilfe ihres Generalsekretärs Carlos Collado Seidel in die völlige Bedeutungslosigkeit zu manövrieren. Was, wenn nicht die Sprache, unterschiede eine Schriftstellervereinigung von verdienstvollen Organisationen wie Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen? Auf der Website des PEN-Zentrums Deutschland werden zu gegebenem Anlass Verlautbarungen veröffentlicht, die von der Präsidentin und dem Generalsekretär, manchmal auch nur von diesem, unterzeichnet sind. Sie dokumentieren deren heldenmütigen Kampf mit der Grammatik, in dem sich ihr schiefes Denken manifestiert. Da heißt es:

»Der deutsche PEN stimmt mit der Zielabsicht des vorliegenden Gesetzentwurfes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzDG) überein.« Er stimmt nicht etwa zu, sondern er stimmt mit der Zielabsicht überein wie ein Briefformat mit den Vorschriften der Post.

 

Oder: »Der deutsche PEN teilt die Sorge vor einer prophylaktischen ›overblocking‹-Praxis und fordert eine Regelung für die Entsperrung von strafrechtlich nicht relevanten Inhalten.« Er teilt nicht etwa die Sorge über eine oder wegen, sondern vor einer Praxis.

 

Oder: »Das Auslieferungsbegehren ist unserer Überzeugung nach allein politisch motiviert aufgrund der kritischen Haltung Doğan Akhanlıs gegenüber dem gegenwärtigen türkischen Regime sowie seines Einsatzes für das Erinnern an den Völkermord gegen die Armenier im Jahr 1915, ein Verbrechen, das in der Türkei nicht als solches bezeichnet werden darf.« Motiviert aufgrund, nicht etwa von oder durch, Völkermord gegen, nicht etwa an.

 

Oder: »Thematisiert wurden [sic!] unter dem Titel ›Warum ich nicht schweige‹ die Herausbildung eines Konsenses innerhalb der deutschen Gesellschaft in der Bewertung und der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den vom NS-Unrechtsstaat ausgegangenen Verbrechen.« Die Verbrechen sind in diesem Satzungetüm vom NS-Unrechtsstaat ausgegangen, nicht etwa verübt worden. Und was den Konsens angeht: offenbar ist dem deutschen PEN nicht bekannt, was die AfD in Turbulenzen versetzt.

 

Oder: »Eine Buchmesse steht für eine Vielfalt der Meinungen ebenso wie für die Toleranz gegenüber der Meinungsvielfalt. (…) Die Frankfurter Buchmesse darf gerade jenen keinen Platz einräumen, die Toleranz mit Füßen treten.« Das ist nicht sosehr sprachlich wie inhaltlich Nonsens. Abgesehen davon, dass der Hinweis auf »Toleranz gegenüber der Meinungsvielfalt« ein fragwürdiges Argument für das Verbot einer rechtsradikalen Veranstaltung ist – »Keine Toleranz gegenüber den Gegnern der Toleranz« war die Argumentation, mit der man das KPD-Verbot und den Radikalenerlass begründet hat, man sollte vorsichtig sein, wenn man ihm Kredit verschafft: der PEN sollte sich lieber auf die Auseinandersetzung mit intoleranten Positionen und Personen, zum Beispiel mit AfD-Mitgliedern in den eigenen Reihen, konzentrieren als auf Verbotsforderungen –, stellt die Deklaration absurde Behauptungen auf, als gäbe es in Peking, Teheran oder Riad keine Buchmessen, die diese allgemeine Aussage der Lächerlichkeit preisgeben. Wie sooft in der politischen Rhetorik, wird das Erwünschte als Tatsache formuliert. »Eine Buchmesse« steht, sieht man sich in der Welt um, eher ausnahmsweise für Toleranz gegenüber der Meinungsvielfalt. Aber der PEN weiß ja auch ganz genau, welche »unsere Gesellschaft bereichernden Leitbilder« in Schulen und Kitas vertreten werden – als gäbe es unter deren Leitern und Erziehern keine AfD-Anhänger. Und weiter geht’s im Buchmesse-Text: »Das Exil deutscher Autoren nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist Mahnung und Auftrag zugleich.« Das Exil als Auftrag? Na servus ...

 

Da bleibt dann nur die Flucht in die Phrase mit eigenwilliger Zeichensetzung: »›[…]Gerade weil wir das Recht auf freie Meinungsäußerung als hohes Gut, ja, Grundlage der Demokratie wertschätzen, sagen wir: ˃Wehret den Anfängen!˂‹ So Regula Venske, Präsidentin des deutschen PEN und Mitglied im Präsidium von PEN International.« Zu spät. Das PEN-Zentrum Deutschland ist längst über die Anfänge hinaus. Das Ende ist in Sicht. Mit derlei Phrasen nähert sich die »Präsidentin des deutschen PEN und Mitglied im Präsidium von PEN International«, dem internationalen PEN an, der so sehr mit der Kundmachung seiner Aktivitäten beschäftigt ist, dass er nicht dazu kommt, nach Ergebnissen zu fragen, und die eigene Wirkungslosigkeit trotzig zu einem halben Sieg uminterpretieren muss.

 

Die rund 800 Mitglieder des deutschen PEN, die durch Sätze wie die oben zitierten repräsentiert werden, scheint das indes nicht zu stören. Es bieten sich drei Erklärungsmöglichkeiten an: Entweder sie lesen die Verlautbarungen der von ihnen gewählten Funktionäre nicht; oder sie verfügen über ebenso wenig Sprachkompetenz wie diese; oder es ist ihnen alles egal. Das wäre ein Jammer. Denn ein angesehener und effektiver PEN, der mehr vorzuweisen hat als (schlechte) Rhetorik, wäre angesichts der zunehmenden Verfolgung von Schriftstellern in aller Welt und der wachsenden Bedrohung der Freiheit des Wortes dringlicher vonnöten denn je.