Immer wieder wird gefragt, wie gegenwärtige Umbrüche in der Sprache deutlich werden. Ganz gewiss hat dies mit dem allgemeinen Volkswohl, dem speziellen Volksgemüt, der wirklichen Volksnähe und natürlich der Volkswahl zu tun. Damit dies auch für Germanisten verständlich bleibt, formulieren wir: Wie hältst Du‘s mit der sprachlichen Seins-Strukturierung? Dazu bemühen wir ein dialogisches Zitat aus den Urgründen der Volkssprache:
»Morschn gommd gee Gewidder.«
»Wersn Geege?«
In einem solchen Dialog scheint die Klimaveränderung auf, auch wenn sie durchweg zukunftsweisend daherkommt. Weder Tsunami noch Vulkanausbruch, kein Hurrikan und kein Tornado sind zu erwarten, nicht mal ein Gewitter. Jeder, der auch nur einen Funken Optimismus in sich spürt, weiß: Gegen Klimawandel hilft die Klima-Anlage.
Die kraftvolle Feststellung aber wird durch eine Frage konterkariert. Die Antwort auf das gesellschaftliche Sein ist immer nur eine Frage. Eine die uns stets neu umtreibt. Die nach Geege. Von dem weiß man nichts, man kennt nicht sein Alter, seine Herkunft. Man weiß nur, dass er wieder kommt. Doch hat dieser Geege Eltern und Gene, Vermögen und eine duale Ausbildung? Ist er übers Mittelmeer geschwommen? Klopft er an die Türen der Fernsehstationen? Ist er heute hier, morgen da, ist er registriert? Wovon lebt er? Hat er nahe oder entfernte Verwandte? Wie groß ist die Entfernung zu denen? Geege bricht in unser Dasein ein, wir wurden nicht gefragt. Wir können immer wieder nur hartnäckig, mit leichter Hebung auf der vorletzten Silbe feststellen: »Wersn Geege?«
Kommen wir zur sprachlich ganz speziellen Formung dieser Seins-Strukturierung. Wir finden sie in einer exakt bestimmbaren Gegend vor; sie wird in landschaftlich gebundener Umgangssprache ausgeführt. Nicht in München oder Berlin, nicht in Paris oder gar Timbuktu spricht man so. Das Morgen heißt nämlich nicht überall geerdet: »Morschn«. So spricht man in Dörfern die Krauswitz oder Oberoderwitz, Neugersdorf oder Alt-Kötzschenbroda heißen. Dort, wo Menschen ihre Ursprachkraft noch nicht verloren haben, wo sie die drängende Frage »Wersn Geege?« immer und wieder aufwerfen. Die Grammatik als Fremd-Wort spielt hier keine Rolle, da wird nicht mit arabischen Ziffern oder lateinischen Kommata gearbeitet, nicht einmal einen deutschen Beistrich benötigt man. Die Dinge sind Dingwörter, und Bewegung drückt sich in Tätigkeitswörtern aus. Und die Frage an die Herrschenden, die Abgehobenen, die Fein- und Fürsprecher heißt immer und immer wieder nur: »Wersn Geege?«