Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die verschiedenen Formen der »gegenderten« Schreibweise häufig auf Unverständnis oder Kritik stoßen oder für eine Albernheit gehalten werden, die überdies das Lesen der Texte erschwere. Ich war auch immer mal wieder versucht, zu den ersten Formen der feministischen Modernisierung zurückzukehren und von Leserinnen und Lesern, Studentinnen und Studenten et cetera zu schreiben, was vor Jahren zunächst auch auf Unverständnis stieß, inzwischen aber als weniger anstößig gilt.
Vor der Sternchen-Schreibweise gab es noch das Binnen-I, dann den Gender_Gap. Das * wurde eingeführt, um auch jener wohl kleinen Minderheit von intersexuellen Individuen gerecht zu werden, die eben von ihrer physisch hormonellen Ausstattung her »weder Männlein noch Weiblein« zugeordnet werden können, ohne ihnen Gewalt anzutun.
Ich weiß, dass political correctness im Sprachgebrauch gesellschaftliche Verhältnisse nicht ändert und auch Diskriminierungen nicht beseitigt. Es handelt sich allenfalls um einen Denkanstoß, einen kleinen Stolperstein, eine Provokation. Und ich hege den Verdacht, dass die Emotionalität, mit der kürzlich ein Ossietzky-Leser auf das * reagierte, das er gar als »widerwärtig« empfindet, für sich genommen schon Grund genug ist, beim Sternchen zu bleiben. Der Leser appelliert an das Abstraktionsvermögen der Leser*innen und beruft sich auf Daniela Dahn (»Gendern«, Ossietzky 19/2016). Die Alternative wäre dann, künftig von Lesenden, Studierenden, Arbeitenden, Beschäftigten und so weiter zu reden und zu schreiben, immer dann, wenn die Geschlechtszuordnung keine inhaltlichen Gründe hat. Und ganz abgesehen vom Sprachgebrauch: Was spricht dagegen, sich einmal eine Welt vorzustellen, in denen körperliche Merkmale und Ausstattungen insgesamt grundsätzlich als unerheblich betrachtet würden und deshalb auch nicht zum Ausgangspunkt von Hierarchisierungen und Diskriminierungen genommen werden könnten? Utopisches Denken – gewiss. Doch seit wann haben radikaldemokratisch gesonnene Menschen etwas gegen Utopien?
Sternchen hin oder her: Nachdenklich machen sollte den empörten Leser, dass emotionale Reflexe gegen die ihm lästige Schreibweise auch von jenen geteilt werden, die gegen Feminismus und gegen »die 68er« zu Felde ziehen, gegen Schwule und Lesben, die nun der Vater-Mutter- Kinder-Familie und dem althergebrachten Ehe-Modell das Monopol auf staatliche Förderung zu nehmen scheinen. Die Reden der Meuthens und Höckes von den »versifften 68ern« sollten nicht über- aber auch nicht unterbewertet werden. Und deshalb habe ich beschlossen, weiterhin das Sternchen des Anstoßes zu benutzen, auch wenn ich mir der damit verbundenen Inkonsistenzen durchaus bewusst bin.
Zur Vorgehensweise der Redaktion siehe Ossietzky 19/2016.