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Titel2018

Antworten

Horst Seehofer, Waisenknabe auf der Suche nach Familie. – »Mutter aller Probleme« sei die Migration, haben Sie erklärt, und als »Vater des Erfolgs für die CSU, für Bayern und für Deutschland« priesen Sie am 3. Oktober, seinem 30. Todestag, den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Wir sind gespannt, welche Familienmitglieder mit welchen abenteuerlichen Geschichten Sie in den nächsten Wochen noch um sich scharen werden.

 

Gayle Tufts, Deutsche mit US-amerikanischem Migrationshintergrund. – Sie haben die Prüfung bestanden und sind erfolgreich Deutsche geworden. Zuvor haben Sie sich viele Jahre lang gefragt, warum in der Berliner U-Bahn immer eine weibliche Stimme nach einem weltberühmten Naturwissenschaftler ruft: »Einstein bitte, Einstein bitte!« Nun haben Sie das Rätsel gelöst. Glückwunsch zur Einbürgerung!

 

Bayerische ehrenamtliche Flüchtlingshelfer*innen. – Statt zu vier regionalen Konferenzen sind Sie am 3. Oktober zu einem gemeinsamen Gipfeltreffen in München zusammengekommen. Ihre Forderungen an die bayerische Staats- und die deutsche Bundesregierung: Abschaffung der Ankerzentren, transparente Asylverfahren und Arbeitserlaubnis für Geflüchtete. Außerdem dringen Sie darauf, dass die Erfahrungen der Flüchtlingshelfer*innen in die Asylpolitik einfließen. Dafür suchten Sie den Schulterschluss mit anderen Menschen, die sich für eine offene und solidarische Gesellschaft einsetzen. Erneut gingen 40.000 an diesem Tag in München auf die Straße. Schön, dass Sie dabei waren.

 

Literaturkenner in München, gegen den bayerischen Sicherheitswahn. – Mit Ihrem Pappschild wiesen Sie bei der Demonstration am 3. Oktober auf eine herbe Bildungslücke des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann hin. »Orwell war Schriftsteller und kein Sicherheitsberater«, gaben Sie ihm zu bedenken. Dem Kultusministerium könnte man empfehlen, Ihren Hinweis in den Lehrplan für den Literaturunterricht aufzunehmen.

 

Wolfgang Schäuble, Einheitsredner. – Beim Festakt zum Tag der Einheit in der Berliner Staatsoper haben Sie den Deutschen ins Gewissen geredet. Anderen zu helfen, sei die einzig christlich-abendländische Haltung, sagten Sie. Hilfe für Flüchtlinge beispielsweise. Jedoch mahnten Sie gleich anschließend, es damit nicht allzu genau zu nehmen: »Wer das Perfekte anstrebt, endet in der Diktatur.« Halten Sie also das Verbot von Seenotrettungsaktionen im Mittelmeer für ein Programm zum Schutz unserer Demokratie?

 

Oberlandesgericht Düsseldorf. – Blanke Empörung hat Ihre Entscheidung hervorgerufen, die es Hartmut Hopp, dem früheren »Arzt« der Colonia Dignidad in Chile, erlaubt, weiterhin unbehelligt in Deutschland zu leben. Nach dem Tod des Diktators Pinochet wurden den Betreibern der Foltersiedlung grausame Verbrechen nachgewiesen. Hopp wurde 2004 von einem chilenischen Gericht wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Vergewaltigung zu fünf Jahren Haft verurteilt, der Oberste Gerichtshof in Santiago de Chile bestätigte das Urteil 2013. Hopp war jedoch schon 2011 nach Deutschland geflüchtet. Als deutscher Staatsbürger wurde er nicht ausgeliefert. Das Landgericht Krefeld entschied 2017, dass das Urteil des chilenischen Gerichts in Deutschland vollstreckt werden kann. Diese Entscheidung haben Sie jetzt mit der Begründung aufgehoben, die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten seien »in Deutschland nicht strafbar«. Das erinnert stark an die schier unbegrenzte Nachsicht von Seiten deutscher Richter, auf die NS-Täter in den frühen Jahren der Bundesrepublik rechnen konnten. Wollen Sie dahin zurück?

 

Patrice Bessac, französischer Kommunist. – Als Bürgermeister der Gemeinde Montreuil bei Paris bemühen Sie sich seit Jahren um eine menschenwürdige Unterbringung von 150 Arbeitsimmigranten aus Mali, die in einem baufälligen und gesundheitsschädlichen Wohnheim einquartiert sind. Nachdem die 2013 von Seiten des Wohnheimbetreibers bis 2018 zugesagte gründliche Sanierung des Heims nicht erfolgt ist, verfügten Sie per Erlass die Beschlagnahme des Gebäudes der staatlichen Agentur für berufliche Erwachsenenbildung (AFPA), das seit drei Jahren leer steht. Gemeinsam mit den 150 Arbeitern besetzten Sie in aller Frühe das riesige Bürogebäude, in dem erst ab 2024 der Nationale Gerichtshof für Asylrecht und das neue Handelsgericht der Stadt untergebracht werden sollen. Als »Alarmschrei« wollten Sie Ihre Aktion verstanden wissen, weil Sie als Bürgermeister nicht mehr akzeptieren können, dass die Leute unter solchen Bedingungen leben müssen. »Ich hoffe, dass alle verstehen, dass dies eine Gelegenheit ist, ein Problem auf humane Weise zu lösen«, erklärten Sie. Wenn doch viele Bürgermeister, nicht nur in Frankreich, sich bei ähnlicher Gelegenheit mit ähnlichem Nachdruck für eine humane Lösung des Problems einsetzen würden!