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Titel2109

Angepaßte Medien (in Italien)  (Susanna Böhme-Kuby)

Die Freiheit der Presse sinkt langsam in sich zusammen. (Carl von Ossietzky)

Die große Demo für die geschundene Pressefreiheit in Italien, die am 3. Oktober in Rom Hunderttausende vereinte, wurde auch in deutschen Medien erwähnt; in Italien hielt sich die Berichterstattung darüber in engen Grenzen. Das gilt auch für den achtstündigen Streik der Metallarbeiter am 9. Oktober, der in fünf Städten ebenfalls Hunderttausende auf die Straßen trieb. Das Beschweigen von Realität ist zu einem Hauptinstrument der Meinungsmache und damit der politischen Herrschaft geworden – nicht nur in Italien.

Hier allerdings, wo zumindest Teile der sogenannten bürgerliche Presse, soweit sie noch nicht zu Berlusconis Meinungsimperium gehören, doch noch versuchen, eine Kontrollfunktion gegenüber der dominierenden Macht auszuüben, steht man zunehmend sprachlos vor der Auflösung elementarer politischer Solidarität unter den Journalisten selbst. Auch das erinnert an die Endphase der Weimarer Republik, als Ossietzky 1932 bemerkte: »Das ist das Erschütternde an dem gegenwärtigen Zustand: nicht der Faschismus siegt, die andern passen sich ihm an. (…) In so entscheidenden Phasen wie heute kommt es nicht auf Angleichung und Schutzfärbung an, sondern auf die Herausarbeitung des konsequenten Gegentyps der herrschenden Mächte.«

Der Mailänder Corriere della Sera, dessen besonnener Chefredakteur De Bortoli bisher Berlusconi widerstand, übt sich nun zunehmend im Kotau vor dem einschüchternd um sich schlagenden Ministerpräsidenten. Durch die jüngst ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichts, das Gesetz, das ihm Immunität gewährte, für verfassungswidrig zu erklären, ist Berlusconi zwar irritiert, aber auch nicht mehr. Die Demokratische Partei fordert nicht seinen Rücktritt, sondern will ihn lieber »politisch« bekämpfen – was sie längst hätte tun sollen. Inzwischen beschleunigt der Regierungschef seine Bestrebungen, »linke« Kritiker mundtot zu machen, zu denen er neben den letzten resistenten Journalisten auch die Richterschaft zählt. Seine längst angedrohte Justizreform steht vor der Tür.

Die römische Tageszeitung Repubblica, neben dem Corriere die größte im Lande, die Berlusconi tagtäglich auf die Finger klopft und ihm einen bisher unbeantworteten Fragenkatalog vorhält, wird von ihm inzwischen mit schweren Unterlassungsklagen belegt und als »kommunistischer Rädelsführer« diffamiert. Der Chef des Corriere distanzierte sich daraufhin am 10. Oktober in peinlicher Weise von der Repubblica – worauf der Gründer der Repubblica, Scalfaro, der als Doyen des italienischen Journalismus gilt, in seinem Leitartikel vom 11. Oktober diesen Affront anprangerte und nicht ohne Bitterkeit feststellte, die Opposition halte gegenüber den immer bedrohlicheren Attacken auf die Säulen der Demokratie nicht mehr zusammen. Ob das nicht letztlich auch eine Folge der marktwirtschaftlichen Konkurrenz unter den Zeitungen ist, die Barbara Spinelli, die kluge Leitartiklerin der Turiner Zeitung La Stampa, kürzlich in Erinnerung rief? La Stampa gehört zum FIAT-Konzern, Repubblica zur Espresso-Mediengruppe von Carlo De Benedetti, dem einstigen Olivetti-Chef, der Corriere zum Medienkonzern RCS, an dem mehrere Großindustrielle beteiligt sind. Da klopft Berlusconi jetzt vernehmlich an die Tür, denn seine Machtstellung im Fernsehen reicht ihm nicht. Nachdem er sich durch den Erwerb des Verlags Mondadori schon viele Zeitschriften angeeignet hat, greift er nun nach der Tagespresse; sein Bruder gebietet schon über Il Giornale, ein Hetzblatt.