Frank-Walter Steinmeier, erfahrener Reformarchitekt. – Für die Lösung des Griechenlandproblems empfehlen Sie ein in Deutschland vorexerziertes Modell: Eine externe Treuhandanstalt soll ermächtigt werden, das griechische Staatsvermögen zu verwalten und zu privatisieren. Die Unternehmensberatung Roland Berger hat schon gedankliche Vorarbeit dafür geleistet: Griechische Autobahnen, Flughäfen und Seehäfen könnten in eine Holding eingebracht und unter Regie dieser Treuhandanstalt verkauft werden. Wenn die Griechen ihre Olivenbäume behalten, ist für blühende Landschaften gesorgt.
Marina Weisband, geschäftsführende Piratin. – Ins »Links-Rechts-Schema« wollen Sie Ihre im Rating immer besser benotete Partei nicht einordnen; aber demnächst mitregieren ganz gern; in welcher Partnerschaft, das müsse noch über »liquid feedback« geklärt werden. Wie so vieles, was Ihr aufstrebendes politisches Unternehmen anbietet. Das Liquide hat es Ihnen angetan, eine »liquide Demokratie« sei das Ideal Ihrer Partei, sagen Sie. Aber verflüssigt ist doch schon so manche im Grundgesetz versprochene Substanz. Oder bereits verdampft. Anmerkung für die Netzmuffel unter den Leserinnen und Lesern von Ossietzky: Liquid feedback ist eine Software, mit der bei den Piraten Diskussionen geführt, Anträge eingebracht werden und darüber entschieden werden soll. Dieses innerparteiliche »Betriebssystem« steckt in dem Dilemma zwischen zwei piratistischen Idealen: Soll es transparent mit Klarnamen genutzt werden? Dann bietet es Material für die bekämpfte Ausspähung von Daten im Internet. Soll man es kontrollfrei anonym nutzen dürfen? Dann sind Abstimmungen manipulierbar. Ein Ausweg könnte sein: Die neue Partei läßt einfach offen, wofür und wogegen sie ist, dann muß nicht ausgewiesen und gezählt werden, wer welchen Beschluß wünscht.
Sigmar Gabriel, Finanzexperte. – Die Banken dürfen nicht als »Paralleluniversum« angesehen werden, haben Sie gefordert; wenn der Staat ihnen frisches Geld verschaffe, müsse er sie notfalls verstaatlichen, »vorübergehend«. Eine Drohung? Ach was, die Finanzwelt wird Ihnen dankbar sein: Banken zeitweise in staatliche Regie zu nehmen ist eine probate Methode, das private Kredit- und Spekulationsgeschäft funktionsfähig zu halten. Auch in Deutschland wurde das schon in großem Stil praktiziert, Anfang der 1930er Jahre. Da gingen wegen der Weltwirtschaftskrise die Dresdner Bank und die Commerzbank für einige Jahre in die Hände des Staates über; sie wurden reprivatisiert, als der Profit wieder floß. Befristete Sozialisierung – zum Wohle des Finanzkapitals.
Thomas de Maizière, Bundesminister für sogenannte Verteidigung. – Zehn Jahre nach Beginn des Krieges in Afghanistan haben Sie »strategische Geduld« eingefordert: »Es ist leichter, auf einen Baum zu klettern, als wieder herunterzuklettern.« Ein volkstümliches Sprachbild – fast könnte man die beim Hinauf- wie auch beim Hinunterklettern entstehenden Schäden vergessen. Jedenfalls wird sich die Beteiligung der Bundeswehr an dem Krieg, so müssen wir Sie verstehen, noch lange hinziehen. Über den bekletterten Baum haben Sie wohlweislich gar nicht gesprochen, der steht nicht unter Naturschutz.
Christine Haderthauer (CSU), bayerische Sozialministerin. – Ihnen verdanken wir die erste plausible Erklärung für das flegelhafte Verhalten Ronald Pofallas gegenüber seinem Parteifreund Wolfgang Bosbach. In einer Gesprächsrunde des ZDF antworteten Sie Maybritt Illner auf eine entsprechende Frage: »Das ist die Existenzialität der Situation.« Dem Satz werden Flügel wachsen.
Harald Range, einst im Göttinger Kreistag. – Sie haben eine steile Karriere hinter sich: als Richter in Lüneburg und Osterode, als Staatsanwalt in Göttingen, als Leiter der Strafrechtsabteilung im Niedersächsischen Justizministerium und zur Zeit noch als Generalstaatsanwalt in Celle, und nun soll sie mit dem Amt des Generalbundesanwalts gekrönt werden. Dafür waren Sie nach dem inzwischen gescheiterten Vorzugskandidaten Johannes Schmalzl zwar nur zweite Wahl, doch nun sollen, geht es nach der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), sowohl Ihre FDP-Treue als auch Ihre vielfältigen juristischen Erfahrungen belohnt werden. Darüber hinaus haben Ihre ehemaligen Grünen-Kreistagskollegen auf besondere Merkmale bei Ihnen hingewiesen: »Als Vertreter der altliberalen Schule der Nachkriegs-FDP, in der rechte Gesinnung fast zum guten Ton gehört«, habe der Kandidat Range »bereits damals auf dem rechten Auge unter Kompletterblindung gelitten«, und auch bei der Generalstaatsanwaltschaft in Celle habe er »mit vorgespielter Unkenntnis der Situation zum Rechtsextremismus reagiert«. Solche Merkmale, darf man schließen, sind an höchster Stelle der bundesdeutschen Justiz offensichtlich wieder gefragt. Die Neonazis können sorglos weitermarschieren.
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. – Nach dem Verlust Ihres Doktorgrades und Ihres Ministeramtes haben Sie nun bei einer renommierten Denkfabrik in Washington einen neuen Job angetreten. Ihr offizieller Titel dort ist »angesehener Staatsmann«. Wie ehrenvoll. In Deutschland waren Sie am Ende ein zu genau angesehener Staatsmann.
Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin Auswärtiges Amt. – Am 30. September übergab das Berliner Klinikum Charité die Schädel von 20 während des großen Aufstandes von 1904 bis 1908 getöteten Herero und Nama an eine eigens dazu aus Namibia angereiste Delegation. Die sterblichen Überreste der getöteten oder in Konzentrationslagern gestorbenen Aufständischen waren zwecks fragwürdiger wissenschaftlicher Untersuchungen damals nach Deutschland verschleppt worden. Ihnen als Staatsministerin wurde die Aufgebe zuteil, den Vertretern der enteigneten und fast ausgerotteten Stämme den Standpunkt der Bundesregierung zu übermitteln: Für die unter der damaligen Deutschen Reichsregierung verübten Verbrechen werde es weder eine Entschädigung oder Wiedergutmachung noch eine Entschuldigung geben. Nachdem ihre Rede von Buhrufen aus dem Publikum bedacht wurde, verließen sie erzürnt die Zeremonie. Besser als durch diese Brüskierung ihrer namibischen Kollegen hätten sie die Kontinuität deutscher Außenpolitik gegenüber den Völkern Afrikas nicht offenlegen können.
Hartmut Ostrowski, demnächst Frührentner. – Ihren Job als Chef des Bertelsmannkonzerns wollen Sie vorzeitig aufgeben, mit 53 Jahren. Wegen Erschöpfung, heißt es, Sie seien nicht mehr voll belastbar. Möglicherweise befinden sich manche MitarbeiterInnen Ihres Unternehmens in ähnlicher Verfassung. Aber wohin mit ihnen? Soviel Platz ist ja nicht im Aufsichtsrat, in dem Sie Ihren Ruhesitz bekommen.