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Titel2112

Die veritable Revolution  (Otto Köhler)

»Bramarbas oder der großsprecherische Offizier« ist der Titel einer Komödie des dänischen Dichters und Historikers Ludvig Holberg (1684-1754) – sie handelt von der Aufgeblasenheit seiner Zeit. DCB ist die Abkürzung für den Berliner Drachenflieger Club. Und beides zusammen ist der führende Bellizist des europäischen Kontinents Daniel Cohn-Bendit – der sich gern DCB nennt. Er war einer der glühendsten Befürworter unserer letzten Kriege gegen Jugoslawien. Stärker und früher noch als sein Freund Joseph Fischer, der im Fernsehen Fußball guckte und dabei mit den übrigen Außenministern der NATO am Telefon die nächsten Bombenziele aussuchte (s. Ossietzky 21/07). Ähnlich begeistert war Bramarbas Daniel Cohn-Bendit »vom deutschen Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954, neun Jahre nach Kriegsende, der es wieder möglich machte, von Deutschland anders zu sprechen als von einem besiegten Land.«

Dieser DCB hat am westdeutschen Einheitsfeiertag im Berliner Haus der Kulturen der Welt eine Kampfschrift vorgestellt, in der er, also das »Imperium Europa«, dem Rest der Welt den Krieg ansagt.

Das 141-Seiten-Ding heißt »Für Europa!«, nennt sich »Ein Manifest« und wurde von Cohn-Bendit unter Beihilfe des neoliberalen Ultra und ehemaligen belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt in die Welt gesetzt.

»Werden wir nicht mutlos«, muntert das Manifest seine Leser auf und fährt fort: »Erlauben wir diesen Geistern nicht wieder überhandzunehmen.« So kommandiert Cohn Bendit in seinem unverkennbaren, bürokratischen Revoluzzerstil auf Seite 37 und sagt dann auch, was er damit meint: die bewährte totalitarismustheoretische Identifikation von »Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus« als nicht unterscheidbare »Feinde der Freiheit«. Jener Freiheit, die gegenwärtig nach Syrien getragen werden soll.

Aber Dany kann auch harmlos sein. Auf der Manifest-Seite 40 erläßt Cohn-Bendit den fettgedruckten Befehl an seine Leser: »Laßt uns den Männern und Frauen, die Europa gemacht haben, ein Denkmal errichten.« Unter seinen Schwarmidolen ist allerdings keine einzige Frau, es sind ausschließlich männliche Heroen: »Die Helden, die die Europäische Union geschaffen haben. Die Helden, die dem nationalistischen Wahn ein Ende gemacht haben: Monnet, Schumann, Adenauer, Spaak, de Gasperi und auch Spinelli, der Vater der europäischen Demokratie« – der kommunistische Renegat unter diesem Feinschmeckersortiment Kalter Krieger von damals. »Laßt uns sie ehren«, befiehlt Cohn-Bendit, Amen.

Aber der Ästhet hat in seinem Europäischen Manifest einen noch angemesseneren Vorschlag. »Könnten wir nicht ihre Porträts auf unsere Banknoten drucken lassen? Das wäre jedenfalls besser als die matten, mickerigen Scheine von heute.«

Ja: »Eine radikale Umwälzung ist nötig.« entdeckt der Wortgewaltige: »Eine veritable Revolution.«

Auf Seite 129 läßt Cohn-Bendit endlich Sinn und Zweck seines Manifestes und seines »europäischen Patriotismus« heraus. Hiwi Verhofstadt stellt zunächst zum Thema »Verteidigung« für die Staaten Europas fest: »Wir können operationell nur ein Zehntel so viele Missionen« – Missionen, sagt er – »durchführen wie die Vereinigten Staaten, weil unsere Mittel zersplittert sind.« Und dann kommt DCB: »Die Lektion ist deutlich: Nur eine europäische Armee, die mobil und technologisch auf dem neuesten Stand ist, kann in Zukunft unsere Werte und unsere Unabhängigkeit verteidigen.«

Dann bläht DCB auf Seite 132 die Hinterbacken, es stinkt nach Krieg, er will eine »Armee von dreihundertfünfzig- oder vierhunderttausend Soldaten, die wenn nötig, überall in der Welt zum Einsatz kommen könnten«.

Überall in der Welt.

Daniel Cohn-Bendit, Guy Verhofstadt: »Für Europa! Ein Manifest«, Deutsch von Philipp Blom, Hanser Verlag, 140 Seiten, 8 €