erstellt mit easyCMS
Titel212013

Guido Zingerl zum Achtzigsten  (Hans Wallner)

Guido Zingerl – der Ossietzky-Leser kennt seine bissig-ironischen Karikaturen auf den letzten Seiten des Heftes und vielleicht auch aus anderen Publikationen. Doch ist dies nur ein Teil seines Schaffens. Werner Dreher in seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung »Der Tanz ums Goldene Kalb – Zingerl zum 80.«: »Jedes einzelne Bild dieses großartigen Malers und Zeichners steht für lebenslanges Erkunden, für ein unermüdliches Ringen und Kämpfen: um die Wahrheit, um den aufrechten Gang und um die Existenz. Seit mehr als 50 Jahren malt, zeichnet, illustriert und karikiert Zingerl wider die monströse Schrankenlosigkeit, wider die unersättliche Raffgier und wider den entfesselten Willen zur Macht.«

Für mich ist Zingerl einer der bemerkenswertesten Maler und Zeichner der Gegenwart. Ein großes Wort, gewiß. Doch wer schafft es schon, über Jahrzehnte hinweg das Zeitgeschehen in Zeichnungen und Gemälden kritisch zu begleiten und zu kommentieren? Und das in seinem eigenwilligen, unverwechselbaren Stil. Außergewöhnliche Sichtachsen und Fluchtlinien, schwarze Himmel, Raum sprengende und Zeiten zusammenführende Darstellungen kennzeichnen die Bilder. Mal grafisch schwarzweiß mit Tusche oder in kräftigen Acrylfarben, zuweilen mit Blattgold oder Silber unterlegt. So zeigt uns Zingerl die Ursachen und Auswirkungen einer Weltordnung, in der die natürlichen Lebensgrundlagen, die Grundrechte und die Verteilungsgerechtigkeit zum Spielball der Superreichen und Supermächtigen verkommen sind. Das Besondere an diesen Bildern ist für mich trotz aller Thematisierung unwürdiger Zustände und gesellschaftlicher Verhältnisse: Der Betrachter bleibt nicht erdrückt und resignierend zurück, sondern wird durch ironisch-witzige Wendungen und kleine heitere Details ermutigt, sich den entwürdigenden Verhältnissen entgegenzustellen. Dies ist freilich nicht die Kunst, welche sich den Mechanismen des sogenannten Kunstmarktes unterwirft, der ja ebenfalls Teil des lebensfeindlichen kapitalistischen Gesellschaftssystem und seines gewaltigen Apparates ideologischer Meinungsbildung ist. Dieser Kunstmarkt verlangt – von einigen Nischen und Ausnahmen einmal abgesehen – nach dekorativer Kunst, konform zu den herrschenden Verhältnissen. Oder sie dient lediglich als Repräsentations- und Spekulationsobjekt, von sogenannten Kunstwissenschaftlern und Galeristen dazu deklariert, oftmals ohne jegliche ästhetischer Qualität. So kommt es, daß die Arbeiten eines Künstlers wie Guido Zingerl einem breiten Publikum vorenthalten werden.

Umso mehr freue ich mich, wenn eine Institution wie das Museum Fürstenfeldbruck in seinem langjährigen Wohnort die Arbeit des Künstlers würdigt. Besonders verdienstvoll ist die Auswahl der Bilder, welche der Ausstellung den Titel gaben: »Der Tanz ums Goldene Kalb – Zingerl zum 80.« Denn damit wird eben gerade das kritische Schaffen des Künstlers gewürdigt. Der Tanz ums Goldene Kalb – das biblische Motiv maßloser und unkritischer Verehrung von Reichtum und hemmungslosen Strebens danach, die Ausrichtung der gesellschaftlichen Werteordnung auf Gewinnstreben, Machtausübung bis hin zu Krieg und Vernichtung, das ist das Leitmotiv in Zingerls kritischem bildnerischen Werk von Anfang an, und das wurde in der Ausstellung in Fürstenfeldbruck in einem sehr repräsentativen Querschnitt gezeigt. Frühen Arbeiten, zum Beispiel der Zyklus »Große Amperlandschaft« mit dem Blickpunkt Dachau als Symbol für eine unbewältigte NS-Vergangenheit, das historisch-kritische Gemälde »50 Jahre Stadterhebung – Die Stadt hat sich nicht erhoben«. Eines der Bilder, die bisher noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt worden sind und das verblüffend aktuell ist: Das Gemälde »Der Große Bruder« aus dem Jahre 1982 thematisiert Technikgläubigkeit und Datensammelwut! Ergänzend zu dem Querschnitt aus seiner gesamten Schaffenszeit zeigt uns Zingerl mit überraschend vielen neueren Arbeiten aus den letzten beiden Jahren sein eigenwillig, bissig-ironisch dargestelltes Universum.

In dem speziell für die Ausstellung geschaffenen Werk »Der Tanz ums Goldene Kalb« beißt sich der personifizierte Kapitalismus die Zähne an einer bildbeherrschenden Goldscheibe aus. Vergleichbar und auch wieder mit einer glänzenden Scheibe hinterlegt das Bild »Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt« (der Spruch wird dem Ablaßprediger Johann Tetzel zugeschrieben) zur 750jährigen Geschichte des Klosters Fürstenfeld. Ein lokaler Anlaß ist Ausgangspunkt eines weltumspannenden Themas: Durch genügend Zahlkraft werden Entscheidungsprozesse in die »richtige« Richtung gelenkt, um so Profite schneller einsacken zu können.

Doch sich selbst verschont Zingerl nicht vor seiner Ironie: »Dem ist wol hurn mit der Kunst, dem der Sack vol Gold hanget.« Hier sehen wir den Maler an den Busen der Kunst, ein pralles Weib, geschmiegt, während sich Vertreter von Macht und Kapital an diesem zu schaffen machen.

Zingerl bedauerte, daß das Motto der Ausstellung nicht zugelassen hat, eine andere Seite seines Schaffens zu zeigen, seine wunderbar poetischen Landschaftsbilder, von ihm selbst »Fluchtbilder« genannt.

Wer könnte sich und seine Arbeit besser beschreiben als Zingerl selbst in seinem zur Ausstellung und seinem 80. erschienenen Text- und Bilderbuch »Achtzig – trotz alledem und alledem« und dem gleichnamigen Gedicht:

Ich stehe vor meiner Stafflei
100 mal 120, Höhe vor Breite
ordentlich weiß grundiert
Um mich herum Farben auf einem Tisch
5 mal 5 mal 3 Kubikmeter Raum
1 Fenster im elfenbeinernen Turm

Ich suche ein Gleichnis von dieser Welt
das Abbild des Schreckens
den Albtraum der Wirklichkeit
Und inmitten dieser 9 Kreise der Hölle
der Lügen und Verfluchungen
suche ich
den winzigen Stein der Hoffnung
Verzweifele und verstumme zugleich
Will mich einschließen vor dieser Welt
Und reiß doch die Tür auf

Lasse die Welt ein
Lasse mich ein mit ihr
Und bin schon verstrickt
In Gut und Böse
In Tun und Nichttun
In Gelingen und Versagen
Und male das Bild auf weißen Grund
Und spüre
den winzigen Stein der Hoffnung

Guido Zingerl: »Achtzig – trotz alledem und alledem«, mit einem Geleitwort von Ingrid Scholz, Fürstenfeldbruck, 20 €, ISBN: 978-3-9814464-6-3, Bezug über: I. Scholz, Maisacher Straße 80, 82256 Fürstenfeldbruck