»Ein mutiger Mann hat ein großartiges Buch geschrieben« hieß es einst in der Werbung für die zweibändigen »Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts«, die Ende der 1990er Jahre unter dem Titel »Die Republik vor Gericht« von ihm erschienen. Wer ihn persönlich erlebt, der merkt schnell, dass dies keine übertriebenen Floskeln waren. Ja, er ist und war immer mutig, dieser Heinrich Hannover, der am 31. Oktober seinen 90. Geburtstag feiern kann.
Mutig war er vor allem, wenn es um den Einsatz für seine Mandanten und die Wahrung ihrer Interessen ging. Halbheiten waren nie seine Sache, es gibt immer nur den vollen Einsatz. Die Liste seiner Mandanten aus fünf Jahrzehnten anwaltlicher Tätigkeit ist nicht nur lang, sondern enthält auch zahlreiche prominente Namen. Heinrich Hannovers erste Pflichtverteidigung war die eines Kommunisten im Jahr 1954 und für ihn wohl lebensprägend. Künftig verteidigte er zu einem großen Teil Menschen, die im weitesten Sinne unter dem Oberbegriff »Linke« eingeordnet werden können. Auf diese Weise hat Heinrich Hannover die Justizentwicklung und -geschichte der Bundesrepublik entscheidend mitgeprägt. Auch wenn die Gerichte nicht immer seinen Argumenten folgten, überzeugte doch sein Einsatz für den einzelnen Mandanten und das diesem vermittelte Gefühl, nicht nur eine Pflicht zu erfüllen und »Dienst nach Vorschrift« zu machen, sondern sich aus innerer Überzeugung zu engagieren. Dabei nahm der Jurist auch in Kauf, durch die für ihn zuständige Rechtsanwaltskammer gerügt und sogar mit Geldstrafe belegt zu werden.
Im Düsseldorfer Friedenskomitee-Prozess (1959/60) lernte er Friedrich Karl Kaul aus der DDR kennen. Beide waren sich schnell sympathisch und blieben auch bis zu Kauls Tod 1981 einander verbunden. Hannover setzte als Nebenklagevertreter Kauls langjährige Tätigkeit bei der Verfolgung der Thälmann-Mörder fort.
Wer selbst anwaltlich tätig ist, kann einigermaßen beurteilen, wie viel Zeit Heinrich Hannover für den Beruf aufbringen musste, wie viel er von Gericht zu Gericht unterwegs war und wie wenig Zeit für das blieb, was ihm außerdem wichtig ist: die Familie. Trotz der großen Belastungen und Strapazen war und ist Heinrich Hannover auch immer für seine Kinder da und hat ihnen stets vermittelt, wie viel sie ihm bedeuten.
Neben der beruflichen Tätigkeit entstanden in den vielen Jahren zahlreiche Sachbücher, in denen der Anwalt auch seine persönliche politische Überzeugung zum Ausdruck brachte. Besondere Freude machen ihm selbst, aber auch seinen vielen Lesern, die von ihm geschriebenen Kinderbücher, wie beispielsweise vom »Pferd Huppdiwupp«. Sie sind für Hannover ein Ausgleich zur juristischen Arbeit, auch weil sie sich so großer Beliebtheit erfreuen. Bei einer längeren Autofahrt vor vielen Jahren sagte er mir dazu einmal mit ein wenig Wehmut: »Ich wünschte, dass meine Sachbücher ebenso sehr gefragt wären, wie meine Kinderbücher.« Um seine eigene Jugend wurde Hannover durch die Nazis betrogen. Aber seiner Heimatstadt Anklam ist er bis heute verbunden.
Nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit hat sich der bekannte Jurist keineswegs zur Ruhe gesetzt und ins Privatleben verabschiedet. Heinrich Hannover schreibt Bücher und Aufsätze, hält Lesungen und ist gern gesehener Gastreferent auf Veranstaltungen. Er gibt seine mitunter bitteren Erfahrungen mit der bundesdeutschen Justiz weiter.
Zweifellos gehört er zu den wenigen wirklich Weisen unserer Berufsgruppe, denen man mit ebenso großem Respekt wie auch Interesse begegnet. Auch nach fast 30 Jahren eigener Strafverteidigertätigkeit stelle ich immer wieder mit Freuden fest, wie viel man von ihm lernen kann. Ich wünsche mir, dass dies noch lange so bleibt. Alles erdenklich Gute, lieber Heinrich Hannover, zur Vollendung des neunten Lebensjahrzehnts.
Verlag und Redaktion Ossietzky gratulieren herzlich zum 90. Geburtstag.