erstellt mit easyCMS
Titel2116

Der Kandidat  (Johann-Günther König)

»Teddy for President!« brummt es sonor aus der Sofaecke.

 

»Nun halt mal die Luft an. Kandidaten mit einem schlichten Knopf im Ohr kommen für das höchste Staatsamt wohl kaum in Frage, auch wenn sie unbestritten diplomatische Genies sind.«

 

»Quatsch«, brummt es spitz aus der Sofaecke. »Dir sollte doch bekannt sein, von wem in der weltberühmten Plüschtierfabrik in Giengen eine Büste steht.«

 

»Ist es«, lenke ich ein. »Von Teddy, der acht Jahre lang als 26. Präsident der USA wirkte.«

 

»Seit der Taufe meines Urahns, dem an der Brenz gezeugten Bär 55 PB, brabbeln schon Kleinkinder freudig erregt Teddy!« brummt es siegessicher aus der Sofaecke. »Teddy for President!«

 

»Na ja, schaden kann die Kandidatur nicht. Ich gebe zu, die lebende Legende Teddy kann der Grand Old Party in diesem Schicksalswahljahr wahrlich nicht lieb und teuer genug sein. Womöglich werden namhafte Republikaner ihren dreisten offiziellen Präsidentschaftskandidaten sogar noch vor dem Wahltag aus dem Rennen ziehen.«

 

»Es wird höchste Zeit für einen echt in der Wolle gefärbten Kandidaten«, brummt es schallend aus der Sofaecke. »Für einen, der nicht ungerührt immer größeren Wahnsinn vom Teleprompter abliest. Schau mal ins Lexikon der Umgangssprache. Da steht schwarz auf weiß: Nur ein in der Wolle gefärbter Typ ist unverfälscht, überzeugungstreu und charakterlich absolut zuverlässig. Wer ist also die alternativlose Wahl des Vertrauens aller ungerecht behandelten Menschen und somit der Mehrheit? Teddy. Teddy for President!«

 

»Nun mal sachte.«

 

»Von wegen. Einzig Teddy ist knuddelig, herzig und vorzeigbar«, brummt es bärenstark aus der Sofaecke. »Einzig Teddy ist garantiert extrem belastbar, ausgeglichen, vorurteilslos, fair, unbestechlich und furchtlos. Einzig Teddy kann sich so natürlich tapsig und schusselig geben, wie es unentschlossene Wähler als zwingenden Nachweis tolerierbarer Schwächen erwarten. Teddy for President!«

 

»Wie wäre es mit einem Wermutstropfen? Meines Wissens litten fast alle US-Präsidenten in welcher Kombination auch immer unter Autismus, Depressionen, Schlaganfällen, Alkoholismus, Asthma, Zahnarztphobien, Krebsgeschwüren, Tuberkulose, Malaria, Polio, Typhus, Gichtattacken, Alzheimer, Bluthochdruck, Diabetes und Thrombose. Teddy kann auch nicht als kerngesund bezeichnet werden.«

 

»Stimmt schon«, brummt es leise aus der Sofaecke. »Teddy wird der gelegentliche Besuch einer irreführend als Werkstatt bezeichneten Klinik nachgesagt, die berühmt für ihre Puppensammlung ist. Aber was macht das schon, normale Verschleißerscheinungen behindern das Regieren kein bisschen. Nur zur Unzeit rauskriegen darf das selbstverständlich keiner, denn wenn schon vor den Wahlen Gerüchte die Runde machen, der Kandidat sei immobil, litte heftig unter Läusebefall und habe eine die Körperpflege erschwerende Hydrophobie, dann gute Nacht.«

 

»Wenn ich sein Kampagnenberater wäre«, entfährt es mir, »müsste Teddy vor allem seine unbedingte Verschwiegenheit in gesundheitlichen Fragen lockern. Nicht auszudenken, wenn der politische Gegner unentwegt twittern könnte, Teddy wäre blind, taub, stumm, zeugungsunfähig und hätte nur Stroh im Kopf.«

 

»Es gibt einige Milliarden Arctophile, die das niemals glauben würden«, brummt es empört aus der Sofaecke. Mit Verschwörungstheorien ist Teddy nicht beizukommen. Außerdem wird er nach dem Amtsantritt sofort mit einer zutiefst menschlichen präsidialen Leidensvariante punkten: der durch andauerndes Händeschütteln bewirkten chronischen Sehnenscheidenentzündung. Teddy for President!«

 

»Dein Wunsch in der Republikaner Ohr. Hoffen wir, dass sie ihren Trumpf, also Trump, überraschend im Ärmel lassen. Wie wäre es eigentlich, wenn Amerikas Zukunft von einer Frau gestaltet wird?«

 

»Teddy for President!«

 

»Verstehe. Mir ist die Kandidatin der Demokratischen Partei auch nicht geheuer und kuschelig genug.«