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Titel2117

Uncle Sam ist wieder da!  (Günter Buhlke)

Ja, der mit dem Big Stick und dem Zylinder in den Nationalfarben der USA. Das berühmte Bild war für Jahrzehnte als Markenzeichen der USA aus unseren Medien verschwunden. Uncle Sam schwang symbolisch einst seinen Knüppel bedrohlich gegen alle, die sich scheinbar in seinen Weg stellten. Das Markenzeichen Uncle Sam erhielt 1961 vom Senat seine offizielle Bestätigung.

 

Plötzlich, seit der Wahl von Donald Trump 2016, wurde diese Charakterfigur wieder zur Realität. Aber weshalb sind der Präsident und seine engsten Berater so, wie sie sind? Was hat ihre Persönlichkeiten geprägt? Worin wurzelt die egoistische und forsche Haltung des Präsidenten? Einen Teil der Antwort können wir vielleicht in der früheren Geschichte finden. Die Nordamerikaner verkörpern eine Summe von Lebenserfahrungen, die sie tief im Unterbewusstsein formten.

 

Ein Rückblick in die Ursprungszeiten der Formierung der Vereinigten Staaten und auf die nachfolgenden Entwicklungen des Landes könnte die Raubeinigkeit zum Teil erklären. Die Vorfahren der Nordamerikaner waren bei der kolonialen Übernahme der Indianerländer nie zimperlich. Bessere Waffen, fehlende geschriebene Indianergesetze und Grundbücher sowie eine Ordnungsmacht, die im fernen London regierte, bildeten den Rahmen. Die Siedler hatten alle Freiheiten des Handelns, gepaart mit Kampf- und Unternehmergeist, um ihre Ziele zu erreichen. Und die lauteten zunächst: Grundlagen für das eigene Leben schaffen! Egal wie. In der Neuen Welt verfügten die Kolonisten über eine beinahe ungebremste Freiheit, das zu tun, was dem persönlichen Nutzen diente. Sie nahmen einfach das Land in Besitz, ohne die Eigentümer zu fragen, und verweigerten, Steuern an das englische Königshaus in London zu zahlen. Konsequenz: Das englische Königshaus reagierte mit Waffengewalt.

 

Mit finanzieller, materieller und ideeller Unterstützung Frankreichs gewannen die 13 Kolonien die Auseinandersetzung mit der englischen Monarchie. Ihr neues Staatsmodell wurde eine Republik mit der Dreiteilung der Macht, einer Verfassung, die das Recht auf Waffenbesitz einschloss. Sie entschieden sich für eine Demokratie, die Frauen, Sklaven und Ureinwohner ausschloss. Die Bewohner des neuen Staates schufen von Null an eine staatliche Verwaltung, ein Besteuerungs- und Versicherungssystem, Schulen für ihre Kinder, eine Verkehrsinfrastruktur, was insgesamt Hochachtung in der Sache abverlangt, nicht immer in der Art des Zustandekommens. Handlungswille, Mut, Egoismus, Hartnäckigkeit waren die Grundlagen der damaligen Kolonisten, das historische Werk zu meistern. Nachfolgende Generationen der US-Amerikaner haben die Erfahrungen der Freiheit, des Handlungsmutes fortgeführt, auch das Recht, individuell Waffen zu besitzen.

 

Dass die zunächst weitgehend gesetzesfreie Lage in den 13 Kolonien nicht zur Barbarei untereinander führte, war Thomas Paine, Thomas Jefferson, Benjamin Franklin, Abraham Lincoln und anderen zu verdanken, die bei ihrer Einwanderung den Geist der Aufklärung mitbrachten. Auch solche Erfahrungen haben die Zeiten überdauert.

 

Inzwischen vergrößerten sich die Vereinigten Staaten überwiegend nach Eroberungskriegen von 13 auf 50 Bundesstaaten. Die Mehrheit ihrer heutigen südlichen Bundesstaaten gehörte bis 1847 zu Mexiko, das etwa die Hälfte seiner Landfläche verlor. Das sind verinnerlichte Erfahrungen für die Politik. Die Landerweiterungen stärkten die Wirtschaft und die Steuerkasse der USA. Im Süden der USA liegen die großen Erdölfelder und wichtige Agrarzonen des Landes. Der Charakter von Uncle Sam hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet.

 

Der US-Amerikaner lebt heute im Wirkungskreis einer profitträchtigen Großwirtschaft und benötigt mehrere Arbeitsplätze zum Überleben. Erfolgsmethoden wurden von der politischen Führung weitergeführt. Das vielfach befolgte Motto hieß: »Einfach machen, was dem eigenen Profit dient.« Die USA blieben über Jahrzehnte ein Einwanderungsland. Arbeitskräfte und geistiges Wissen, finanziert von anderen Ländern, brachten wirtschaftlichen Fortschritt für das Land. Ungezügelte Wirtschaftsentwicklungen führten zu Differenzen der Einkommen und schließlich ab Ende 1929 zur Großen Weltwirtschaftskrise. Sie erschütterte die ganze Welt. Präsident Franklin Delano Roosevelt zog die Reißleine und verordnete der Wirtschaft per Gesetz, Regeln zu beachten, um das Land vor totalem Chaos zu bewahren. Die 17 Millionen Arbeitslosen und weitere Millionen Kurzarbeiter brauchten Überlebenshilfe. Zockerbanken ließ er, ohne staatliche Hilfen zu gewähren, in den Konkurs gehen.

 

Neben der wirtschaftlichen Zügellosigkeit hat der Rassismus seit den Anfängen der USA auch den Charakter der Eliten beeinflusst. Die Sklaverei war bis zu Zeiten von Martin Luther King und ist bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet. Der Tod des Baptistenpastors und Bürgerrechtlers sowie vieler weiterer Bürger mit afrikanischen Wurzeln steht für die tragischen Auswirkungen des weit verbreiteten Rassismus.

 

Trumps Politik-»Stil« offenbart Defizite in mindestens fünf Bereichen: Konfliktlösung (durch Kriege statt Diplomatie), Regieren (durch Dekrete statt demokratische Gesetzgebungsverfahren), Gewaltenhandhabung (Gewaltentrennung statt Gewaltenteilung), Menschenrechte (welche gelten?), Demokratiestrukturen (präsidiale, repräsentative Parteiendemokratie, partizipative oder direkte Demokratie?)

 

Gegen die gegenwärtig vom nordamerikanischen Präsidenten betriebene rüde Art von Politik, gibt es in den USA und weltweit Gegenwind. Das ermutigt.

 

 

Der Autor schreibt Essays und Sachbücher zu wirtschaftlichen und politischen Fragestellungen, zuletzt ein Zukunftsbuch Deutschlands »November 2032«, Novumverlag (A). Er hat über elf Jahre die Berliner Niederlassung des Schweizer Instituts für Betriebsökonomie geleitet.