Das waren noch Zeiten, als eine kleine Schar von Linksoppositionellen um den unabhängigen Sozialdemokraten Kurt Eisner in Bayern den König stürzen und die Volksherrschaft ausrufen konnte. Heute ginge das schon deshalb nicht, weil den Linken der Mumm dazu fehlte. Kurt Eisner musste sein kühnes Unterfangen mit dem Leben bezahlen; er wurde von Rechten ermordet. Das müssen die Linken von heute nicht befürchten. Für sie steht nur das politische Überleben auf dem Spiel.
Nach 70 Jahren ging am 14. Oktober zwar in Bayern auch eine Form der Alleinherrschaft zu Ende, aber so richtig freuen kann sich ein aufrechter Demokrat darüber nicht, weil gleichzeitig die Zustimmung zu den Sozialdemokraten auf erschreckende Weise abgenommen hat. Sie verloren die Hälfte ihrer bisherigen Stimmen und landeten bei 9,7 Prozent. Auch die CSU erlebte ihr Waterloo, aber anders als das bei Napoleon der Fall war, wird sie das Land weiterhin politisch und auch sonst prägen. Von den 91 Direktmandaten gingen bis auf fünf Ausnahmen, in denen die Grünen erfolgreich waren, alle an die CSU. Die SPD konnte kein einziges Direktmandat erobern.
Für die CSU hat es sich nicht gelohnt, die AfD mit dumpfen Parolen übertrumpfen zu wollen. Ihr rhetorischer Rechtsschwenk hat mehr Wähler abgeschreckt als angelockt. Horst Seehofer lag mit seiner Behauptung, die Flüchtlingsfrage sei die Mutter aller Probleme, jedenfalls völlig daneben. Entscheidend waren laut Forschungsgruppe Wahlen vor allem die Schul- und Bildungspolitik (für 52 Prozent), bezahlbarer Wohnraum (51), Umweltpolitik (49) und die Flüchtlingspolitik mit 33 Prozent.
Die Grünen haben Umwelt- und Naturschutz in den Mittelpunkt gestellt. Damit entsprachen sie dem Zeitgeist, vor allem aber dem Lebensgefühl junger Menschen. Der Personalwechsel an der Spitze verlieh ihrem Wahlkampf neuen Schwung und ließ die SPD mit Andrea Nahles und Olaf Scholz an der Spitze dagegen alt aussehen. Den Sozialdemokraten hängt die Große Koalition als Bleiklotz am Bein. Das wird sich auch nach der Landtagswahl in Hessen nicht ändern, egal wie sie ausgeht. Gewinnt die CDU, wird die Diskussion in der SPD über den künftigen Weg offen ausbrechen; gewinnt die SPD, wird dasselbe in der CDU passieren. Bis dahin beschränken sich die Betroffenen darauf, Öl auf die Wogen zu gießen.
Der Einzug der AfD in einen weiteren Landtag spiegelt nur unvollständig wieder, wie breit der rechte Rand der Gesellschaft tatsächlich ist. In Gestalt der Freien Wähler haben Leute die Hand mit am Regierungsruder, die sich nicht wesentlich von der AfD unterscheiden. Dass die Alternative für Deutschland von den Diskussionen der jüngsten Zeit nicht wirklich profitieren konnte, ist ein ermutigendes Zeichen. Es lohnt sich, dem Rechtstrend offensiv entgegenzutreten. Auch auf der Straße. Wenn dann auch noch die Gewerkschaften aus ihrem politischen Tiefschlaf erwachten, allen voran der DGB, umso besser.
Dass die Linkspartei in Bayern überhaupt kein Bein auf die Erde gebracht hat, war zu erwarten. Ihr Erscheinungsbild wird wie das der anderen Parteien von der Beschäftigung mit sich selbst geprägt, nur mit dem Unterschied, dass das die Menschen noch sehr viel weniger interessiert. Die von Sahra Wagenknecht ins Leben gerufene linke Sammlungsbewegung machte ihrem Namen auch keine Ehre. Nirgendwo, nicht einmal während des Streits um den Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen, war etwas von »Aufstehen« zu spüren. Da scheint etwas zu verpuffen, das der Demokratie gutgetan hätte. Vielleicht sollten sich alle miteinander an das halten, was der Generalsekretär der chinesischen KP seiner Partei empfohlen hat: die Wahrheit in der Wirklichkeit suchen.