Was kann eine Kleinstadt schon bieten? Das idyllische Blankenburg hat einige touristische Sehenswürdigkeiten vorzuweisen. Highlight sind die Schlossgärten, die mit ihrem 100 Hektar großen Ensemble zu den »Historischen Gärten und Parks in Sachsen-Anhalt« gehören. Darüber hinaus kann die Stadt am Nordrand des Harzes auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken, die untrennbar mit der Geschichte des Schlosses verbunden ist. So hat Blankenburg seinen Namen von der Burg auf dem »blanken Stein« erhalten. Die Burg wurde um 1123 als Castrum blankenburch auf einem steil abfallenden Kalkfelsen von Lothar von Süpplingenburg (Herzog von Sachsen und späterer Kaiser Lothar III.) erbaut, der sie als militärischen Stützpunkt und für Gerichtstage nutzte. Unterhalb der Burg wurde dann planmäßig die Stadt errichtet, die bereits im Jahre 1305 durch eine beachtliche, 1550 Meter lange Stadtmauer geschützt gewesen sein soll. Die ältesten Gebäude der Stadt sind das Rathaus und die Bartholomäuskirche, beide im 13. Jahrhundert erbaut. Die Bewohner lebten vorwiegend von der Landwirtschaft und dem Handwerk. Feudale Fehden (unter anderem mit dem deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa), die Ereignisse des Bauernkrieges und die Wirren während des Dreißigjährigen Krieges führten zum Niedergang der Wirtschaft. Die Bevölkerung verarmte. An die Besetzung durch die Truppen Wallensteins erinnern noch heute mehrere eingemauerte Kanonenkugeln in der Fassade des historischen Rathauses. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts blühte die Stadt wieder auf, als es zu einem Aufschwung des Bergbau- und Hüttenwesens kam.
Das Schloss war über viele Jahrhunderte hinweg Residenz der Grafen von Blankenburg, ehe ab 1599 hier die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg residierten. Die heute sichtbaren Gebäudeteile stammen überwiegend aus der Zeit zwischen 1705 und 1731. Kaiser Joseph I. hatte 1707 die Grafschaft zu einem reichsunmittelbaren Fürstentum erhoben; daraufhin ließ Herzog Ludwig Rudolph (1671–1735) nicht nur das Schloss zur barocken Residenz umbauen, sondern die gesamte Anlage wurde mit einem Fürstlichen Gartenhaus (später Kleines Schloss), einer Orangerie, einem Teehaus und einem Fasanengarten für ein prunkvolles höfisches Leben erweitert. Damit entfaltete sich in dem kleinen Harzstädtchen eine üppige Hofhaltung mit glänzenden Festen, Theateraufführungen und pompösen Hofjagden.
Mit der Rückverlegung der Residenz 1731 nach Wolfenbüttel und dem Tod des Herzogs versank das Schloss wieder in der Bedeutungslosigkeit. Es diente danach nur noch gelegentlich zum Sommer- oder Jagdaufenthalt. Die Gartenflächen erhielten eine wirtschaftliche Nutzung, unter anderem wurden auf den Terrassen Obstbäume angepflanzt. Das Wild im Tiergarten wurde abgeschafft.
Ende des 18. Jahrhunderts rückte das verschlafene Blankenburg schließlich in den Fokus der Weltgeschichte. Vom 24. August 1796 bis zum 10. Februar 1798 weilte ein gewisser Graf von Lille (Comte de Lille) in der Stadt. Das war kein Geringerer als Louis Stanislas Xavier (1755–1824), der jüngere Bruder des französischen Königs Ludwig XVI., der im Zuge der Französischen Revolution 1791 abdanken musste und am 21. Januar 1793 hingerichtet wurde. Louis Stanislas Xavier, auch Graf der Provence, gelang dagegen mit seiner Familie die Flucht, die ihn über viele Stationen bis nach Blankenburg führte, wo er vor dem Zugriff Napoleons ein sicheres Exil fand, denn das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel war ein Ort politischer Neutralität. Seine Hofhaltung in Blankenburg soll rund dreißig Personen umfasst haben, darunter Sekretäre, Leibgardisten, Ärzte, Stallmeister, Köche, Diener sowie weitere Gefolgsleute.
Nach Zeiten des Verfalls wurde das Blankenburger Schloss im 19. Jahrhundert wieder instand gesetzt und entwickelte sich zu einem deutschen Adelstreff. Die Kaiser Wilhelm I. sowie Wilhelm II. zählten dabei zu den prominentesten Schlossgästen, wenn sie an den großen Jagden teilnahmen.
Auch im 20. Jahrhundert klopfte die europäische Geschichte noch einmal mächtig an Blankenburgs Tore. Friederike Prinzessin von Hannover, 1917 im Schloss Blankenburg geboren, lernte während ihres Studiums in Italien den Kronprinzen Paul von Griechenland kennen. Beide heirateten 1938 und flohen während des Zweiten Weltkrieges vor der deutschen Besatzung ins südafrikanische Exil. Nach dem Tod seines älteren Bruders Georg II. 1947 folgte ihm Paul I. auf den griechischen Thron. Als Königin von Griechenland erwarb sich Friederike viel Anerkennung beim Aufbau eines Sozialwerkes und von 51 Kinderdörfern. Ihr Mann starb bereits 1964, sie selbst ging 1974 nach der Abschaffung der Monarchie in Griechenland ins spanische Exil, wo ihre älteste Tochter Sophia 1962 den spanischen Thronfolger Juan Carlos geheiratet hatte. Friederike starb am 6. Februar 1981 in Madrid, wurde aber an der Seite ihres Gatten in der ehemaligen königlichen Residenz Tatoi in Griechenland beigesetzt.
Eine weitere historische Besonderheit führt ins Jahr 1945. Obwohl Blankenburg (zu Braunschweig gehörig) nach den Londoner Protokollen von 1944 zunächst der britischen Besatzungszone zugeteilt worden war, wurde der östliche Teil des Landkreises wegen der schlechten Verkehrsanbindung nach Braunschweig im Zuge einer Grenzkorrektur im Juli 1945 der sowjetischen Zone zugeschlagen, während im »Austausch« die Region um Bad Sachsa an die Briten abgetreten wurde.
Wer heute also Blankenburg mit seinem Schloss und dem Barockgarten besucht, wandelt auch auf den Spuren europäischer Geschichte. Schon am Garteneingang wird man von einer Bronzestatue, einer Nachbildung des Braunschweiger Löwen, empfangen. Die Welfenfamilie, die hier ab Anfang der 1930er Jahre lebte, ließ ihn 1945 zurück, als sie vor der sowjetischen Besatzungsmacht nach Niedersachsen floh. Nach der Wende forderte das Adelshaus Hannover die zwei Meter hohe Löwenskulptur aufgrund des Rückgabeanspruchs nach dem Ausgleichsleistungsgesetz zurück, was den vehementen Widerstand der Blankenburger hervorrief. Sie haben demonstriert und Unterschriften gesammelt für ihr Wahrzeichen – mit Erfolg: Per Leihvertrag bleibt der Löwe an seinem Platz.