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Ehrenrettung für Nazi-Künstler  (Ferdinand Krogmann)

Bis zum 15. November ist in der Städtischen Galerie Bremen noch die Ausstellung »›entartet‹ – beschlagnahmt« zu sehen, Untertitel: »Bremer Künstler im Nationalsozialismus«. Sie zeigt Werke von 22 Künstlern aus Bremen und dem Bremer Umland, unter denen so bekannte sind wie Paula Modersohn-Becker, Bernhard Hoetger oder Franz Radziwill. Wohl nur regional bekannt sind Rudolf Hengstenberg, Carl Jörres, Albert Schiestl-Arding, Otto »Tetjus« Tügel und Carl Emil Uphoff. Andere Namen wie Henry de Buys Roessingh, Edzard Dietz, Wilhelm Heckrott, Otto Schoff, Hans Müller, Karl Kriete dürften heutigen Zeitgenossen kaum noch etwas sagen.

Für den Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen soll die Ausstellung gegen das Vergessen kämpfen und »Wiederentdeckung und Wiedergutmachung leisten«, da den von der berüchtigten Aktion »Entartete Kunst« betroffenen Menschen tiefes Unrecht geschehen sei.

Doch diesem Anspruch wird die Städtische Galerie nur ansatzweise gerecht. Fragwürdig schon der Titel »›entartet‹ – beschlagnahmt«, denn er legt die Vermutung nahe, daß die ausgestellten Künstler in der Nazi-Zeit verfolgt wurden. So sieht es der Bremer Bürgermeister. Und auch die die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg mutmaßt im Internet, daß Paula Modersohn-Becker, Franz Radziwill und Bernhard Hoetger zwischen 1933 und 1945 als »entartet« galten und verfolgt wurden. Daß Modersohn-Becker schon 1907 gestorben war, sollte sich inzwischen auch bis Oldenburg herumgesprochen haben und auch, daß Radziwill und Hoetger NSDAP-Mitglieder waren, die sich bis zum Ende des Krieges bemühten, anerkannte Künstler der NS-Bewegung zu sein.

Es bleibt zu fragen, ob de Buys Roessingh, Edzard, Heckrott und Willi Oltmanns Bremer Künstler im Nationalsozialismus waren, obwohl sie in dieser Zeit überhaupt nicht in der Hansestadt lebten, sondern schon in jungen Jahren Bremen verlassen hatten oder erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Bremen zogen.

Neben einer fragwürdigen Auswahl und einem Titel, der die gezeigten Künstler zu Verfolgten des NS-Regimes macht, hat diese Kunstschau einen schweren Mangel. Obwohl der Untertitel verspricht, Bremer Künstler im Nationalsozialismus vorzustellen, fehlen in der Regel deren Arbeiten ab 1933 fast völlig. Nicht eines der zahlreichen, vom Völkischen Beobachter am 17. August 1944 hoch gelobten Panzerbilder von Rudolf Hengstenberg ist zu sehen, nicht eines seiner monumentalen NS-Propagandabilder. Auch von Radziwill sieht man nicht eines der vielen Werke, die den Nazi-Geschmack trafen, weder »Der Stahlhelm im Niemandsland« von 1933 noch das »Grab im Niemandsland« von 1934, noch »Die Beschießung von Almeria durch die deutsche Flotte« von 1938 und auch nicht die »Die Tankschlacht von Cambrai« von 1939.

Die Reihe systemkonformer Arbeiten wäre beliebig fortzusetzen, sowohl bei Radziwill als auch bei den übrigen Künstlern, die Parteimitglieder waren. Bei Carl Emil Uphoff, der ab 1933 einer der führenden Nazis in Worpswede war, bleiben, bis auf eine Ausnahme, die zahllosen Gedichte unerwähnt, in denen er den NS-Alltag hymnisch begleitete und immer wieder Lobgesänge auf den Führer anstimmte. Er tat dies auch in dem 1937 veröffentlichten Bauernroman »Der ewige Jan« oder im Sommer 1940, als er »mit seinen in Schrift und Farbe vornehm gehaltenen ›Führersprüchen‹ … auch auf grafischem Gebiet sein künstlerisches Können unter Beweis« stellte (Wümme-Zeitung, 19. Juli 1940).

Von Hoetger hätte ein historisches Foto des Himmelssaals in dem von ihm entworfenen »Haus Atlantis« in der Bremer Böttcherstraße nicht fehlen dürfen. Darauf zu sehen Hoetgers Skulptur »Der Tag«: ein nackter Jüngling, der in den erwachenden Tag hinein schreitet; der Mann steht auf einem Sockel, in den die Runen der SS eingraviert sind; in die ihn umgebenden Wände sind die Namen von 14 deutschen »Tatmenschen« eingemeißelt, unter ihnen Luther, Friedrich »der Große«, Bismarck und Richard Wagner und an hervorragender Stelle Hindenburg und Hitler. Auch Hoetgers großformatiges Relief »Lichtbringer« von 1936, an der Eingangsfassade zur Böttcherstraße angebracht, hätte verdient gehabt, in großem Format gezeigt zu werden, ebenso Hoetgers mehrfach wiederholte Aussage, er habe den »Lichtbringer« geschaffen als Beweis, »wie sehr ich unseren Führer und seine Taten verehre. … Wie gerne hätten wir [Hoetger und sein Mäzen Roselius] auf das Relief die Jahreszahl 1933 eingeschnitten …«

Dürftig fallen vielfach auch die Kurzbiografien und tabellarischen Lebensläufe der einzelnen Künstler aus. Im erneuten Gegensatz zum Untertitel kommt auch hier die Rolle der besprochenen Personen in der Nazi-Zeit viel zu kurz. So werden in dem Beitrag zu Hoetger dessen Absichten und Motive sowohl vor als auch nach 1933 in einen Verschleierungsbrei getaucht. Daß Hoetger von Anfang an bekennender Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung und fest davon überzeugt war, »daß meine Arbeiten jung, stark und groß genug sein werden, unser neues Reich zu verherrlichen«, bleibt unerwähnt (Hoetger an Helfrich, 16.9.1936). Auch Hoetgers Ausschluß aus der NSDAP im Jahr 1938 bleibt im Nebel. Dabei hatte das Gaugericht der Auslands-Organisation der NSDAP bei der Urteilsbegründung keinen Zweifel an Hoetgers Ehrenhaftigkeit wie auch an seiner Nazi-Gesinnung gehabt. Umstände aus der Vergangenheit hätten es aber als angebracht erscheinen lassen, daß er nicht Mitglied der Partei sein könne.

Viele Behauptungen des Ausstellungskatalogs werden nicht wissenschaftlich belegt, selbst Zitate nicht, sie lassen sich deshalb nur schwer überprüfen. So soll zum Beispiel Hengstenberg als späte Reaktion auf den Tod einer Kommilitonin durch eine »Spartakisten«-Kugel 1931 in die NSDAP eingetreten sein. Radziwill soll sich ab 1935 innerlich vom NS distanziert haben. Der ehemalige Bundesminister Karl-Heinz Funke, gebürtig aus Dangast, wo seit 1923 auch Radziwill wohnte, meint dagegen: Radziwill »war ein Nazi … sogar ein besonders scharfer Nazi«. Er habe Nachbarn verpfiffen und sich nach Ämtern gedrängt. Nach dem Krieg habe er von seinen Missetaten nichts mehr wissen wollen. »Er hat sich als Widerstandskämpfer dargestellt, und das nehmen ihm viele bis heute übel.«

Unkritisch gehen die Ausstellungsmacher nicht nur mit den Künstlern, sondern auch mit der 1934 in Bremen gegründeten »Nordischen Kunsthochschule« um. Sie verschweigen, daß diese Einrichtung die erste Nazi-Kunsthochschule in Deutschland war, daß Richard von Hoff maßgeblich an dieser Gründung beteiligt und nicht nur Bremer Bildungssenator, sondern außerdem SS-Standartenführer und führender Rassentheoretiker in Bremen war. Sie verschweigen zudem, daß der Worpsweder Maler Fritz Mackensen, der erste Direktor dieser neuen Institution, sie in einem Brief so pries: »Die einzige wahrhaft nationalsozialistische Kunsthochschule in Deutschland …die für uns … eine nationalsozialistische Angelegenheit ersten Ranges ist.« Unerwähnt bleibt außerdem, daß in Mackensens Vorwort zur Studienordnung zu lesen war, daß die Hochschule, »schöpfend aus dem Urgrunde deutsch-nordischen Volkstums«, mitarbeiten solle am »Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers«. Drei der Professoren, die sich an diesem Aufbau beteiligten, tauchen unter dem Schutzdach »entartet« in der Städtischen Galerie wieder auf. Es sind die Parteimitglieder Hengstenberg, Schultz-Walbaum und Tegtmeier. Tegtmeier soll Mitglied der NSDAP und Hochschullehrer geworden sein, weil er primär »die Avantgarde als Irrweg ansah«. Die »entartete Kunst« also!

Was Tegtmeier und Co in der Ausstellung »›entartet‹ – beschlagnahmt« zu suchen haben, ist kaum zu verstehen und ihre Gegenwart ein Schlag in das Gesicht der Künstler, die nach 1933 schweren Verfolgungen ausgesetzt waren, weil sie sich nicht anpassen wollten oder konnten.

So leistet man einen regionalen Beitrag zu Bestrebungen, die deutsche Geschichte von 1933 bis 1945 umzuschreiben, indem man aus Tätern und Mitläufern Opfer macht.