Angela Merkel, schmunzelnd. – »Wir haben Wort gehalten«, so lobten Sie sich selbst, nachdem der Koalitionsvertrag zustandegebracht war. Wohlweislich ließen Sie unerwähnt, wem sie was vor der Wahl öffentlich oder intim versprochen hatten und nun regierend wahrmachen wollen. Allen kann es auch eine »Volkskanzlerin« nicht recht machen, aber das Wichtigste haben Sie geschafft: »Die Koalitionsvereinbarung weist für die nächsten Jahre den richtigen Weg«, bescheinigte Ihnen Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, endlich würden »die dringenden Finanzierungsprobleme im Sozialsystem angegangen«. Auch der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hans Peter Keitel, sieht »ein ermutigendes Signal für die deutsche Wirtschaft«. Die Weichen für eine weitere Privatisierung von Lebensrisiken werden gestellt, die Forderung nach Mindestlöhnen ist blockiert, Unternehmen und Gutverdienende erhalten zusätzliche Steuergeschenke. Da ist es nur nützlich, wenn man in der Koalition auch von einem »Schutzschirm für Arbeitnehmer« spricht, denn, wie die Frankfurter Allgemeine anmerkt: »Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist erst im Mai nächsten Jahres.« Dann kommt der richtige Zeitpunkt, wo – wie Ihr Vize Westerwelle es nennt – »der Staat bei sich selber spart«; in der trockenen Diktion der FAZ: wo »Kürzungslisten« für die »Einschnitte in Leistungsgesetze« herausgegeben werden.
Guido Westerwelle, offenherzig. – Daß Sie nun doch Ihr Lebensziel erreicht haben, ist Ihnen zu Kopf gestiegen: »Deutschland wird von der Mitte aus regiert, und die Ränder haben in der Republik nichts zu sagen«, so Ihr Triumphruf. Es kann aber sein, daß die »Ränder« sich vergrößern und die »Mitte« sich verkleinert. Was dann, wenn die »Rand«-Menschen sich mit der Wahlverweigerung nicht mehr begnügen? Dann muß ein neues Wahlrecht her: »Ränder« brauchen keine Stimme.
Sigmar Gabriel, flexibel. – Noch sind Sie nicht Parteivorsitzender, aber den Entwurf eines Leitantrags für den SPD-Parteitag haben Sie, wie Sie in der Presse verbreiten ließen, schon »entwickelt«; und darin wird die künftige Linie Ihrer Partei ganz klar beschrieben: »Weder schließen wir bestimmte Koalitionen aus Prinzip aus, noch streben wir aus Prinzip bestimmte Koalitionen an.« Prinzipienlos? Keineswegs, die SPD will auch in Zukunft wieder mitregieren, irgendwie, aber aus Prinzip.
ADAC-Verlag, meinungsbildend für Autofahrer. – Sie informieren in Ihren Büchern und Videos nicht nur über Reiserouten, sondern auch über Nahrung, historische Ereignisse und vieles mehr. Jetzt preisen Sie Ihr neues Werk »Rätselhaftes Universum« mit einem Hinweis auf den »berühmtesten Deutschen im All« an und meinen damit Ulf Merbold, der 1983 als erster bundesdeutscher Astronaut mitfliegen durfte. 1978 war ihm der DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn unter damals noch starker öffentlicher Beachtung vorangeflogen. Ja, das Universum ist rätselhaft, aber noch rätselhafter ist die Meinungsbildung hier auf Erden; die Rätsel sind kaum lösbar, wenn man nicht die ganz eigene Logik des in der Geschichtsschreibung immer noch andauernden Kalten Krieges kennt, wie sie jahrzehntelang zum Beispiel die Sportberichterstattung des Springer-Konzerns beherrscht hat: »Die Goldmedaille fiel an XY aus Leipzig, bester Deutscher war YZ aus Düsseldorf auf Rang Sieben.«