Wer unter uns würde für ein Täßchen »Kopi Luwak«-Kaffee 30 Euro hinblättern? Reiche Hohlköpfe und Angeber erlauben sich das. Leute, denen es vor gar nichts graust. Pardon, ich greife der Meinungsbildung vor. Also bitte: erst die Einzelheiten über das »kostbarste Getränk der Welt«, als das einige Kaffeeröster den Kopi Luwak anbieten. Dank familiärer Bande und freundschaftlicher Beziehungen nach Südostasien erfuhr ich davon.
»Spitzenkaffee«-Angebote hätten mir allerdings auch am Jungfernstieg in Hamburg, auf dem Kudamm in Berlin, der Kö in Düsseldorf oder in Feinkostläden an der Münchner Frauenkirche auffallen können. Unter Handelsbezeichnungen wie »Coffee Alamid«, »Civet Coffee« (philippinisch) oder »Kopi Luwak« (indonesisch) wird der Luxus zu schier unglaublichen 1000 bis 1200 Euro pro Kilo verkauft, obwohl er – als Generikum? – via Internet auch schon »spottbillig« unter Bezeichnungen wie »Jamaica Blue Mountain« oder »Hawaii Kona« für 140 Euro (ungemahlen) zu bekommen ist. Der US-amerikanische Ursprung der Geschäftsidee »Kaffee aus Katzenkot« wurde mir klar, als ich hörte, daß dieses Getränk vor rund einem halben Jahrhundert in Ho-Chi-Minh-Stadt (seinerzeit Saigon) unter Bezeichnungen wie »Fox Dung Coffee« und »Weasel Coffee« erstmals in nennenswerter Menge in den Handel kam. Zuvor wußten nur wenige Asien-Kenner davon – aber der Reihe nach.
Der wieselähnliche Flecken-Musang ist eine kleine Schleichkatze, die einzelgängerisch in den Tropen Südostasiens lebt. Er ist Allesfresser, bevorzugt Kleingetier und Beeren, und besonders gern verspeist er Kaffeekirschen. Er verdaut deren Fruchtfleisch, die Kerne scheidet er aus. Diese Kaffeebohnen werden auf ihrem Weg durch den Katzendarm fermentiert. Dadurch, so behaupten vermeintliche Gourmets, erhalte der Kaffee nach dem Rösten ein unverwechselbares Aroma. Zwar kennt man dank deutsch-vietnamesischer Forschungen die genaue Enzym-Kombination, die im Katzendarm auf die Kaffeekerne einwirkt, und man verfügt seit Jahrzehnten über effektive industrielle Methoden, die Bohnen »naß« aufzubereiten, das heißt sie vor dem Rösten zu fermentieren. Wir könnten daher gefahrlos unseren Monatslohn, die Rente oder die »Hartz-IV«-Stütze oder meinethalben die versprochene Erbschaft von Tante Irmchen darauf wetten, daß selbst der versnobte Kenner mit dem feinsten Geschmacksnerv nicht in der Lage wäre, unter 30 Täßchen mit Spitzenkaffees den einen herauszuschmecken, der mit »natürlichem« Kopi Luwak zubereitet wurde und nicht, wie die 29 anderen, mit technisch hergestelltem. Doch um realen Kaffeegenuß geht es den Geldsäcken, die als Genießer gelten möchten, nur vordergründig. Sie bezahlen den x-fach höheren Preis für »gefühlte« Qualität. Für den Glauben, ihr Kaffeechen sei deshalb besser, weil es nicht aus einer deutschen Retorte, sondern aus dem Rektum einer indonesischen Schleichkatze komme. Ätsch, ich hab mehr Geld als du, ich trinke was, das du dir nicht leisten kannst!
Wenn aufgrund westlich-kapitalistischer Dekadenz lediglich einige südostasiatische Waldläufer ein paar Dollar mehr in die Tasche bekämen, indem sie im Dschungel die »Toiletten« des Flecken-Musang plündern: nur zu! Das Tierchen löst sich stets an den gleichen Orten, und der kundige Filipino oder Javaner könnte pro Monat wohl ein Kilo getrocknete Bohnen sammeln. So begann ja auch einst das Geschäft mit dem »Katzenkaffee«. Die Händler zahlten bis zu 30 US-Dollar. Viel Geld, damals, für örtliche Verhältnisse. Aber gerade deshalb blieb es nicht bei der »Ernte« im Dschungel.
Es folgte, was immer geschieht, wenn der Mensch mit Tieren Geld macht: Ausbeutung der Natur. Bauern kauften gefangene Schleichkatzen und sperrten sie in Ställe, um einfacher, schneller, billiger an mehr geldwerten Katzendreck zu kommen. Unter Mitwirkung städtischer Finanziers wurden Tierfabriken gebaut. Zwar sind sie noch selten und vielerorts illegal. Aber ihre Zahl wächst wegen der gigantischen Profitraten im Katzenkaffee-Handel.
Vor allem in Indonesien (von dort berichtete mir mein chinesischer Schwager) und auf den Philippinen sind inzwischen Industriebetriebe entstanden, in denen die armen Kreaturen – Schleichkatzen sind scheue, nachtaktive Baumbewohner – artwidrig gehalten werden, damit sie möglichst wenig kosten und möglichst viel Profit erbringen. Die Tierchen müssen ihr kurzes Leben in engen Käfig-Batterien auf Drahtgitterböden verbringen und sterben vorzeitig qualvoll an den Folgen der Überfütterung mit Kaffeekirschen, an Bewegungsmangel und Streß. Sie sterben, weil ihre Pfoten auf dem Drahtgitter wund werden; tierärztliche Behandlung der Schwären rechnet sich nicht und wäre für illegale Betriebe überhaupt untunlich.
In Indonesien kommt Katzenkaffee für 150 Dollar pro Kilo auf den Markt. Das ist im lokalen Kapitalverkehr viel Geld. Richtig teuer wird der rare Kopi Luwak aber im globalen Handel. In Tokio ist er für 500 Euro zu haben. In Europa zahlt der Endverbraucher doppelt soviel für seinen Kopi Luwak – oder für das, was er dafür hält. Im vorigen Jahr, so berichten Tierschutz-Organisationen, wurden zwar »nur« knapp 230 Kilo indonesischer Kopi Luwak nach Europa exportiert, aber allein in Deutschland 420 Kilo verkauft. Welch wundersame Vermehrung ...
Tierquälerei aus Gewinnsucht und aus Gier nach Luxus regt mich auf. Aber daß unserer Schickeria das Fell über die Ohren gezogen wird, wenn sie Kopi Luwak zu kaufen glaubt, das verschafft mir doch eine gewisse Befriedigung.