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Titel2215

Monatsrückblick: Wir schaffen das …  (Jane Zahn)

Asylrecht ab. Jetzt ist klar: Frau Merkel hat bei ihrem berühmten Satz nur die letzten beiden Wörter verschluckt. Aber nur mit ihnen erhält der Satz einen Sinn. Am 24. Oktober bereits trat das neue Flüchtlingsabschreckungsgesetz oder auch Asylverhinderungsgesetz in Kraft. Grundrechte gelten eben nur, solange sie nicht von zu vielen in Anspruch genommen werden. Flüchtlinge aus für sicher erklärten Herkunftsländern – auch wenn die Bundeswehr dort weiter stationiert wird, weil sie für Sicherheit sorgen soll – werden interniert und abgeschoben. »Das muss natürlich human und fair und anständig vonstattengehen«, meint Innenminister de Maizière dazu in der jW vom 24./25.10.15) Human und fair wollen es auch SPD und Grüne, stimmen aber allem zu, was die CDU/CSU an Unmenschlichkeiten fordert. Allerdings nicht ohne sich zu zieren: »Die Einrichtung von Haftanstalten für Tausende von Flüchtlingen an der Grenze lehne ich ab«, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. »Ein solches Verfahren ist praktisch undurchführbar und menschlich nicht in Ordnung.« (Süddeutsche Zeitung, 13.10.15) Bundesjustizminister Maas lehnt den Begriff »Transitzonen« ab und spricht von »Haftzonen«. Solche Eiertänze sind richtigen Rechten natürlich fremd. Ganz klar sieht es Björn Höcke, AfD-Vorsitzender in Thüringen: »Einen Zaun zu bauen, ist immer noch billiger, als eine Million Wohnungen zu bauen«, sagte er der Thüringischen Landeszeitung im Interview. Wie wäre es, man baute auch für die wohnungssuchenden deutschen Bürger einen Zaun? Ist doch billiger!


Die Zahl der Obdachlosen in der BRD kletterte von 2012 bis 2014 um 18 Prozent auf 335.000 Menschen und wird bis 2016 auf über eine halbe Million anwachsen, teilte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe am 5. Oktober mit. Die Zahlen basieren allerdings auf sporadischen Zählungen und Hochrechnungen, da sich der Bund weigert, die Daten zu erfassen. Für die Ursachen interessiert sich die Regierung noch weniger. »Angesichts der Komplexität von individuellen Problemlagen, die zu Wohnungslosigkeit führen, lassen sich zur Erklärung des Anstiegs seit 2010 keine eindeutigen Aussagen über Wirkungszusammenhänge treffen«, äußerte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen Ende Juli des Jahres (zitiert nach junge Welt vom 7.10.15).


Nicht etwa fehlender Wohnraum zu erschwinglichen Mieten, sondern ominöse »Wirkungszusammenhänge« machen Menschen vermehrt obdachlos. Aber ansonsten wird ja auch nicht über Wirkungszusammenhänge nachgedacht. Warum flüchten so viele Menschen weltweit? Besteht vielleicht ein Wirkungszusammenhang darin, dass die Weltbank laut Bericht des UN-Sonderberichterstatters für Armut und Menschenrechte eine »menschenrechtsfreie Zone« ist? Und dass ein Prozent der Menschheit inzwischen über 50 Prozent des Reichtums besitzt, während 70 Prozent sich vier Prozent des Reichtums teilen müssen, wie im Globalen Reichtumsbericht der Credit Suisse ausgerechnet?


Vielleicht hat auch die Politik der NATO dazu beigetragen? Zwar meint die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, dass nur Assad seine Bürger vertrieben habe, und jetzt seien es auch noch die Russen, aber das US-Internet-Portal für Finanzanalysen Zero Hedge schrieb am 17. Oktober: Putins Eingreifen in den Krieg in Syrien sei ein »außergewöhnlich eleganter geopolitischer Schachzug«. Und es sollte »einem vergeben werden, wenn man sich angesichts der jüngsten Ereignisse ein bisschen in die Russen verliebt«.


Außerdem haben die Einsätze der russischen Marschflugkörper gezeigt, dass Russland den bisherigen Vorsprung des Westens auf diesem Gebiet eingeholt hat (Defense News). Wenn deine Feinde dich loben ... Wird Syrien Russlands neues Afghanistan? Begibt sich Russland, wie Obama sagt, in Syrien in einen Sumpf, aus dem es kein Entkommen gibt? Oder beendet es gerade die unilaterale Weltordnung, in der die USA nach Belieben schalten und walten konnten?


»Obamas Schweinebucht« nennen US-amerikanische Kritiker bereits das syrische Schlachtfeld. Aber selbst die Scharfmacher wollen deswegen keine direkte Konfrontation mit Russland riskieren.


Nun laufen Konsultationen auf Kommandeursebene, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen – übrigens auch mit Israel, das Hisbollah-Stellungen in Syrien angreift.


Der Protest gegen das russische Eingreifen hält sich sehr in Grenzen. Und zwar nicht, weil es im Einklang mit dem Völkerrecht geschieht, sondern schlichtweg, weil Europa erkannt hat, dass es Frieden in Syrien braucht, um die Flüchtlinge wieder zurückschicken zu können, und Frieden nun mal nicht ohne Assad zu haben ist – auf jeden Fall nicht mit IS und Kumpanen, die jetzt zum Heiligen Krieg gegen Russland und USA aufrufen. Und gegen die Türkei bereits zur Tat schritten. Die konnten bisher unbehelligt über die türkische Grenze wechseln und sich dort versorgen, weil sie den gemeinsamen Feind, die Kurden, bekämpfen.


Bei all dem mischen deutsche Waffen mit: Die deutsche Rüstungsindustrie exportiert wie noch nie: bereits im ersten Halbjahr 2015 so viel wie im gesamten Vorjahr! Für 6,5 Milliarden Euro gingen Rüstungsgüter ins Ausland – selbstverständlich auch an Staaten, die sich im Krieg mit anderen oder der eigenen Bevölkerung befinden. »Sozialdemokratische Außenpolitik ist Friedenspolitik«, hieß es bei Antritt der Großen Koalition. Und jetzt werden sogar 1000 panzerbrechende Raketen des Typs »Milan«, die beim Einschlag radioaktives Thorium freiwerden lassen, nach Kurdistan geliefert. Bei 1.000 Raketen sind das 2,4 Kilogramm Thorium. Dort, wo diese Waffe bisher eingesetzt oder erprobt wurde, sind häufigere Missgeburten und Krebsfälle aufgetreten. Die kurdischen Peschmerga werden damit ihr eigenes Land verseuchen. So kann man auch Frieden schaffen: Indem die Bevölkerung langsam ausgerottet wird. Frieden schaffen mit immer mehr Waffen! Genauso sinnvoll wie: Sauberen Sport mit immer mehr Geld!


6,7 Millionen Euro Schmiergeld sind an die FIFA ist geflossen, um die Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu holen. Nun, Katar hat bestimmt mehr gezahlt, weshalb also die Aufregung?


Wirtschaftsminister Gabriel will die Zustimmung der Wähler zu TTIP billiger haben: Er setzte läppische 225.000 Euro Steuergelder zu Werbezwecken für TTIP ein – 250.000 Menschen gingen gegen TTIP am 10. Oktober in Berlin auf die Straße: Die waren für einen Euro offenbar nicht zu überzeugen.


Stimmung im Keller? Macht nichts! Die Deutschen nehmen über eine Milliarde Tagesdosen Antidepressiva im Jahr ein. Damit verschmerzt man auch korrupte Politiker und Fußballbosse. Und Sätze wie: »Wir schaffen das ... Asylrecht ab.«