In unserem Wohnzimmer hängt eine wunderbare Holzskulptur des Göttervogels Garuda von der Decke. Gekauft haben wir sie vor etwa 30 Jahren in einer Galerie auf Bali. Als wir wiederkamen, erzählte der Galerist, dass der Künstler nichts mehr anfertigen könne – er sei wahnsinnig geworden. Warum? Seine Frau habe sich an einem Insektenvernichtungsmittel vergiftet. Ob absichtlich oder durch Unkenntnis blieb offen. Auf diesen Giftcocktails stand der Firmenname: Bayer. Nicht Leverkusen: Indonesia. Ein warnender Totenkopf – wie bei uns – fehlte.
Kampnagel, Hamburg. Eine Veranstaltung im Rahmen der »India Week«, als Tanz ausgewiesen. Die indische Theatermacherin Mallika Taneja aus Neu-Delhi und ihr Kollege Shubham aus Mumbai stellen das Stück »Sorry for the Interruption« von Akhil Katyal vor. Tanz? Die beiden Protagonisten stehen, nein laufen schon auf der Bühne. Keine Musik, nur das Aufschlagen der Schuhe auf dem Boden, rhythmisch. Ja, laufen, rennen, fast auf der Stelle oder hin und her. Keine indischen Gewänder, nur ein kurzes Höschen und ein orangerotes T-Shirt, das er und sie, hochgezogen, mit dem Mund festhalten – und sich später über den Kopf ziehen. Tanz? Sie laufen wie um ihr Leben. Lächeln dabei leicht, dann nicht mehr. So lange kann das doch niemand aushalten? Der Zuschauer beginnt, sich zu ängstigen. Wollen sie testen, wie viel Zeit vergeht, bis jemand ihnen zu Hilfe kommt? Dauer-Lauf auf der Bühne, Schweiß tropft herab, sie keucht leise, versucht, etwas zu sagen. Der Stoff zwischen den Lippen stört: Nur unverständliche Worte sind zu hören. Aus dem Lautsprecher: Gelächter eines imaginären Publikums. Sie machen immer weiter. Flüstern aus dem Lautsprecher. Musik – nicht indisch. Sie befreit ihren Mund vom Stoff, spricht, noch sehr erschöpft. Erinnerungen an die Kindheit, als sie zehn Jahre alt war:
Eine Szene zu Hause im Wohnzimmer. Ihre Mutter kommt und sprüht Insektenmittel, die Kinder jagt sie aus dem Raum. Später benimmt sich die Mutter seltsam. Ist sie krank? Sie muss sich übergeben, sich hinlegen. Der Vater ist dazugekommen. Das Telefon funktioniert nicht. Leitungsstörung oder der Akku? Es dauert lange, bis ein Krankenwagen kommt. Die Mutter spricht zu ihnen. Mallika versucht, sich die Worte der Mutter ins Gedächtnis zu rufen, ihre letzten Worte. Es gelingt nicht. Der Strom reißt ab. »Sorry« für die Unterbrechung. Der Lauf, dieses Hasten – hier 50 Minuten – geht weiter bis zum Lebensende – nicht nur in Indien.
Was sagte Olaf Scholz, Erster Bürgermeister Hamburgs, der Stadt der ehrbaren Kaufleute, im Grußwort zur India Week? »Überdies sind die Handelsbeziehungen zu Indien vom Wachstum geprägt und der Global Player ist ein wichtiger Außenhandelspartner.«
Wer macht die Arbeit?