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Titel2218

Wilhelm Zwos Glück ohne Ende  (Otto Köhler)

Drei Wochen bevor ER am 9. November 1918 abdankte, schrieb Alfred Polgar bei uns in der Weltbühne die »Kritik einer nicht gesehenen Theater-Vorstellung«: eine Aufführung des Wiener Deutschen Volkstheaters der Grillparzer-Tragödie »König Ottokars Glück und Ende«. Polgar streckte die kritischen Waffen: »Es läßt sich nichts dawider sagen, und was sich dawider sagen ließe, läßt sich eben nicht sagen.« Darum rühmte er: »Die poetischen Werte des Trauerspiels sind den Gebildeten bekannt. Die patriotischen stehen« – so fügte er vorsorglich hinzu – »außer Debatte«. Denn: »Unter all dem Winzigen, Kleinen, Mittleren und Großen, das das Herz des Mitlebenden bewegt, von der Frage nach den unerforschlichen Zielen der Gottheit angefangen bis hinauf zur Sorge um Kartoffelbeschaffung, wüsste ich kein Ding, das ihm augenblicklich wurschtiger sein könnte als der unglückliche Ehrgeiz Ottokars des Zweiten […].« Und Polgar vermerkte: »In Deutschland wird ›König Ottokars Glück und Ende‹ sehr selten gespielt.«

 

Drei Wochen später war Wilhelm Zwos Glück am Ende. Ein Jahrhundert später »leistet das ZDF« mit »Kaisersturz«, wie die Frankfurter Allgemeine richtig formulierte, »seinen Beitrag« zum Jahrestag der deutschen Revolution von 1918: Den Hauptdarsteller würdigt die FAZ: »Er gibt dem Kaiser mehr Größe und Mumm mit, als Wilhelm II. je hatte.« Die authentische Buchvorlage stammt von Professor Lothar Machtan, eine Art Historiker, der schon Hitler aus dem erklärte, was er an Genitalien vorzuweisen hatte.

 

Trotzdem ist der ZDF-Film – erstaunlicherweise nicht von Guido Knopp – auch eine authentische Fortsetzung jenes Sammelalbums »Bilder Deutscher Geschichte« (Werk 12), das herausgegeben vom Cigaretten-Bilderdienst 1936 in Hamburg-Bahrenfeld erschien. Dieser Sammelband, dessen Einklebebilder Zigarettenpackungen zwecks Werbung beilagen, endete schon 1914. Es ist erfreulich, dass das ZDF mit ebenso prächtiger Ausstattung die Nachfolge für die Jahre bis 1918 angetreten hat – auch die FAZ vermerkt, dass der Film »in der Qualität der Kostüme und Kulissen herausragend« sei. »Leider nur«, wie ihr Rezensent Andreas Kilb einschränkt. Auch unser Kritiker Alfred Polgar geriet aus dem Häuschen, als er 1918 die »herzhaft generöse Sorgfalt« für die mehr als hunderttausend Mark teuren Kostüme monierte. »Großer Gott«, rief er aus, »Hunderttausend Mark für Wämse, geschlitzte und geschlossene, bestickte und glatte, für Kettenpanzer, Topfhelme« und so elf Weltbühnen-Zeilen lang fort bis zu den »Trommeln, Trompeten, Pappendeckelschilde[n].« Allein schon darüber regte sich Polgar auf, der doch die edle Ausstattung des Kostüm- und Cigarettenfilms im ZDF noch gar nicht kennen konnte: »Wie dieser ganze lächerlich furchtbare und furchtbar lächerliche Plunder wirken mag, wenn ihm die Schauspieler ausgezogen sind!«

 

Bleibt eine Hoffnung. Während diese Zeilen in Druck gehen, erlebt die Rockoper WILHELM II.: THE CRAZY ANTIWAR HISTORY RALLYE am Théâtre National du Luxembourg ihre eigentliche Welturaufführung. Sie wurde zwar schon vom Stadttheater Minden bei den Ruhrfestspielen gezeigt – aber unter Ausschluss der überregionalen Presse. Der Dramatiker Wolfsmehl kann sich Historienmärchen für das ZDF nicht leisten. Denn er schreibt auch Bücher und Hörspiele für Kinder. Und die sind kritisch.

 

Wo die ZDF-Schmonzette aufhört, mit der Abdankung Wilhelms, fängt das Rockmusikdrama an, im Exil im holländischen Doorn. Mit dabei, was dazugehört: die allegorischen Figuren »Der Tod« und »Die Deutsche«. Und des Kaisers getreuer Flügeladjutant Ilsemann. Nach dessen Aufzeichnungen hat Wolfsmehl sein Buch geschrieben. Tag für Tag bis zum eigenen Tod hackt Wilhelm Holz, der Kaiser, der mit 59 Güterwaggons voller zusammengeplündertem kaiserlichem Eigentum ins Exil floh. Einen ganzen Wald legte er um, Stämme wie Soldaten. Und monologisierte dabei in Erinnerungsschüben deutsche Geschichte nach seiner Art.

 

 

Weitere Aufführungen: 11. und 13. November, Karten unter Tel. 00352-47 08 951.