Der französische Präsident Macron vergleicht sich gern mit dem Glücksplaneten Jupiter, dem größten Himmelskörper des Sonnensystems. Das erinnert an einen entfernten Vorgänger, der sich gar mit der Sonne vergleichen ließ. Bei der Machtfülle, die dem französischen Präsidenten qua Verfassung zugebilligt wird, sind Größenwahn und Arroganz schwer zu vermeiden. Nur wenige Präsidenten übten sich in der Tugend der Bescheidenheit. Dieser sicherlich nicht. Über ein Jahr lang haben die Franzosen den Quereinsteiger und ehemaligen Investmentbanker als Retter, Erneuerer oder zumindest als kleinstes Übel gesehen. Aber nun wird allmählich klar, dass Macron nicht der große Reformer ist, sondern ein ähnlich selbstverliebter Staatschefdarsteller wie sein Vorvorgänger Sarkozy.
Nach einer Umfrage sind nur noch 29 Prozent der Franzosen mit ihrem Präsidenten zufrieden. Sein glückloser Vorgänger François Hollande, der Macron als Präsident der Superreichen bezeichnete, erlebte bei der Vorstellung seines neuen Buches »Lektionen der Macht« im ganzen Land einen unerwarteten Andrang. Das liegt sicherlich daran, dass der letzte sozialdemokratische Präsident zwar unbeliebt war, aber eines konnte man ihm nie unterstellen: Arroganz. Das aber werfen 80 Prozent der Franzosen dem neuen Präsidenten vor. Dazu beigetragen haben etliche Vorfälle im In- und Ausland. Bei dem Besuch einer Schule wird er von einem Schüler mit »Hallo Manu« (Kosename für Emmanuel) angesprochen, und der bekommt sofort eine Lektion erteilt: »Ich bin der Präsident, ich werde mit ›Monsieur le président‹ angeredet.« Ein paar Wochen später wird er von einem arbeitslosen Gärtner angesprochen. »Ich brauche nur über die Straße zu gehen und finde was [einen Arbeitsplatz] für Sie«, sagte Macron, »zum Beispiel im Hotelgewerbe oder in der Gastronomie.« In Colombey les Deux Églises, wo General de Gaulle begraben ist, weist er Rentnerinnen zurecht, die sich über die neue Rentensteuer beklagen: »Das Einzige, was man nicht machen darf, ist, sich zu beschweren.« Protestierende Arbeiter erklärt er kurzerhand zu Analphabeten. Anlässlich eines Besuches in Dänemark erfuhren die Franzosen aus dem Mund ihres Präsidenten, dass sie ein gallisches Volk sind, das gegen Veränderungen ist.
Dazu kommt ein aufwendiger Lebensstil: Für den Élyséepalast wird neues Geschirr bei einer renommierten Porzellanmanufaktur bestellt, teure Umbauten sind geplant, und auch das 34.000 Euro teure Schwimmbad in der Sommerresidenz Fort Brégançon kommt bei der Bevölkerung nicht gut an. Ebenso wirft die seit August schwelende Affaire Benalla – einer seiner Leibwächter, der sich Polizeibefugnisse anmaßte und linke Demonstranten verprügelte – ein schlechtes Licht auf den Staatschef.
Inzwischen verlassen auch immer mehr Minister die Regierung. Erst ging Sportministerin Laura Flessel, spektakulärer war der Rücktritt des beliebten Umweltministers Nicolas Hulot. Der sah sich nur noch als Feigenblatt für eine kaum vorhandene Umweltpolitik missbraucht, das Treffen Macrons mit dem Präsidenten des mächtigen Jagdverbandes war der eigentliche Auslöser. Mitte September schließlich kündigte Innenminister Gérard Collomb seinen Rückzug an. Er hatte dem Präsidenten einen Mangel an Bescheidenheit vorgeworfen. Im Oktober bildete Macron die Regierung dann völlig um. Etliche Minister wurden ersetzt, darunter auch die in einen Immobilienskandal involvierte Kulturministerin Françoise Nyssen. Neuer Innenminister wurde der Parteichef der Macron-Partei La République en Marche (LREM), Christophe Castaner.
Das letzte Aufgebot des Präsidenten? Nein, denn seine Amtszeit beträgt fünf Jahre, und davon sind gerade mal eineinhalb Jahre vergangen. Auch die nächste Parlamentswahl ist erst 2022. Die Europawahl 2019 wird für die Präsidentenpartei zwar schlecht ausgehen, aber mehr als ein Stimmungsbild ist das nicht. Einen französischen Präsidenten während seiner Amtszeit zu stürzen ist nahezu unmöglich. Ein vorzeitiger Amtsverzicht kann bei einem Präsidenten wie Macron ausgeschlossen werden, jung und gesund ist er sowieso. Die Franzosen müssen also noch mindestens dreieinhalb Jahre mit ihm auskommen.
Die Opposition ist immer noch schwach. Die traditionelle Rechte ist zerstritten, und Macron macht in ihren Augen ja auch vieles richtig. Der frühere Front National, von Marine Le Pen inzwischen in Rassemblement National (RN) umbenannt, hat massive Geldprobleme. Zum einen wegen der Rückzahlung zweckentfremdeter EU-Gelder, zum anderen wegen der Blockierung von Teilen des Parteivermögens durch den Vater Jean-Marie Le Pen. Einzig Jean-Luc Mélenchon, Chef der linken Bewegung La France insoumise kann zur Zeit von der Unzufriedenheit der Franzosen profitieren.
In den letzten Wochen gab es landesweit Demonstrationen und Proteste gegen Macron und seine Regierung. Die soziale Schieflage ist nicht mehr zu übersehen. Den zahlreichen Kürzungen im Sozialbereich stehen niedrigere Steuersätze für Unternehmen und eine Minderung der Vermögenssteuer gegenüber, die Arbeitslosigkeit stagniert auf hohem Niveau. Es ist wahr, Jupiter ist der größte Planet, allerdings hat er wenig Substanz, den er besteht nur aus Gas. Man könnte auch sagen: aus heißer Luft.