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Titel2308

Wie man ein Nationalheld wird  (Sergej Guk)

Die Zeitung Komsomolskaja Prawda veröffentlichte einen Artikel mit Foto über einen Untersuchungsrichter in der Provinz. Seine Leistung: Er hat 50.000 Rubel Schmiergeld abgelehnt. Solche wie er gelten heute als Nationalhelden, nachdem der Präsident zu einer Antikorruptionskampagne aufgerufen hat. Wenn es in diesem Stil weitergeht, wird man demnächst jedem Selbstlosen huldigen, der einmal der Versuchung standhielt, die Bevölkerung zu bestehlen – zum Beispiel dem Vize-Gouverneur der Region Tscheljabinsk, Andrej Kossilow, der im Fernsehen die Beschuldigung, 200 Millionen Rubel aus seinem Etat unterschlagen zu haben, mit verachtungsvoller Miene konterte: Er sei nicht so dämlich, Geld derart primitiv zu veruntreuen. Womit er zu verstehen gab: Nicht, daß er prinzipiell zu so etwas nicht fähig wäre, aber er hätte gerissener gehandelt und sich nicht erwischen lassen.

Bei jeder Gelegenheit redet Dmitrij Medwedew von der Korruptionsbekämpfung, die für ihn gleichermaßen wichtig sei wie die nationale Sicherheit. Er ließ auch ein Gesetzespaket schnüren, das die Staatsduma jüngst in erster Lesung angenommen hat. Die Opposition wies auf Lücken hin. Beispielsweise fehlen Regelungen für die Wiedergutmachung der dem Fiskus entstandenen Verluste. Vorsorglich haben unsere Volksvertreter schon vor ein paar Jahren aus dem Strafgesetzbuch die Möglichkeit entfernt, das Vermögen von Delinquenten zu beschlagnahmen.

Wie konnte eine so lückenhafte Gesetzesvorlage entstehen? Ganz einfach. Weil eben jene hochgestellten Personen federführend waren, die von strengen Vorschriften selbst hart getroffen werden könnten. Wie der Volksmund schon sagt: Solche Leute lassen das Beil nie auf den eigenen Fuß fallen.

Der Duma-Abgeordnete Michail Grischankow prophezeite: »Die guten Absichten werden in der Luft hängen bleiben, wenn es keine Handhabe gibt, sie zu realisieren.« Daß die Öffentlichkeit an der Kontrolle über die Exekutive beteiligt sei, werde lediglich behauptet, aber nicht gewährleistet. Der Witz der ganzen Geschichte: Nachdem die Oppositionellen ihre vernichtenden Urteile gesprochen hatten, wurde der Entwurf in erster Lesung einstimmig gebilligt.

Eigentlich bieten schon die vorhandenen Gesetze genug Möglichkeiten, korrupte Leute hinter schwedische Gardinen zu bringen, man müßte sie nur anwenden Ein Beispiel: Der Chef der zentralen Wahlkommission teilte mit, vor der vergangenen Wahl hätten über 800 Kandidaten falsche Angaben über ihren Vermögensstand gemacht. Wurden sie von den Wahlen ausgeschlossen, wie das Gesetz vorschreibt? Natürlich nicht.

Wochenlang demonstrieren Tausende in Moskau, die ihr letztes Geld in den Wohnungsbau investiert haben und weder Obdach bekommen noch ihre Beiträge zurückerhalten. Die Staatsgewalt, die solch unerhörte Betrügerei zugelassen hat, schweigt stur, statt einzugreifen. In Samara erteilen die Beamten den Bauunternehmern die amtliche Bauerlaubnis für Grundstücke, auf denen noch bewohnte Holzhäuser stehen. Wohin mit den Leuten und ihrem Eigentum? Nirgendwohin. Oder in Slums ohne Licht und Wasser. In einem Moskauer Vorort erhalten die Bewohner von Altbauten aus heiterem Himmel die Anordnung, innerhalb von drei Tagen ihre Häuser zu räumen. Begründung: Die ihnen vor Jahrzehnten erteilten Genehmigungen seien nicht mehr gültig. Die armen Teufel sollen nicht nur ausziehen, sondern auch noch für das Abreißen ihrer Häuser aufkommen. Die Bauhyänen sind schon scharf auf ihre Grundstücke. Der Gerichtsweg ist das Einzige, was den Vertriebenen bleibt.

Ich schließe freilich nicht aus, daß nach Inkrafttreten der neuen Gesetze tatsächlich einige spektakuläre Prozesse zustande kommen und einzelne hohe Tiere geopfert werden. Nämlich die, die man höheren Ortes gern loswerden will.