Die Schauspielerin, Kabarettistin, der Filmstar und Fernsehliebling Franziska Troegner, seit einiger Zeit auch geschätzt als intelligent plaudernde Autobiographin, stellte sich kürzlich als Buchautorin vor: Zu diesem speziellen Debüt muß man F. T. beglückwünschen. Man muß es natürlich nicht; ich tue es freiwillig und gern. Dieses unpathetische Buch macht nämlich Spaß und vermeidet den hohlen Tonfall anderer Biographien, die von verhinderten Grabrednern verfaßt sind, welche in Berlin nicht grundlos als Kutenprediger bezeichnet werden.
»Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze«, bemerkte Schiller. Deshalb muß aber kein lebender Mime sein Naturhaar-Toupet mit künstlichen Lorbeerblättern aus dem McPaper-Shop garnieren. Das hat nicht mal Striese getan, der vielbelachte Chef eines Tournee-Ensembles in Schönthans »Raub der Sabinerinnen«. Der oben zitierte Spruch aus dem Wallenstein-Prolog lautet weiter: »Drum muß er geizen mit der Gegenwart, den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen.« Das hat, scheint mir, F. T. in ihrem bisherigen Leben meistens praktiziert. Ihr sehr empfehlenswertes Buch heißt »Fürs Schubfach zu dick«. Das mag, wenn man an die üppige Figur der Theaterkünstlerin denkt, seinen Sinn haben. Genau besehen, ist aber die Bühnen-Begabung der Troegner viel zu groß, um in einer Fach-Schublade abgelegt zu werden. Das wäre überholter Unsinn aus der Striese-Zeit: Junge Naive, Komische Alte, Stechaugen-Bösewichte und so weiter. Haben wir es hier und in diesem Buch mit einer komischen Dicken zu tun? Oder mit einer wichtigen und interessanten Menschen-Darstellerin? War Herwart Grosse ein erstklassiger Schauspieler, weil er so schlank war? Oder Charles Laughton ein Weltstar, weil er so dick war?
Ende 1953 erblickte Franziska Troegner das Licht dieser Welt. Und rein zufällig gleichzeitig wurde ich beim Kabarett »Die Distel« als Dramaturg engagiert. Später lerne ich dort F.s Vater kennen, den Schauspieler, Regisseur und Kabarettisten Werner Troegner. Der war ein sympathischer, witziger, zeitweise dicker, dann sehr dünner Mann. Die Tochter beschreibt ihn unter andrem folgendermaßen:
»Ich bin nun weiß Gott nicht die einzige Tochter, die einen trinkfreudigen Vater hatte – und auch nicht die einzige, die trotzdem voller Liebe und Dankbarkeit an ihn denkt.« Ihr Bericht ist keine Abrechnung. Der Leser weiß, wer F. T. heute ist. Wie sie aber zu dieser gegenwärtigen Künstlerin wurde, erfährt er aus einer Fülle freundlicher Informationen. Mutter Elfriedes Weg führte sie als Sängerin in die Komische Oper zum Patriarchen Walter Felsenstein, der jeden seiner vielen Mitarbeiter beim Namen kannte und begrüßte. Vater Werner war lange Zeit der »Distel« als vielseitig begabter und aktiver Mitarbeiter unentbehrlich. F. T.: »Eltern lernen ja nicht, Eltern zu sein. Meine haben versucht, ihre Sache einfach so gut zu machen, wie es ihnen möglich war. Sie ließen mich nicht in geistiger Enge aufwachsen und haben mir, dessen bin ich mir sicher, Wurzeln und Flügel verliehen. Auf diese Weise von beiden Eltern genmanipuliert, gab es für mich keinen anderen Berufswunsch als den, allabendlich vors Publikum zu treten.«
Auf dem Titelblatt ist vermerkt: »Mitarbeit Andreas Püschel«. Fein, daß es vermerkt ist. Dank Püschels freundschaftlicher Hilfe entstand ein Buch, das sich lesen und sehen lassen kann. Schon der Umschlag (Marion Schröder) bezaubert, und die zahlreichen Fotos im Bildteil dokumentieren mit Familien- und Rollenbildern Lebenslauf und Karriere: F. T. als stumme Kattrin mit Gisela May (»Mutter Courage«) im Berliner Ensemble, ebenda als Grusche (»Kaukasischer Kreidekreis«), Polli (»Dreigroschenoper«), mit Annemone Hase, Stefan Lisew-ski, Ekkehard Schall und Jaecki Schwarz (»Trommeln in der Nacht«) ...
Franziska Troegner: »Fürs Schubfach zu dick«, Das Neue Berlin, 222 Seiten, 16.90 €