Angela Merkel, die sich bei den Plutokraten als servile Hausdame anbiedert, übernimmt nun gegenüber der Öffentlichkeit den »Basta!«-Stil ihres sozialdemokratischen Amtsvorgängers. Werden wir uns daran gewöhnen? An das Versagen der sogenannten Vierten Gewalt im Staate, an den Niedergang der freien Presse, dürfen wir uns nicht gewöhnen. Für Demokraten ist es unerträglich, wenn die angebliche Creme des bundesdeutschen Journalismus, versammelt in der Bun-despressekonferenz zu Berlin, sich regelmäßig als Pfeifensammlung erweist – und über die eigene Unfähigkeit und Feigheit auch noch grinst und lacht.
Mehr als eine halbe Million Menschen hat sich innerhalb einer Woche im Internet-Portal youtube eine nur 73 Sekunden dauernde Filmszene angesehen: Ein niederländischer Journalist zeigt seinen deutschen Kollegen, daß sie keinen Arsch in der Hose haben. Rob Savelberg, in Berlin akkreditierter Korrespondent der Tageszeitung De Telegraaf, fragt Bundeskanzlerin Merkel, warum sie Schäuble als Finanzminister für qualifiziert halte, einen Mann, der doch einst vergessen habe, »daß er 100.000 Mark in der Schublade liegen hat« (gemeint war die von Schäuble verschwiegene CDU-Parteispende des Waffenschiebers Schreiber). Savelberg: »Kann man die Finanzen eines Landes jemandem anvertrauen, der vor dem Bundestag beteuert hatte, einen Waffenhändler nur einmal getroffen zu haben, und dabei vergessen hatte, daß er 100.000 Mark erhalten hat?« Das Zitat wird hier wiederholt, weil man Wahrheiten permanent wiederholen muß, um der Lüge zu begegnen.
Die Besucherzählung bei youtube.com fiel zeitweise aus, und leider registriert sie auch nicht die Nationalität der Besucher. Wir hätten gern erfahren, ob sich mehr Deutsche oder doch mehr Niederländer die Szene ansahen. Dafür wissen wir spätestens jetzt, daß unser Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk die Gebühren nicht mehr wert ist, die wir für ihn zahlen. Bei der Erfüllung ihres Informationsauftrags versagten ARD-Tagesschau und ZDF-heute auch diesmal. Beide Nachrichtensendungen hielten den Vorfall nicht für berichtenswert (oder wagten nicht, darüber zu berichten).
Stattdessen kürten kommerzielle Medien Savelberg zu ihrem Tageshelden. Auch der Spiegel entblödete sich nicht, zu schleimen: Der Niederländer habe »eindrucksvoll bewiesen, daß auch Medienvertreter mitunter noch über ein funktionierendes Langzeitgedächtnis verfügen. Mit charmant niederländischem Akzent fragte er ...« und die Kanzlerin habe über die kecke (sic!) Frage – im Gegensatz zu manch anwesendem Pressevertreter – nicht lachen können.
Auch der Spiegel ist in der Bundespressekonferenz vertreten. Ob sein Korrespondent unter den Lachern war, weiß ich nicht. Aber was gab es denn überhaupt zu lachen?
Savelberg »hakte nach, wie im Lehrbuch des Journalismus beschrieben« (Spiegel). Aber als ihn die Kanzlerin patzig und herablassend abfertigte und eine sachliche Antwort auf seine Frage verweigerte, sprang ihm kein einziger deutscher Kollege solidarisch bei. Keiner wagte es, Belang und Angebrachtheit der Frage zu unterstreichen und auf Beantwortung zu bestehen. Man lachte oder fühlte sich peinlich berührt. Und ließ sich am Nasenring zur nächsten Frage ziehen. Peinlich. Schändlich.
Im Interview mit der Welt kommentierte Savelberg: »Vielleicht haben meine deutschen Kollegen zuviel Respekt. Mir fällt auf, daß es in Holland weniger Berührungsängste gibt. Da sind meine Kollegen härter. Die Regierung besteht nur aus gewählten Volksvertretern. Das sind keine Monarchen.« Wie höflich der Mann ist!
Der kurze Film ist bei youtube unter dem Stichwort Savelberg abrufbar.